Papst Benedikt XVI. und Ruhrbischof Overbeck rufen zum Gebet für die Opfer von Duisburg auf

Trauer und Entsetzen

Die Tragödie bei der Love Parade in Duisburg hat 19 junge Menschenleben gekostet. Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck rief die Gemeinden im Bistum Essen dazu auf, für die Oper und deren Hinterbliebenen zu beten. Der Essener Bischof reagierte "erschüttert und tief betroffen" auf das Unglück. Auch der Heilige Vater rief zum Gebet auf.

 (DR)

"Dass so viele junge Menschen, die fröhlich und unbeschwert feiern wollten, ihr Leben verloren haben, erfüllt mich mit großem Schmerz", sagte der Overbeck. Er sei in Gedanken und im Gebet bei den Opfern, ihren Angehörigen, Familien und Freunden. Auch Papst Benedikt XVI. hat seinen tiefen Schmerz über die Tragödie von Duisburg geäußert. Bei seinem Angelus-Gebet gedachte er am Sonntagmittag in Castelgandolfo der jungen Menschen, die auf tragische Weise ums Leben gekommen seien. Für die Toten, ihre Angehörigen und Freunde sowie für die vielen Verletzten erbitte er "den Trost und Beistand des Heiligen Geistes", sagte das Kirchenoberhaupt.

«Wir sind erschüttert von der Katastrophe in Duisburg und nehmen Anteil am Schicksal derer, die ein fröhliches Fest feiern wollten und ihr Leben auf so tragische Weise verloren haben», erklärte Nikolaus Schneider, Präses der rheinischen Kirche und amtierender EKD-Ratsvorsitzender, am Sonntagmittag. „Unsere Fürbitte gilt den Menschen, die um die Opfer trauern, den Verletzten und Geschockten sowie den Einsatzkräften aus Polizei und Rettungsdiensten, die unter den Eindrücken dieser Tragödie leiden. Wir vertrauen auf die biblische Zusage Gottes, dass er denen nahe sein wird, die zerbrochenen Herzens sind, und denen hilft, die ein zerschlagenes Gemüt haben."

Zentrale Gedenkfeier für die Opfer
Über die Formen des weiteren Gedenkens an die Opfer des Unglücks und ihre Angehörigen werden Absprachen zwischen den Kirchen und der Stadt Duisburg getroffen, kündigte Jens Peter Iven, Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland, am Sonntag auf epd-Anfrage an. Noch sei die Identität der Opfer und deren Religionszugehörigkeit nicht vollständig geklärt. An einer Gedenkfeier könnten sich auch muslimische Gemeinden beteiligen wollen, so Iven.

Nach Erfahrung des rheinischen Landespfarrers für Notfallseelsorge, Joachim Müller-Lange, wird es eine zentrale Gedenkfeier für die Opfer geben. "Vorstellbar ist ein Gedenkgottesdienst mit staatlicher Beteiligung oder eine staatliche Feier mit kirchlicher Beteiligung", sagte er.

Trauerfeier statt Fest der Liebe
"Das Fest der Liebe ist in eine Trauerfeier umgeschlagen, ich bin unendlich traurig". Die 23 Jahre alte Tamara war am Samstag mit drei Freundinnen zur Love-Parade nach Duisburg gereist und kam doch nicht auf das Festivalgelände. Wie Tausende andere steckte sie über Stunden in einem Tunnel zum ehemaligen Güterbahnhof fest. "Ohne Flucht- und Ausweichmöglichkeit. Es war die Hölle", so die junge Frau. Die geplante "Wiederauferstehung" der Love-Parade in der Revierstadt endete in einer Tragödie: Mindestens 19 Menschen kamen ums Leben, 342 wurden verletzt, viele davon schwer.

Eine Massenpanik im Tunnel, dem einzigen Zugang zum Gelände am alten Güterbahnhof führte am frühen Samstagabend zu der Katastrophe. Im 21.
Jahr ihres Bestehens hatte die Love-Parade unter dem Motto "The Art of Love" nach Veranstalterangaben insgesamt rund 1,4 Millionen Menschen in die Revierstadt gezogen. Im vergangenen Jahr hatte die Nachbarstadt Bochum das Spektakel aus Sicherheitsgründen abgesagt.

Duisburg sollte ein "Leuchtturm-Event" werden, betonte Love-Parade-Geschäftsführer Rainer Schaller noch vor wenigen Wochen.
"Aus dem Leuchtturm-Event ist ein Grableuchten-Event" geworden, meinte am späten Samstagabend ein Mitarbeiter des Technischen Hilfsdienstes am Ort der Katastrophe.

