Papst Benedikt XVI. gewinnt in Portugal Terrain zurück

Neuanfang im Land der Missionare

Noch einmal haben sie gejubelt, und Benedikt XVI. konnte trotz des regnerischen Wetters in Porto etwas Sonne im Herzen mitnehmen. Es war nur eine Pastoralreise in ein kleines Land am Westrand Europas. Aber in den vier Tagen bis Freitag hat der Papst gezeigt, wie er sich den Weg der Kirche in die Zukunft vorstellt - und welche Führungsrolle er beansprucht.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Der Rückhalt, den die unerwartet großen Teilnehmerscharen ihm entgegenbrachten, hat ihn nach den Monaten unter Mediendruck sichtlich befreit und gestärkt. Im katholischen Portugal hat der Papst, so scheint es, wieder Land gewonnen - eine kleine Reconquista.

Den strategisch entscheidenden Zug machte Benedikt XVI. gleich zur Eröffnung: Noch auf dem Hinflug schlug er eine Verbindung zwischen den dunklen Prophezeiungen von Fatima und dem Missbrauchsskandal. Die größte Verfolgung der Kirche komme nicht von Feinden von außen, sondern «aus der Sünde innerhalb der Kirche». Und: «Vergebung ersetzt nicht die Justiz.» Danach verschonten ihn die portugiesischen Medien mit diesem Thema. Ohnehin waren die Bischöfe des Landes der Auffassung, Pädophilie spiele bei ihnen keine nennenswerte Rolle.

Mit der Einordnung der aktuellen Kirchenkrise in den Kontext der religiösen Botschaft von Fatima gewinnt Benedikt XVI. die Deutungshoheit zurück - und die Lösungskompetenz. An erster Stelle steht dabei für den Papst der Ruf nach Umkehr in der Kirche. Den Glauben als gegeben vorauszusetzen, sei «immer weniger realistisch», räumte er zu Beginn der Reise in Lissabon ein. «Man hat ein vielleicht übertriebenes Vertrauen in kirchliche Strukturen und Programme gesetzt, in die Verteilung von Ämtern und Aufgaben».

Was er mit letzterer Bemerkung meinte, sagte er den Bischöfen Portugals noch einmal recht deutlich bei einem persönlichen Treffen: Sie seien nicht einfach Amtsinhaber, sondern hätten auch die Verantwortung, Neuaufbrüchen in der Kirche Raum zu geben. Zu lange hätten sie die Führung ihres eigenen Personals zweitrangig behandelt. Auch die Priester mahnte er, aufopferungsvolle Hirten zu sein.

Der Papst wünscht sich eine Kirche in Portugal, die ihre verfassungsmäßig garantierten Freiräume aktiv ausfüllt. Dazu gehört für ihn auch, dass die sozialen Einrichtungen, die zum großen Teil von der Kirche getragen werden, ein geschärftes katholisches Profil zurückgewinnen - nicht zuletzt in der Auswahl ihres Personals. Die Legalisierung von Abtreibung und homosexuellen Partnerschaften sind ebenfalls ein Thema, das die Katholiken bewegt. Allein die Erwähnung von Lebensschutz und der «Unauflöslichkeit der Ehe zwischen Mann und Frau» reichten aus, um Benedikt XVI. Beifallsstürme ernten zu lassen..

Dabei schwindet die Kirchenbindung an der Basis. Praktisch neun von zehn Katholiken in Portugal finden an Scheidung und vorehelichem Geschlechtsverkehr nichts auszusetzen. Der Kirchenbesuch lag schon 2004 nur noch bei 20 Prozent und sank seitdem weiter. Kein Wunder, dass Benedikt XVI. mehrfach an die stolze portugiesische Missionstradition erinnerte. Nur geht es jetzt nicht um neue Weltgegenden wie in Zeiten Vasco da Gamas, sondern um die Mission im eigenen Land. Benedikt XVI. forderte einen Dialog mit Menschen anderer Kulturkreise, aber auch die Verkündigung des Evangeliums an die, die «nicht danach zu fragen scheinen», sagte der Papst bei der Abschiedsmesse.

Eine eigene Botschaft war, welche Akzente der Papst ungesetzt ließ:
Die Rolle der drei Seherkinder von Fatima streifte er mehr, als dass er sie in den Mittelpunkt stellte - und das, obwohl sich am 13. Mai die Seligsprechung der beiden jüngeren, Jacinta und Francisco Marto, zum zehnten Mal jährte. Ohne ihre Visionen in Zweifel zu ziehen, betonte er doch, dass für Christen der einzige historische Grund zur Hoffnung in der Geschichte Jesu von Nazareth liegt.

Auch das Gebet an ihren Gräbern blieb kurz und ohne erkennbare Emotion. Für die 2005 verstorbene Lucia dos Santos hatte der Papst 2008 die vorzeitige Eröffnung des Seligsprechungsverfahrens erlaubt. Dass ihm viel an dessen Abschluss gelegen wäre, ließ er in Fatima mit keiner Silbe durchblicken.