Papst Benedikt XVI. besucht Spanien - domradio.de überträgt live

Reise in verunsichertes Land

Nur zwei Tage dauert die letzte Auslandsreise des Papstes in diesem Jahr. Das Ziel: Spanien. Am Samstag besucht Benedikt XVI. die Pilgerstadt Santiago de Compostela im äußersten Westen des Landes, am Tag darauf weiht er in Barcelona den wohl berühmtesten Kirchbau der Moderne ein: die «Sagrada Familia» des Architekten Antoni Gaudi.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
 (DR)

In beiden Städten ist der Papst zunächst in geistlicher Mission unterwegs. In Santiago geht es ihm nicht zuletzt darum, das Pilgern auf dem Jakobsweg wieder christlich zu deuten und dieses in den vergangenen Jahren zum massenhaften Ego-Kult gewordene Phänomen in den Schoß der Kirche zurückzubringen. Der Abschluss des "Heiligen Jahres" in Santiago bietet eine passende Gelegenheit. Leicht wird die Aufgabe allerdings nicht, denn inzwischen haben Zehntausende diesen Pilgerweg als einen "Weg zu sich selbst" durchlaufen. Eine neue Rückbindung dieser Erfahrung in die kirchliche Glaubenswelt lässt sich nicht einfach verordnen.



Weniger heikel ist das Unterfangen in Barcelona. Die Kirche der Heiligen Familie ist ein Symbol für die Nähe von Kunst und Kirche, die von der Spätantike bis ins 19. Jahrhundert in Europa noch selbstverständlich war. Dass ein Kirchbau, dessen Baustil noch im vorletzten Jahrhundert wurzelt, erst jetzt geweiht wird, unterstreicht freilich, wie wenig selbstverständlich eben diese Nähe heute noch ist.



Politische Dimension

Außer der kirchlichen hat Papst Benedikts Spanienvisite auch eine politische Dimension. Der Papst besucht ein verunsichertes Land. Die Immobilien-, Banken- und Wirtschaftskrise hat Spanien, das noch um die Jahrtausendwende einen beispiellosen Boom erlebte, an den Rand des Ruins getrieben. Die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 20 Prozent, die Ratingagenturen halten spanische Staatsanleihen inzwischen für ähnlich risikobehaftet wie die Griechenlands oder Irlands.



Hinzu kommt die Angst vor einer fortschreitenden "Balkanisierung" des Königreiches. Denn starke politische Kräfte in den Regionen, insbesondere in Katalonien, streben nach Jahrzehnten der autonomen Selbstverwaltung immer mehr in Richtung einer vollen staatlichen Unabhängigkeit. Die Verfassungskrise, die das katalanische Parlament durch die Verabschiedung eines eigenen Grundgesetzes ausgelöst hat, schwelt seit Monaten.



Es ist daher mehr als eine protokollarische Höflichkeit, wenn die spanische Königsfamilie den Papst begrüßt - das Prinzenpaar in Santiago und König Juan Carlos mit Königin Sophia in Barcelona. Juan Carlos ist neben der Fußballnationalmannschaft und dem Verfassungsgericht einer der Garanten der nationalen Einheit Spaniens, und er weiß die katholische Kirche auf seiner Seite. Denn die Bischöfe des Landes denken nicht daran, den politischen Zerfall auf kirchlicher Ebene zu verstärken und die nationale Bischofskonferenz zugunsten regionaler Einheiten aufzulösen.



Bedeutung der Familie

Um Politik geht es auch, wenn Benedikt XVI. die moralische Entwicklung des einst so katholisch geprägten Landes anspricht. Unter Jose Luis Zapatero, den der Papst unmittelbar vor seiner Abreise auf dem Flughafen Barcelona persönlich treffen wird, hat sich das Land radikal liberale Gesetze zu Abtreibung, Euthanasie und Familienrecht gegeben. Nirgends in Europa ist eine Scheidung bequemer; nirgends wird Abtreibung - auch für Minderjährige - leichter zugänglich gemacht.



Darüber, was diese Freiheiten mit der Seele des Landes gemacht haben, streiten derzeit noch Soziologen und Seelsorger. Schon einmal haben Spaniens Sozialisten mit einer Liberalisierungswelle übers Ziel hinaus geschossen, als sie in den 1980er Jahren die Drogengesetze so freiheitlich gestalteten, dass Drogenhandel und -Konsum das Land überschwemmten. In diesem Punkt sind die Sozialisten inzwischen ein Stück zurückgerudert. Umso verbissener führen sie den Kampf um die Themen Familie und "selbstbestimmte Sexualität" weiter. Daher kann man davon ausgehen, dass der Papst sich in der "Sagrada Familia" nicht nur zum Verhältnis von Glaube und Kunst sondern auch zur Bedeutung der Familie äußert.



Hinweis in eigener Sache: domradio.de überträgt am Samstag (06.11.2010) die Heilige Messe aus Santiago de Compostela (16 Uhr bis 18.30 Uhr) und am Sonntag (07.11.2010) aus Barcelona (9.30 Uhr bis 12.30 Uhr) live in Bild und Ton im Internet.