"Das hätte man so gar nicht stattfinden lassen dürfen"
Sanitäter und Polizeibeamte am Ort des Geschehens rügten nach der Tragödie, dass es nur diesen einen, engen Zugang zum Festivalgelände gab. "Das hätte man so gar nicht stattfinden lassen dürfen", sagte einer der Einsatzkräfte, der seinen Namen nicht nennen wollte. Das Areal, auf dem das "größte Musikereignis der Geschichte der Stadt Duisburg" stattfand, war das brachliegende Gelände des alten Güterbahnhofs. "Das Gelände war viel zu klein für so eine Masse Menschen. Das da was passiert, hätten die Veranstalter wissen müssen. Das war unverantwortlich", so der 24 Jahre alte Björn Wegner aus Münster, langjähriger Teilnehmer der Rave-Party.
   
Die mehreren hunderttausend Techno-Fans, die auf dem Veranstaltungsgelände vor den beiden Bühnen tanzten und sich von der dröhnenden Musik beschallen ließen, bekamen über Stunden nichts von der Katastrophe mit, die sich gegen 17.45 Uhr am Haupteingang des Geländes im Tunnel an der Karl-Lehr-Straße ereignete. "Ich hab erst um 19.00 Uhr eine SMS von meinen Eltern aus Bonn bekommen, dass da bei uns etwas ganz Schreckliches passiert sein müsste", so die 21 Jahre alte Svenja Berg, die an der Seite einer Freundin ihre Tränen über die Katastrophe nicht verstecken kann.

50 Notfallseelsorger vor Ort
"Ich bin wütend und traurig zugleich. Das sollte doch hier ein Riesenfest der Freude sein und nun so etwas. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden", erklärte Mustafa K. aus Velbert. Er war zusammen mit einem Freund ebenfalls im Tunnel, der für so viele junge Menschen zur tödlichen Falle wurde. "Wir haben mitten drin gesteckt in diesem Hexenkessel. Da ging es keinen Zentimeter mehr vorwärts oder zurück und links und rechts waren nur Betonwände. Ein Alptraum", erinnerte sich auch die 19jährige Nathalie Müller aus Düsseldorf, die mit ansehen musste, wie eine junge Frau aus acht oder zehn Metern Höhe in den Tunnel stürzte. "Ich weiß nicht, ob ich das jemals wieder vergessen kann", so Nathalie.

Die Autobahn A59, die von den Veranstaltern vorsorglich in einem Bereich nahe des Veranstaltungsortes gesperrt worden war, verwandelte sich zwischen 18 und 23 Uhr kurzfristig in ein riesiges Lazarett und in eine Landebahn für Rettungshubschrauber. Nachdem das Ausmaß der Katastrophe klar war, waren innerhalb einer Stunde Notfallseelsorger der evangelischen und katholischen Kirche im Einsatz. Insgesamt waren nach Angaben von Feuerwehr-Sprecher Michael Haupt 50 Notfallseelsorger vor Ort. "Zahlreiche Menschen, die ganz nah an dem schrecklichen Geschehen waren, brauchten einen starken Arm, manche wollten auch nur weinen dürfen", so einer der evangelischen Pfarrer.

Sicherheitskonzept auf den Prüfstand
Gegen 22.00 Uhr waren dann die meisten Verletzten in Krankenhäuser in Duisburg und benachbarte Städte gebracht worden. Nordrhein-Westfalens neuer Innenminister Rolf Jäger (SPD) wollte am Abend der Katastrophe "keine schnellen Spekulationen" über die Ursachen anstellen. An der Zahl der Sicherheitskräfte habe es sicher nicht gelegen, betonte der Politiker vor Ort. Die Staatsanwaltschaft hat nach seinen Worten die Ermittlungen aufgenommen. Das Sicherheitskonzept der Veranstalter komme bestimmt auf den Prüfstand, hieß es aus dem Kreis des Krisenstabs am späten Samstagabend. Der städtische Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe rechtfertigte vor der Presse, dass das Musikspektakel auch nach der Tragödie im Tunnel zunächst weiter lief. Man habe ein weiteres Chaos verhindern müssen.

Dennoch wirkte es gespenstisch, dass sich bis gegen 23.00 Uhr am späten Samstagabend immer noch rund 100.000 Menschen zu den elektrisierenden Beats auf den Love-Parade-Bühnen wiegten und weitermachten, als wäre nichts geschehen. Zur gleichen Zeit sollen Kriminaltechniker in unmittelbarer Nähe mit der Untersuchung der Leichen beschäftigt gewesen sein. Noch ist die Identität einiger Toter nicht geklärt.

Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland kündigte unterdessen Ermittlungen an, um den genauen Hergang der Katastrophe zu klären.
"In meinen Gedanken bin ich bei den Opfern und ihren Angehörigen", so der CDU-Politiker. Die Love-Parade hätte ein friedliches und fröhliches Fest werden sollen und sei doch leider eine der größten Tragödien der jüngeren Stadtgeschichte geworden. Noch am späten Samstagabend hatten Besucher des Musikspektakels ein paar Kerzen am Ort der Katastrophe angezündet. Auf einem Pappschild daneben stand nur ein Wort: "Warum?"