Papst Leo XIV. hat den ehemals anglikanischen Geistlichen und späteren katholischen Kardinal John Henry Newman (1801-1890) zum Kirchenlehrer erhoben. Der Akt erfolgte zu Beginn eines feierlichen Gottesdienstes am Samstag auf dem Petersplatz.
Mehrere Zehntausend anwesende Christen quittierten die vom Papst ausgesprochene lateinische Formel mit langem Beifall.
Delegationen aus Großbritannien
Anwesend waren auch Delegationen aus Großbritannien, darunter hochrangige anglikanische Vertreter. Laut Vatikanangaben war die Church of England durch den Erzbischof von York, Stephen Cottrell, vertreten. Die Regierung des Vereinigten Königreichs repräsentierte der stellvertretende Premierminister David Lammy.
Nach dem feierlichen Gottesdienst grüßte der Papst beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz mit herzlichen Worten die anwesende Delegation der Church of England. Zugleich erinnerte der Papst an das "historische Gebetstreffen" mit König Charles III., das am 23. Oktober in der Sixtinischen Kapelle stattfand.
An die Delegation aus England richtete er die Worte: "Eure Anwesenheit heute bringt unsere gemeinsame Freude über die Erhebung von John Henry Newman zum Kirchenlehrer zum Ausdruck. Möge er vom Himmel aus den Weg der Christen zur vollen Einheit begleiten." Ferner rief der Papst anlässlich des Allerheiligenfestes die Menschen dazu auf, angesichts von Ungerechtigkeiten und Kriegen eine geschwisterliche und friedliche Welt aufzubauen.
Schutzpatron der katholischen Schulen
Der Papst hat Newman auch zum Schutzpatron des katholischen Bildungswesens ernannt. Diesen Rang teilt sich Newman nun mit dem mittelalterlichen Kirchenlehrer Thomas von Aquin (1225-1274).
Dies gab der Papst am Samstag in seiner Predigt beim Gottesdienst auf dem Petersplatz anlässlich der Erhebung Newmans zum Kirchenlehrer bekannt. Zusammen mit dem großen Philosophen der Scholastik sei Newman nun "Mit-Patron all jener, die am Bildungsprozess teilhaben".
Viele Gläubige waren auch aus Anlass der Heilig-Jahr-Feier der katholischen Schulen nach Rom gekommen.
Gegen Pessimismus und Nihilismus
In seiner Predigt erinnerte der Papst an die "beeindruckende kulturelle und geistliche Größe Newmans". Sie werde "inspirierend
sein für kommende Generationen, deren Herzen sich nach Unendlichkeit sehnen".
An alle, die an katholischen Schulen lernen und lehren, appellierte der Papst, sich nicht vom Pessimismus überwältigen zu lassen. "Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, die Menschheit aus dem Dunkel des Nihilismus zu befreien, der sie umgibt und vielleicht die gefährlichste Krankheit der gegenwärtigen Kultur ist, da er die Hoffnung 'auszulöschen' droht." Er erinnerte auch an den bekanntesten Hymnus Newmans, den er im englischen Original mit den Worten "Lead, kindly light" ("Führ, freundlich Licht") rezitierte.
Weiter erklärte der Papst: "Das Leben wird nicht dadurch hell, dass wir reich, schön oder mächtig sind. Es wird hell, wenn einer in sich diese Wahrheit entdeckt: Ich bin von Gott gerufen, ich habe eine Berufung, ich habe eine Mission, mein Leben dient etwas, das größer ist als ich!"
Die Aufgabe katholischer Bildung umschrieb Leo XIV. mit den Worten: "Im Mittelpunkt der Bildungswege stehen keine abstrakten Individuen, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, insbesondere diejenigen, die nach den Maßstäben einer Wirtschaft, die ausgrenzt und tötet, scheinbar wenig leisten. Wir sind dazu aufgerufen, Menschen zu bilden, damit sie in ihrer vollen Würde wie Sterne leuchten."
Außergewöhnlicher Lebenslauf
Newman wurde 1801 in London geboren und 1825 in Oxford zum anglikanischen Priester geweiht. Nach langen inneren Kämpfen konvertierte der inzwischen bekannte Gelehrte 1845 zum Katholizismus.
1847 folgte seine Priesterweihe in Rom. Sein Schritt sorgte in beiden Kirchen für Aufsehen. In der katholischen Kirche entwickelte er eine prägende Rolle als neuzeitlicher Theologe. Leo XIII. ernannte ihn 1879 zum Kardinal. In England gründete er die Oratorianergemeinschaft. Er starb am 11. August 1890 in Edgbaston, heute Birmingham.
Anfangs Kritik und Misstrauen ausgesetzt, gilt er inzwischen als "Brücke zwischen Anglikanern und Katholiken". 2010 wurde Newman von Benedikt XVI. bei seinem Großbritannien-Besuch in Birmingham seliggesprochen. 2019 folgte Newmans Heiligsprechung durch Papst Franziskus.
Wie Augustinus und Hildegard von Bingen
Den sehr selten verliehenen Ehrentitel Kirchenlehrer oder Kirchenlehrerin erhalten Theologen und Heilige, denen ein prägender Einfluss auf die Lehre der christlichen Kirche zugesprochen wird.
Zu ihnen zählen etwa Gregor der Große (540-604), Anselm von Canterbury (1033-1109), Thomas von Aquin (1225-1274), Katharina von Siena (1347-1380) und Hildegard von Bingen (1098-1197). Newman, 38. Kirchenlehrer, ist der erste unter ihnen, der auf Englisch publizierte.