Papst und Vatikan stehen vor wichtigen Entscheidungen

Sommerferien ohne Sommerloch

Der Papst hat sich am Sonntag von den Gläubigen auf dem Petersplatz verabschiedet und allen "gute Ferien" gewünscht. Am Dienstag zieht er aus dem Apostolischen Palast des Vatikan an seinen Sommersitz Castel Gandolfo um - zur Erholung, aber auch mit vielen Bücherkisten und Akten. Vorher dürfte jedoch noch die "Personalie Müller" erledigt werden.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Benedikt XVI. werde den mit Unterbrechungen dreimonatigen Aufenthalt oberhalb des Albaner Sees auch zur Arbeit und zum Bücherschreiben nutzen, heißt es im Vatikan. Und natürlich werde er im direkten Kontakt mit seinen Mitarbeitern die aktuelle Situation an der Kurie weiterverfolgen. Zu einem richtigen "Sommerloch" dürfte es - auch mit Blick auf die "Vatileaks" - dieses Jahr kaum kommen.



In den vergangenen Tagen hat Benedikt XVI. noch eine Reihe wichtiger Personalveränderungen vorgenommen. Er hat Behördenchefs ausgetauscht und durch die Ernennung etlicher Nicht-Italiener die Kurie wieder etwas internationaler gemacht. In diese Richtung könnte auch die Neubesetzung an der Spitze der Glaubenskongregation gehen. Vieles spricht dafür, dass Benedikt in den nächsten Tagen den Rücktritt des 76-jährigen und amtsmüden US-Amerikaners Kardinal William Levada annimmt. Ob auf ihn tatsächlich der deutsche Theologe und Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller (64) folgt, hält der Vatikan bis zuletzt unter Verschluss.



Immerhin wurde Müller in den vergangenen Monaten für ein halbes Dutzend vatikanischer Spitzenpositionen gehandelt, vom Archiv über die Bildungskongregation bis zum Einheitsrat. Und seine mittelbayerische Heimatzeitung gab unlängst sogar Entwarnung mit der Schlagzeile, Müller bleibe nun doch im Bistum. Manches spricht freilich dafür, dass sich Benedikt XVI. nach reiflichem Überlegen für seinen Landsmann entschieden hat - auch gegen Widerstände im Vatikan und in bestimmten Kirchenkreisen, die dem Regensburger pauschal seine persönliche Freundschaft mit dem Befreiungstheologen Gustavo Gutierrez anlasten.



"Vatileaks"-Skandal und Piusbrüder

Zudem wird Benedikt XVI. auch die Kabale um den "Vatileaks"-Skandal weiter verfolgen. Seit am 23. Mai sein Kammerdiener Paolo Gabriele verhaftet wurde, nachdem die Gendarmerie päpstliche Geheimdokumente in seiner Wohnung fand, sucht der Vatikan nach Mittätern - und vor allem nach Motiven für den Verrat. Nach außen wurde bislang nichts bekannt. Aber Mimik und Gestik mancher Vatikan-Verantwortlicher lassen Zuversicht erahnen. Darauf deutet vor allem der Ausspruch des spanischen Kardinal-Kommissars Julian Herranz hin, man werde bald eine "Überraschung" erleben.



Weniger Zuversicht deuten unterdessen die jüngsten Signale von Seiten der Piusbrüder an. Vom 9. bis 14. Juli tritt an deren Zentrale im Schweizer Econe das Generalkapitel der Priesterbruderschaft Pius X. zusammen. Es muss über eine endgültige Antwort auf die "Lehrmäßige Präambel" Roms vom September 2011 befinden. Eine zwischenzeitliche Antwort ihres Generaloberen Bernard Fellay bezeichnete der Vatikan im April als vielversprechend. Anscheinend jedoch waren die offenen Fragen doch gewichtiger als vermutet.



Drittes Jesus-Buch

Nach dem Gespräch Fellays mit Levada am 13. Juni veröffentlichten beide Seiten recht unterschiedliche Kommuniques. In dem der Traditionalisten war von "Schwierigkeiten in Glaubensfragen" die Rede sowie von einem "Willen nach weitergehenden Klärungen", die "in eine neue Reihe von Gesprächen münden" könnten. Ob sich der Vatikan aber auf eine neue Gesprächsrunde einlassen will, nachdem die Experten beider Seiten bei den eineinhalbjährigen Beratungen erst gerade alle Argumente ausgetauscht haben, wird sich zeigen.



Offenkundig bestehen innerhalb der Piusbruderschaft erhebliche Meinungsverschiedenheiten über das Angebot Roms. Damit ist offen, ob es demnächst zu einer Einigung mit einem Teil der Traditionalisten oder zu einem Schisma kommt - oder ob man doch noch weiter nachdenken möchte.



Unterdessen will Benedikt XVI. in den nächsten Wochen seine Arbeiten am dritten Band seines Jesus-Buches fortsetzen. Und er wird sich auf die Libanon-Reise Mitte September vorbereiten - in der Hoffnung, dass nicht in der Zwischenzeit die Wirren im benachbarten Syrien auch auf den Zedernstaat übergreifen.