Papst erklärt gleichzeitig Tugenddekret für zwei Vorgänger

Benedikt XVI. überrascht - zum Teil

In getrennten Dekreten hat Papst Benedikt XVI. am Samstag die Seligsprechung von zwei Vorgängern einen entscheidenden Schritt vorangebracht. Nacheinander bestätigte er für Pius XII. und für Johannes Paul II. den "heroischen Tugendgrad". Die Entscheidung des Papstes kam zum Teil überraschend.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Er markierte damit den erfolgreichen Abschluss der jeweiligen Prozesse im Vatikan. Und er erklärte damit öffentlich die beiden Kirchenführer für vorbildlich, tugendhaft und verehrungswürdig. Vor einer offiziellen Seligsprechung ist nun noch der Nachweis einer Wunderheilung erforderlich. Für Johannes Paul II. scheinen die Untersuchungen bereits fast abgeschlossen, für den Weltkriegs-Papst können sie aber erst jetzt, eben nach Feststellung des Tugend-Dekrets, aufgenommen werden.

Die Entscheidung des Papstes kam zum Teil überraschend. Zwar rechneten Beobachter damit, dass Benedikt XVI. an diesem Samstag den Tugendgrad des Wojtyla-Papstes unterzeichnen werde. Dessen Verfahren war eines der spektakulärsten und kürzesten der Kirchengeschichte. Im Eiltempo von fünf Jahren, mit Unterstützung vieler Anhänger vor allem in Polen und unter ständiger Medienbeobachtung hatten die Diözesen Krakau und Rom und dann der Vatikan die erforderliche Dokumentation zusammengestellt. Benedikt XVI. gab Starthilfe, als er das Verfahren für den "geliebten Vorgänger" von der sonst üblichen fünfjährigen Wartepflicht zum Prozessbeginn freistellte.

Überraschend war jedoch, dass Benedikt XVI. das Tugenddekret gleichzeitig auch für Pius XII. verkündete. Seit zweieinhalb Jahren lag das entsprechende Votum der zuständigen Behörde vor. Doch Papst Benedikt XVI. wollte erst noch weitere Überprüfungen anstellen, vor allem mit Blick auf diplomatische Reaktionen in Israel, wo Pius XII. wegen seines Verhaltens im Zweiten Weltkrieg in der Kritik steht. Zwischendurch schien es, die Seligsprechung werde erst nach der Öffnung aller entsprechenden Vatikanarchive oder gar in einem künftigen Pontifikat zum Thema. Nun fällte Benedikt XVI. aber doch seine Entscheidung und erkannte den Tugendgrad des Pacelli-Papstes an, der nach Rolf Hochhuths Drama "Der Stellvertreter" von 1962 zum Ziel vieler Angriffe und Verleumdungen geworden war - den die bereits vorliegenden Dokumente jedoch in einem ganz anderen Licht darstellen.

Glaube, Hoffnung und Liebe
Benedikt XVI. bestätigt mit dem Dekret, dass Eugenio Pacelli als Priester, Bischof und Papst persönlich ein untadeliges und tugendhaftes Leben geführt hat. Zu diesen Tugenden gehören Glaube, Hoffnung und Liebe, aber auch Tapferkeit, Vernunft und Klugheit im Auftreten und Verhalten im Amt. Eine Einschätzung, die Benedikt XVI. mit Johannes Paul II. verbindet. In dessen Pontifikat war das Verfahren aufgenommen worden. Der Wojtyla-Papst, der als erster Pontifex eine Synagoge besuchte, der nach Israel fuhr und der die Aussöhnung mit dem Judentum entschieden vorantrieb, bezeichnete Pius XII. als "großen Papst".

Sicher nicht von ungefähr hat Benedikt XVI. die Verfahren der beiden so unterschiedlichen Päpste für einen Moment lang zeitlich miteinander verbunden. Schon im Jahr 2000 hatte sein Vorgänger den Konzilspapst und Publikumsliebling Johannes XXIII. (1958-63) gemeinsam mit dem ultrakonservativen Pius IX. (1846-78) seliggesprochen.

Jedoch dürften sich im aktuellen Verfahren nach der kurzen Zusammenführung die beiden Verfahren wieder trennen. Denn vieles spricht dafür, dass Johannes Paul II. bereits im Oktober 2010 zur Ehre der Altäre erhoben wird. Und der Massenandrang dürfte so gewaltig sein, dass schon die Logistik eine gemeinsame Feier verbietet. Entscheidender ist, dass die Wunderheilung einer französischen Ordensfrau und Parkinson-Patientin auf Fürsprache des Wojtyla-Papstes bereits weitgehend dokumentiert scheint. Der Heilungsfall in der "Causa Pius XII." muss jedoch noch viele Instanzen durchlaufen. Und die vatikanischen Mühlen mahlen oft langsam.