Papst Benedikt XVI. ernennt Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin

Endlich am Ziel

Nun ist die mittelalterliche Benediktinerin und Mystikerin Hildegard von Bingen "Kirchenlehrerin" - als erste deutsche und vierte Frau überhaupt. Lange wurde hinter den Kulissen daran gearbeitet. Umso größer ist nun die Freude über den Ehrentitel.

Autor/in:
Angelika Prauß
Papst Benedikt XVI.  (KNA)
Papst Benedikt XVI. / ( KNA )

Sie selbst hat sich einmal als "ein ungelehrter Mensch und eine kränkliche Frau" bezeichnet. Tatsächlich war Hildegard von Bingen wohl alles andere als das: eine Visionärin und Prophetin, Theologin, Naturforscherin, ganzheitliche Ärztin, Dichterin, Komponistin, Beraterin und Gründerin zweier Klöster.

Über 30 Jahren wurde hinter den Kulissen an Hildegards Ernennung gearbeitet. Daran beteiligt war auch die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Frauenverbände. Im Januar 1979 hatte sie bei ihrer Jahresversammlung beschlossen, sich dafür bei den deutschen Bischöfen einzusetzen. Hildegard schreibe "überzeitlich und objektiv", wirbt die Theologin Helene Möhler in einem Brief für das Anliegen; ihr "Schauen hebt sich deutlich ab von der subjektiven Ich-Bezogenheit der späteren Mystik". Die Ordensfrau habe eine überzeitliche Bedeutung - "gerade auch für unsere Zeit". Und so seien die Schriften der Benediktinerin eine "Quelle für meditatives Schauen und Hören im Bereich unserer Kirche".

Der damalige Bischofskonferenzvorsitzende, Kardinal Joseph Höffner, dankte für das "vorzügliche Schreiben" und teilte den Frauen mit, dass die deutschen Bischöfe auf ihrer Frühjahrsvollversammlung bereits eine Bitte in der gleichen Angelegenheit an den Papst gerichtet hatten. Schließlich jährte sich im Herbst 1979 der 900. Geburtstag der Ordensfrau, der mit einem Hildegard-Jahr begangen wurde.

Heiligsprechung als Grundlage der "Beförderung"
Ein Grund für die bislang fehlende Anerkennung von Hildegard als Kirchenlehrerin sei in den 1970er und 80er Jahren das Fehlen der förmlichen Heiligsprechung gewesen, erinnert sich Kardinal Karl Lehmann. Die Motive seien damals auch "mit zum Teil fragwürdigen Annahmen" vermischt gewesen, etwa mit der Esoterik, bestimmten Spielarten des Feminismus, der "Hildegard-Medizin" und ökologischen Tendenzen, erinnert sich der Bischof von Mainz. Die persönliche Heiligkeit und der religiöse Vorbildcharakter Hildegards seien damals eher in den "Hintergrund" getreten. Nachdem Papst Benedikt XVI. die Ordensfrau nun am 10. Mai dieses Jahres - ohne förmlichen Heiligsprechungsprozess - zur Heiligen für die gesamte Weltkirche erklärte, stand der weiteren "Beförderung" zur Kirchenlehrerin nichts mehr im Wege.

Walburga Fischer-Gottlob, bis 2004 Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Frauenverbände, freut sich, dass die Ernennung Hildegards zur Kirchenlehrerin nun "zum Ziel gekommen" ist. "Sie hat nun endlich den ihr gebührenden Platz bekommen", so die Ehrenvorsitzende des Verbandes. Hildegards "große Visionen über das Wesen Gottes" seien "das Wesentliche" ihres Wirkens, denn sie "erschließen einen Blick in den Himmel", so Fischer-Gottlob. Dabei stellt sie klar, dass Hildegards berühmte Heilkunde samt Dinkelkeksen und Edelsteintherapie eigentlich "nur das Wissen ihrer Zeit" widergespiegelt habe und "gar nicht originell von ihr" sei.

Auch die Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Maria Theresia Opladen, freut sich über den neuen Ehrentitel Hildegards. Deren Lehren seien "so modern", weil sie "keine bezuglose Innerlichkeit" gepredigt habe. Der Ordensfrau sei es um ein "konsequent gelebtes christliches Leben" gegangen. Um die Menschen ihrer Zeit aufzurütteln, habe sie weder die Auseinandersetzung gescheut, "noch schreckte sie davor zurück, Tabus zu überschreiten". Dass sie als Frau öffentlich gepredigt und ihre theologischen Erkenntnisse in einer männerdominierten Welt mutig und beharrlich vertreten habe, "macht sie auch heute noch zu einem Vorbild für viele Frauen".

Als "Frau mit vielen Begabungen und Fähigkeiten, tief verwurzelt im Glauben", würdigt die Sprecherin des Katholischen Deutschen Frauenbundes, Ute Hücker, die Ordensfrau. Sie habe einen "klugen Dialog mit der Welt" geführt und sich als "Gesandte Gottes" verstanden, wenn sie Ratsuchenden von Rang und Namen, mit deutlichen Worten den Spiegel der Selbsterkenntnis vorgehalten habe. Als "weise, überzeugte und überzeugende Persönlichkeit" habe sie sich von dem, was ihr wichtig war, nicht abbringen lassen. Hildegards "Beharrlichkeit und ihre Dialogbereitschaft, ihr Mut zu neuen Wegen, ihr Realitätssinn und die Leidenschaft für das Leben und den Glauben" seien für heutige Frauen Vorbild wie Appell, "den eigenen Überzeugungen und Fähigkeiten zu trauen, sie in ausgewogene und klare Worte zu fassen und mit Kraft und Freude im konkreten Handeln zu zeigen".  


Eine Figur der Hildegard von Bingen (dpa)
Eine Figur der Hildegard von Bingen / ( dpa )