Papst empfängt Präsidentinnen Chiles und Argentiniens

Ein Modell für den Frieden

Papst Benedikt XVI. hat am Samstag bei einer Audienz für die Präsidentinnen von Chile und Argentinien, Michelle Bachelet und Cristina Kirchner, den vor 25 Jahren geschlossenen Friedensvertrag zwischen beiden Ländern gewürdigt. Durch die Vermittlung des Vatikans sei eine "würdige und vernünftige Lösung" entwickelt worden, betonte er bei einer Audienz für die beiden Staatsoberhäupter.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

Es kommt nicht oft vor, dass Benedikt XVI. zwei Staatsoberhäupter gemeinsam in seiner Bibliothek begrüßt. Dass beide zudem Frauen sind, dürfte sogar eine bisher einmalige Konstellation sein. Am Samstag empfing der deutsche Papst die Präsidentinnen von Chile und Argentinien, Michelle Bachelet und Cristina Kirchner, im Vatikan. Ebenso ungewöhnlich wie das Treffen selbst war der Anlass:  Die Abwendung eines Krieges zwischen beiden südamerikanischen Staaten und ihre anschließende Aussöhnung vor 25 Jahren, am 29.
November 1984. Vermittler war Johannes Paul II.

Es ging damals um Lennox, Picton und Nueva. So heißen drei strategisch bedeutsame Inseln, die vor dem Beagle-Kanal, einer natürlichen Wasserstraße am untersten Zipfel Feuerlands im Atlantik liegen. Seit langem schon stritten Argentinien und Chile über den Besitz der Eilande in der östlichen Mündung des Kanals, der nach Charles Darwins Schiff «HMS Beagle» benannt ist und Pazifik und Atlantik verbindet. Ein internationales Tribunal hatte sie 1977 Chile zugesprochen. Buenos Aires akzeptierte die Entscheidung nicht.
Erschwerend kam hinzu, dass beide Länder, damals Diktaturen, außer einer etwa 5.000 Kilometer langen Grenze und der gemeinsamen Sprache nicht mehr viel verband: politische Reibereien, wirtschaftliche Konkurrenz und militärische Drohgebärden gehörten zur Tagesordnung..

Im Dezember 1978 eskalierte die Situation: Argentinien ließ seine Kriegsschiffe auslaufen, um die drei Inseln zu besetzen. In letzter Minute, am 22. Dezember 1978, der argentinische Angriff war für diesen Tag vorgesehen, bot Johannes Paul II. seine Vermittlung an. Die Konfliktparteien willigten ein. Als persönlichen Gesandten schickte der polnische Papst daraufhin Kardinal Antonio Samore nach Südamerika. Nach langwierigen Verhandlungen kam schließlich ein Freundschafts- und Friedensvertrag zustande, den die Konfliktparteien vor 25 Jahren im Vatikan unterzeichneten. Argentinien erkannte die chilenischen Ansprüche an.

Die Vermittlung Johannes Pauls II. im so genannten Beagle-Konflikt ist zweifellos der am besten dokumentierte Erfolg päpstlicher Friedensinitiativen im 20. Jahrhundert. Doch es gab noch andere Versuche des Heiligen Stuhls, militärische Auseinandersetzungen abzuwenden. Benedikt XVI. selbst erinnerte in seiner Ansprache vor den südamerikanischen Gästen am Samstag an den Friedensappell Pius XII. vom 24. August 1939. «Nichts ist verloren mit dem Frieden. Alles kann verloren sein mit dem Krieg», zitierte er den berühmtesten Satz der Radiobotschaft, die freilich folgenlos blieb. Ebenso wie zuvor die Initiativen Benedikt XV. im Ersten Weltkrieg.

Dass die moralische Autorität des Papsttums oft nicht ausreicht, um eine militärische Auseinandersetzung abzuwenden, musste auch Johannes Pauls II. 1982 in Buenos Aires schmerzhaft erleben:
Ungeachtet seines Friedensaufrufs zog Argentinien gegen Großbritannien in den Krieg um die Falkland-Inseln. Ebenfalls um eine Inselgruppe ging es im wohl berühmtesten Fall päpstlicher Vermittlung in der neueren deutschen Geschichte: 1885 rief Reichskanzler Otto von Bismarck Leo XIII. als Schiedsrichter über die spanischen und deutschen Ansprüche auf die Karolinen an, ein Archipel unweit der Philippinen. Der Papst sprach den Flecken Land im Pazifik den Spaniern zu. Doch die vom Reichskanzler vorgeschlagene päpstliche Vermittlung war ohnehin nur ein taktisches Manöver zur Beilegung des Kulturkampfes zwischen katholischer Kirche und preußischem Staat gewesen.

Eine neue theologische Grundlegung erhielten die päpstlichen Friedensbemühungen 1963 mit der Enzyklika «Pacem in terris» (Frieden auf Erden) durch Johannes XXIII. Darin rief er die Politiker auf, Konflikte «nicht durch Waffengewalt, sondern durch Verträge und Verhandlungen beizulegen». Der Ausgang des «Beagle-Konflikts» bietet Anschauungsunterricht, wie diese Forderung in der Praxis verwirklicht werden kann. Ein «Modell» für ähnliche Konflikte in Lateinamerika und der ganzen Welt nannten Benedikt XVI. und die zwei Präsidentinnen die argentinisch-chilenische Versöhnung nach der Begegnung.