Fast täglich ernennt Papst Leo XIV. einen oder mehrere Bischöfe für eines der mehr als 4.000 Bistümer der katholischen Weltkirche. Im Normalfall nimmt er im gleichen Augenblick auch den Rücktritt des bisherigen Amtsinhabers an - sofern der Bischofssitz nicht schon länger vakant ist. Bei beiden Rechtsakten (Annahme des Amtsverzichts und Ernennung des Nachfolgers) zeigen sich nach gut einem halben Jahr im Amt wichtige Konstanten in der weltkirchlichen Personalpolitik des Papstes.
Dass Leo XIV. bei Rücktrittsannahme und Neuernennung bemerkenswert zügig vorgeht, hat vermutlich etwas mit der Tätigkeit zu tun, die er bis zu seiner Wahl am 8. Mai ausübte: Als Präfekt des Bischofs-Dikasteriums war er unter anderem für die Nachbesetzung von Bischofsstühlen in Europa, Nordamerika und Lateinamerika zuständig.
Auch damals schon galt er als entschlossener, effizienter und umsichtiger "Personaler". Allerdings machte ihm sein damaliger Chef, Papst Franziskus, ein stringentes Vorgehen manchmal unmöglich. Denn der Papst aus Argentinien beließ Bischöfe, für die er Sympathien hegte, gerne deutlich länger im Amt.
Verlängerungen aus der Ära Franziskus
Ein prominentes Beispiel war der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn, den Franziskus als einen erprobten Vermittler zwischen den kirchenpolitischen und theologischen Lagern in der Kirche sehr schätzte. Schönborns Rücktritt nahm Franziskus erst zu dessen 80. Geburtstag am 22. Januar dieses Jahres an.
Die Ernennung des Nachfolgers Josef Grünwidl durch Papst Leo XIV. zog sich dann ebenfalls einige Monate hin. Schuld daran waren aber nicht die langsam mahlenden Mühlen im Vatikan, sondern - dem Vernehmen nach - ein Zögern in Wien. Ein anderes personelles "Alt-Erbe" konnte Leo XIV. zügiger abwickeln.
Den mächtigsten katholischen Kirchenmann in Großbritannien, den Erzbischof von Westminster, tauschte er inzwischen aus: Auch hier hatte Franziskus dem als gemäßigt liberal geltenden Vincent Nichols offenbar eine ausgedehnte Verlängerung gewährt. Sechs Wochen nach dessen 80. Geburtstag nahm Leo nun den Rücktritt des englischen Primas an, und bestellte umgehend Charles Moth zum Nachfolger.
Dass der Papst aus Chicago ein anderes Wechsel-Tempo auch bei "Kardinalssitzen" in der Weltkirche für richtig hält, machte er unlängst im Erzbistum New York deutlich. Der dort seit 16 Jahren regierende Kardinal Timothy Dolan hatte noch unmittelbar nach dem Konklave gesagt, dass er über seinen Landsmann Prevost eigentlich nur wenig wisse. Nun lernte er dessen Stil in der Personalführung rasch kennen: Papst Leo XIV. nahm Dolans im Februar noch unter Franziskus pflichtgemäß eingereichten Rücktritt mit nur rund einem Dreivierteljahr Verzögerung an - und ernannte einen Geistlichen aus seiner eigenen Heimat Illinois zum neuen Erzbischof der "Hauptstadt der Welt".
Ähnlich lief der Wechsel an der Spitze einer der wichtigsten polnischen Diözesen ab. Der langjährige Krakauer Erzbischof Marek Jedraszewsi hatte noch unter Franziskus seinen altersbedingten Rücktritt angeboten. Den nahm Leo XIV. rund ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt an und ernannte am 26. November zugleich den in Polen als vergleichsweise liberal geltenden Kardinal Grzegorz Rys zum Nachfolger.
Bischöfe der Jahrgänge um 1960
Der neue Mann in Krakau ist, wie fast alle Neubesetzungen auf "großen" Bischofsstühlen, ein Mann in seinen 60ern - also einige Jahre jünger als der Papst, aber doch alt genug, um höchstens 15 Jahre auf dem Bischofsstuhl zu sitzen. Ob der Papst diese Linie weiterfährt, wird man bald wissen. So vollendet der Mailänder Erzbischof Mario Delpini an der Spitze der größten Diözese Europas am 29. Juli das 75. Lebensjahr. Und knapp sechs Wochen später ist mit Laurent Ulrich der Erzbischof von Paris an der Reihe.
