Papst führt Gespräch mit Leiter der Religionsbehörde

Bardakoglu ruft zu Gemeinsamkeit der Religionen auf

Papst Benedikt XVI. ist am Dienstagnachmittag in Ankara vom Präsidenten des türkischen Religionsamtes, Ali Bardakoglu, empfangen worden. Zu Beginn der Gespräche in Bardakoglus Amtsräumen im staatlichen Religionsamt erinnerte Benedikt XVI. an die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils, mit denen die katholische Kirche eine neue Seite in den Beziehungen zwischen den Religionen aufgeschlagen habe. Der Papst wies auf das tägliche Blutvergießen in der Welt hin und beschwor die Pflicht der Religionen und Glaubensgemeinschaften, für Frieden und Verständigung einzutreten. Der Dialog zwischen den Religionen müsse ausgeweitet und in eine neue Dimension gebracht werden, sagte der Papst in seinen einleitenden Bemerkungen.

 (DR)


Bei seinem Treffen mit Ali Bardakoglu, erinnerte der Papst an seinen Vorgänger Johannes XXIII., der für die Worte "Ich liebe die Türken" bekannt war. Benedikt unterstrich zudem seine eigene Hochachtung gegenüber dem Islam. Die Türkei habe auf verschiedensten Gebieten einschließlich Literatur und Kunst sowie in den Institutionen eine Blüte der islamischen Kultur erlebt.

Der Dialog zwischen Christen und Muslimen sei eine Notwendigkeit, von der ein Großteil der Zukunft abhänge, betonte der Papst gegenüber islamischen Würdenträgern in der Religionsbehörde. Christen und Muslime beriefen sich gleichermaßen auf Abraham. Religionsfreiheit sei die Voraussetzung eines Dialogs. Sie stelle für alle Gläubigen die Bedingung für ihren loyalen Beitrag zur Gesellschaft dar, erklärte Benedikt im Hinblick auf Forderungen der Kirchen nach mehr Rechten. Dabei respektierten sie die Autonomie der weltlichen Angelegenheiten.

Benedikt XVI. sprach auch die rechtliche Benachteiligung christlicher Kirchen in der Türkei an. Damit Religionsgemeinschaften ihren Beitrag zum Aufbau der Gesellschaft leisten könnten, sei eine institutionell garantierte und im Alltag respektierte Religionsfreiheit notwendig. Diese müsse sowohl für Einzelpersonen wie für Gemeinschaften gelten, so der Papst. - In der Türkei ist die katholische Kirche nicht als Körperschaft anerkannt, kann also beispielsweise keine Rechtsgeschäfte tätigen.

Bardakoglu ruft zu Gemeinsamkeit der Religionen auf
Der Präsident des türkischen Religionsamtes, Ali Bardakoglu, hat bei seiner Begegnung mit Papst Benedikt XVI. zu gemeinsamen Anstrengungen der Religionen für die Lösung wichtiger Probleme der Menschheit aufgerufen. Religion an sich sei eine Quelle des Friedens, sagte Bardakoglu vor Geistlichen und Diplomaten am Dienstag im Religionsamt in Ankara.

Das größte Hindernis für den Frieden auf der Welt sei dagegen die Ausnutzung von Unterschieden in Glaube, Rasse oder Sprache. Die Geistlichen der verschiedenen Religionen sollten sich deshalb nicht an theologischen Unterschieden aufhalten, sondern gemeinsam helfen, Probleme wie den Zerfall der Familie, Drogenabhängigkeit und Epidemien zu überwinden. Besonders wichtig sei es dabei, dass sich die Religionen mit Respekt und ohne Vorurteile begegneten.

Verurteilung von Gewalt und Terror
Bardakoglu wiederholte in seiner Ansprache implizit seine Kritik am Regensburger Vortrag des Papstes vom September. "Wir Muslime verurteilen Gewalt und Terror in jeder Form als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gleich wer sie verübt und gegen wen sie gerichtet sind", sagte Bardakoglu in seiner Ansprache im Religionsamt.

"Leider sehen wir, dass sich in jüngster Zeit eine Islamophobie verbreitet - die Ansicht, dass der Islam Gewalt befürworte, dass er mit dem Schwert verbreitet worden sei und dass Muslime potenzielle Gewalttäter seien." Weiter sagte er: "Ich möchte hier die Trauer und Klage jedes Muslims über diese Behauptungen zum Ausdruck bringen, die keiner wissenschaftlichen oder historischen Überprüfung standhalten und überdies ungerecht und ungerechtfertigt sind."

Vorurteile erwüchsen aus historisch begründeten Ängsten, fügte Bardakoglu hinzu: "Insbesondere wir als Religionsführer dürfen uns nicht diesen Vorurteilen hingeben, sondern müssen uns aufrichtig verhalten und für den Weltfrieden einsetzen."

Vatikansprecher: Rede Bardakoglus war respektvoll
Vatikansprecher Federico Lombardi bezeichnete die Rede Bardakoglus als "positiv und respektvoll und an keiner Stelle polemisch". Das Klima der Begegnung zwischen dem Leiter der Religionsbehörde und dem Papst sei "gut und sehr gelassen"
gewesen. Bardakoglu habe den Wert der Religionen unterstreichen wollen und ihren "Beitrag zum Frieden und zum Respekt der menschlichen Person" betont.

Kernaussagen der Ansprache des Papstes
aus dem Englischen übersetzt von den Kollegen von Radio Vatikan

"Christen und Moslems gehören zu der Familie jener, die an einen Gott glauben und die, entsprechend ihrer jeweiligen Tradition, ihre Abstammung auf Abraham zurückführen. Diese menschliche und spirituelle Einheit in unseren Ursprüngen veranlasst uns, einen gemeinsamen Weg zu suchen; denn wir spielen eine Rolle im Streben nach grundlegenden Werten, die so bezeichnend für die Menschen unserer Zeit sind. Als Männer und Frauen der Religion stehen wir vor Herausforderungen, wenn es um die weit verbreitete Sehnsucht nach Gerechtigkeit, Entwicklung, Solidarität, Freiheit, Sicherheit, Frieden, Verteidigung des Lebens und Umweltschutz geht.

Der beste Weg nach vorne ist ein authentischer Dialog zwischen Christen und Moslems, der auf der Wahrheit gründet und sich am aufrichtigen Willen ausrichtet, einander besser kennen zu lernen - im Respekt vor Unterschieden und in Anerkennung der Gemeinsamkeiten. Dies wird zu einem wahren Respekt für die verantwortlichen Entscheidungen führen, die jede Person trifft, besonders jene, die sich auf grundlegende Werte und persönliche religiöse Überzeugungen berufen.

Als Beispiel für brüderlichen Respekt möchte ich einige Worte zitieren, die Papst Gregor VII. im Jahr 1076 an einen nordafrikanischen muslimischen Prinzen richtete, der sich Christen gegenüber sehr wohlwollend verhalten hatte. Papst Gregor sprach über die besondere Nächstenliebe, die Christen und Moslems einander schulden, „weil wir an einen Gott glauben, wenngleich auf verschiedene Weise, und weil wir Ihn jeden Tag als Schöpfer und Herrscher der Welt loben und preisen."

Religionsfreiheit, die institutionell garantiert und in der Praxis tatsächlich respektiert wird, stellt für alle Gläubigen - sowohl für Individuen als auch für Gemeinschaften - die notwendige Bedingung dar, um im Geist des Dienstes ihren treuen Beitrag zum Bau der Gesellschaft zu leisten, besonders dort, wo es um die Schwächsten und Ärmsten geht."