Papst verspricht in Predigt "besseren Wein"

Eine andere Familienmoral

In der ersten Predigt seiner Südamerika-Reise legt der Papst eine Bibelstelle aus, die alle kennen. Doch seine Interpretation hat es in sich, meint Ludwig Ring-Eifel. Er begleitet die Papstreise.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
 (DR)

Es ist die erste große öffentliche Predigt von Papst Franziskus in seiner spanischen Muttersprache bei seiner ersten großen Reise durch seinen Heimatkontinent. Mehr als eine Million Menschen sind in die größte Stadt Ecuadors nach Guayaquil in den von Präsident Rafael Correa in seiner Heimatstadt neu angelegten Volkspark "Samanes" gekommen, um ihn zu sehen und zu hören. Seinen sanften, leisen argentinischen Singsang, sein Lachen, seine Umarmungen, seine Menschlichkeit. "Willkommen Papst Franziskus Held der Bescheidenheit!", steht auf einem selbstgemalten Plakat, das ein Mann mit Baseballkappe und kariertem Hemd schwenkt. Das schweißtreibende Bad des Papstes in der Menge bei tropischer Hitze und extremer Luftfeuchtigkeit scheint kein Ende zu nehmen.

Dabei ist Franziskus schon mit Verspätung eingetroffen. Bei einem Besuch im neuen Heiligtum der Göttlichen Barmherzigkeit an einem anderen Ende der weit ausgedehnten Hafenmetropole kam er im Jubel der begeisterten Menschen kaum voran. Dort blieb ihm am Ende nur Zeit für einen Segen und für seine Bitte, die Menschen mögen für ihn beten.

Auslegung des "Weinwunders"

Als er in Guayaquil predigt, hat der Papst es nicht leicht, nach den Begeisterungsstürmen für seine Person die nötige Aufmerksamkeit für seine Botschaft zu finden. Die hat er in eine Auslegung des "Weinwunders" bei der Hochzeit zu Kanaan gekleidet. Die Zuhörer kennen diesen Text, bei dem Waschwasser aus Krügen in Wein für eine Hochzeitsgesellschaft verwandelt wird, beinahe auswendig. Und auch Dutzende Predigten dazu haben sie schon gehört, doch die Auslegung des Papstes hat es in sich.

In einer theologisch ausgefeilten, zugleich anspruchsvollen und ansprechenden Predigt spricht er über die Familie. Er findet so schöne Sätze wie den, dass sich in der Familie der Glaube und die Muttermilch mischen und den: "Wenn man die Liebe der Eltern erfährt, spürt man sich der Liebe Gottes nahe." Er preist die Familie als Schule des Lebens und als Verwirklichung der göttlichen Liebe. Und dann schlägt er neue Wegmarken für die mit Spannung erwartete Familiensynode ein, die im Oktober zu einer Zerreißprobe für die weltweite katholische Kirche werden könnte.

"Unreines" in Wunder verwandeln?

Erstaunlich ist, wie viel differenzierter und kreativer der Papst auf Spanisch predigt, weil er diese Sprache mit mehr Nuancen spricht als das Italienische. Inhaltliche Unschärfe verhindert dies freilich nicht. Er ruft die Gläubigen auf, im Vorfeld der Synode dafür zu beten, dass "alles was uns unrein erscheint, Skandal verursacht oder uns Angst macht" von Gott in ein Wunder verwandelt wird - so wie das Wasser in Kanaan zu Wein wurde. "Die Familie heute braucht solche Wunder", fügt er unter dem Beifall der Menschen hinzu und macht ihnen Hoffnung. Und weiter sagt er: Jesus trinkt den Wein am liebsten mit jenen, die spüren, dass alle Krüge zerbrochen sind. Unter dem internationalen Pulk der Vatikan-Experten, die dem Papst wie auf jeder Reise folgen, entbrennen sofort Debatten darüber, wen und was der Papst mit diesen Sätzen wohl meint.

Der Papst selbst ließ dies in Guayaquil offen, doch der Kontext war offensichtlich das, was er als "dauerhafte, fruchtbare Liebe" bezeichnete. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi beeilte sich, zu erklären, dass der Papst "keine speziellen Gruppen oder Situationen" gemeint habe. Also in besonderer Weise weder die Schwulen noch die Geschiedenen. Sondern eben alle Sünder und alle nach Liebe Dürstenden. Eine neue Art zu sprechen und die Dinge zu sehen, die sich in Familien ereignen, ist das dennoch.

Fernab von dem, "was sein soll"

Ausdrücklich spricht der Papst davon, dass die eigentlichen Wunder in der Familie oft fernab geschehen von Idealen oder dem, "was sein soll". Im Kontext Südamerikas, in dem Familienmoral und Familienideale vor allem im bürgerlich-katholischen Milieu bis heute sehr hoch, mitunter auch zu hoch gehalten werden, bedeuten diese Worte eine Öffnung. Und das gilt selbst dann, wenn nicht das Zusammenleben von homosexuellen Paaren und Menschen in zweiter Ehe damit gemeint war, sondern "nur" die Sünden, Krisen, Katastrophen und Durststrecken in einer normalen Vater-Mutter-Kinder-Familie.


Quelle:
KNA