Noch ist unklar, wie großzügig sich Leo XIV. bei Erzbischöfen verhalten wird, die den Kardinalshut tragen - und ob die relativ rasche Rücktrittsannahme im Fall Kardinal Dolans eher die Ausnahme oder die Regel darstellt. Immerhin hatte der neue Papst am 20. November in einer Rede vor der Italienischen Bischofskonferenz davon gesprochen, dass es für Kardinäle in Ausnahmefällen "zwei Jahre" Verlängerung nach dem Erreichen der ansonsten strikt einzuhaltenden Grenze von 75 Jahren geben könne. Ein prominenter Kardinal, der sich schon seit über einem Jahr in dieser "Nachspielzeit" tummelt, ist Odilo Scherer. Er leitet seit 2007 das brasilianische Erzbistum Sao Paulo - mit mehr als fünf Millionen Katholiken eines der größten der Welt.
Münster und Sao Paulo bald an der Reihe
Fragen ganz anderer Art stellen sich im Bistum Münster. Hier ist der Rücktritt des langjährigen Oberhirten Felix Genn, den Leo XIV. aus seiner Zeit als Präfekt des Bischofsdikasteriums gut kennt, längst angenommen. Doch wer das Bistum mit der größten Katholikenzahl in Deutschland künftig leiten wird, hängt dank des mehrstufigen "preußischen" Wahlverfahrens nicht allein vom Willen des Papstes ab.
In dieser Hinsicht ist die Ernennung von Bischöfen in Deutschland fast so kompliziert wie die Volksrepublik China, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen. Die Bischofsrücktritte und Neuernennungen im Reich der Mitte hat der Papst aus den USA bislang streng nach den (bislang noch geheimen) Regeln des Sonderabkommens zwischen Rom und Peking über die Bühne gebracht. Spekulationen konservativer Kreise, der neue Papst würde diesen unter seinem Vorgänger Franziskus unter der Ägide von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin ausgehandelten Weg wieder verlassen, haben sich bislang jedenfalls nicht bewahrheitet. Der Kompromiss zwischen einer beinahe allumfassenden staatlichen Gewalt in Religionsangelegenheiten und einer eher begrenzten kirchlichen Autonomie scheint sich auch unter Papst Leo XIV. zu bewähren.
Eine weitere Konstante bei den Bischofsernennungen im Leo-Pontifikat scheint eine gewisse Vorliebe für neue Oberhirten mit Migrationshintergrund zu sein. Besonders spürbar ist das in den USA - wo nun vor allem Latinos und Geistliche mit asiatischer Herkunft zum Zug kommen.
Ein typischer Fall ist der neue Bischof von Corpus Christi in Texas, Mario Alberto Avilés. Er ist gebürtiger Mexikaner und war zuvor Weihbischof in Brownsville. Nicht viel anders verhält es sich beim neuen Bischof von Palm Beach in Florida, in dessen Bistum auch Donald Trumps Zweitwohnsitz Mar-a-lago liegt. Der vom Papst neu ernannte Bischof Manuel de Jesús Rodríguez stammt aus der Dominikanischen Republik. Als Salesianer ist der Ordensmann - auch das eine bei Leos Neuernennungen häufig anzutreffende Eigenschaft.
Ein ähnliches Profil hat der neue Weihbischof in Phoenix (Arizona), Peter Dai Bui. Er wurde in Phu Quoc in Vietnam geboren. Nach seiner Auswanderung in die Vereinigten Staaten trat er den Legionären Christi bei und wurde im Dezember 2003 zum Priester geweiht. Und der neue Bischof von Houma-Thibodaux, Simon Peter Engurait, stammt aus Uganda.
Auch in Deutschland ist nun erstmals ein außerhalb Europas geborener Geistlicher Mitglied der Bischofskonferenz: Der aus Indien stammende Karmelit Joshy George Pottackal wurde am 26. November 2025 von Papst Leo XIV. zum Weihbischof im Bistum Mainz ernannt.