Papst Franziskus mahnt zum 1. Mai zu Sozialverantwortung und in Deutschland gehen 400.000 auf die Straße

Ermahnung per Twitter

Papst Franziskus hat zum 1. Mai Politiker an ihre soziale Verantwortung für Arbeitnehmer erinnert. In Deutschland unterstützten über 400.000 Menschen auf Kundgebungen die Forderungen der Gewerkschaften nach besseren Regelungen für Arbeitnehmer.

Tag der Arbeit (dpa)
Tag der Arbeit / ( dpa )

"Ich bitte die politischen Verantwortungsträger, zwei Dinge nicht zu vergessen: die Würde des Menschen und das Gemeinwohl", schrieb der Papst am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter. Die katholische Kirche begeht den internationalen "Tag der Arbeit" am 1. Mai als Gedenktag an den Ziehvater Jesu, den Heiligen Josef, der nach biblischer Überlieferung Zimmermann war. Papst Pius XII. (1939-1958) führte den Gedenktag 1955 in Reaktion auf die sozialistisch geprägte Arbeiterbewegung ein.

Die deutschen Gewerkschafter haben sich bei ihren traditionellen Maikundgebungen für einen Mindestlohn ohne Ausnahmen, für die Rente mit 63 und den Abbau der kalten Progression stark gemacht. Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, warnte vor einer Durchlöcherung des von Schwarz-Rot geplanten Mindestlohns. "Es darf keine Ausnahmen wegen des Alters oder Geschlechts, der Herkunft oder der sozialen Lage geben", sagte Sommer am Donnerstag bei der zentralen Mai-Kundgebung der Gewerkschaften in Bremen. "Keine Stunde Arbeit darf billiger sein als 8,50 Euro", sagte der scheidende DGB-Chef am "Tag der Arbeit".

Laut Gewerkschaftsangaben beteiligten sich bundesweit rund 403 000 Menschen an über 493 Veranstaltungen und Kundgebungen. Sommers designierter Nachfolger Reiner Hoffmann sagte in Duisburg, anders als die Bundesregierung plane, dürften Beschäftigte unter 18 Jahren und Langzeitarbeitslose beim flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn nicht außenvorgelassen werden. Der Mindestlohn sei nur ein erster Schritt von notwendigen sozialpolitischen Korrekturen für eine neue Ordnung der Arbeit.

Der DGB-Landesvorsitzende von NRW, Andreas Meyer-Lauber, nannte in Düsseldorf den erreichten Mindestlohn "einen großen Erfolg" der Gewerkschaften. Davon würden alleine in NRW 1,3 Millionen Arbeitnehmer profitieren. "Mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro haben wir endlich einen Hebel gegen den ausufernden Niedriglohnsektor geschaffen", sagte der Gewerkschafter. Zugleich kritisierte der DGB-Landesvorsitzende die geplanten Ausnahmen vom Mindestlohn für Jugendliche unter 18 Jahre und Langzeitarbeitslose: "Die Würde der Arbeit darf keine Ausnahmen kennen!"

Der DGB werde sich zudem dafür einsetzen, dass sachgrundlose Befristungen und Kettenverträge abgeschafft werden, sagte Meyer-Lauber weiter. Das betreffe nicht nur die Privatwirtschaft, "auch bei Land und Kommunen haben Tausende junge Leute lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag", kritisierte er. "Hier muss die rot-grüne Landesregierung dringend für Verbesserungen sorgen!" Mit Blick auf die Europawahl warnte Meyer-Lauber vor dem Einfluss rechter Parteien wie NPD, Pro NRW und Alternative für Deutschland (AfD).

Auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die ebenfalls an der Veranstaltung in Düsseldorf teilnahm, lobte den Mindestlohn als "nicht nur gerecht, sondern auch ökonomisch sinnvoll". Er helfe, Lohndumping zu verhindern. Kraft verteidigte zudem die erreichte abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren als richtig für Arbeitnehmer, die 45 Jahre gearbeitet hätten.

Mehr Investitionen in die Bildung forderte die IG-Metall-Chef Detlef Wetzel. Die Einführung des Mindestlohns, die Stärkung der Tarifautonomie und die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren seien erste richtige Schritte, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft in seiner Rede zum 1. Mai am Donnerstag in Köln. Jedoch müsse auch dafür gesorgt werden, "dass die Jüngeren sichere und gut bezahlte Arbeit bekommen und nicht mit unsicheren, prekären Jobs abgespeist werden." Er forderte eine gesetzliche Regelungen zur Eindämmung von Niedriglöhnen durch Werkverträge.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) pocht auf die Ausbildungsgarantie für junge Menschen. Die Zahl der Ausbildungsverträge sei mit 530.000 auf einen historischen Tiefstand seit der Deutschen Einheit gefallen - trotz gestiegener Zahl der Schulabgänger und guter Konjunktur, beklagte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe bei der Mai-Kundgebung in Bochum. "Wir erwarten von der Bundesregierung, mit der im Koalitionsvertrag angesprochenen Ausbildungsgarantie sicherzustellen, dass alle Jugendlichen ohne Warteschleifen die Möglichkeit erhalten, eine anerkannte Ausbildung abzuschließen." Dafür müssten die Betriebe mehr Ausbildungsplätze anbieten und Unterstützungsprogramme ausgebaut werden.

In München verlangte der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, soziale Korrekturen im Steuersystem. "Tarifliche Entgeltsteigerungen werden zunehmend von heimlichen Steuererhöhungen aufgefressen", sagte er mit Blick auf die sogenannte Kalte Progression. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach nannte in Kassel die Kritik an der Rente mit 63 "maßlos überzogen, scheinheilig und würdelos". In Berlin beklagte IG Metall-Vorstandsmitglied Irene Schulz mit Blick auf die Europawahlen "rigorose Sparkurse" für Krisenländer. Sie verlangte dagegen wirksamere Hilfen gegen Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa.

Die Pläne der großen Koalition, die Tarifeinheit wieder herstellen zu wollen, quittierten der dbb-Beamtenbund als Dachorganisation von rund 40 Fach- und Berufsgewerkschaften sowie die Ärzte-Organisation Marburger Bund mit einer Protest-Performance vor dem Bundeskanzleramt. Die kleineren Gewerkschaften fürchten eine Beschränkung ihres Streikrechts.

Unerwartete Unterstützung bekamen die Gewerkschaften vom FDP-Chef Christian Lindner. Er kritisierte, Union und SPD machten durch die kalte Progression Politik gegen die Beschäftigten. DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte in der "Berliner Zeitung" (Freitag), der Mindestlohn koste Arbeitsplätze.

Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) verlangte mehr Chancengleichheit für Frauen in der Arbeitswelt. Die Linksparteivorsitzende Katja Kipping plädierte in der "Welt" (Online), den "Tag der Arbeit" umzubenennen in "Tag der Gerechtigkeit". Viele Menschen würden sich inzwischen nicht mehr zuerst über ihre Arbeit definieren. Sie gingen zunehmend für eine gerechte Verteilung von Lohn, Arbeit und Freizeit sowie soziale Sicherheit auf die Straßen.


Quelle:
dpa , KNA , epd