Papst Benedikt XVI. besucht erstmals die Region Kalabrien

Zum Sorgenkind der Nation

Papst Benedikt XVI. besucht am Sonntag erstmals eine Region Italiens, die zu den ärmsten und zugleich berüchtigsten des Landes zählt: Kalabrien. In Sachen Wirtschaftskraft, Lebensstandard und soziale Sicherheit ist die Region das Sorgenkind der Nation.

 (DR)

In der Sparte "organisiertes Verbrechen" belegt Kalabrien hingegen regelmäßig einen Spitzenplatz. Benedikt XVI. hat schon während seiner Reise nach Sizilien im Oktober 2010 allen romantischen Klischees vom frommen Mafioso eine Absage erteilt. Seine Botschaft war unmissverständlich: Das organisierte Verbrechen ist "unvereinbar mit dem Evangelium" und die Mafia eine "Straße des Todes".



"Ndrangheta" lautet der für deutsche Zungen nahezu unaussprechliche Name der "kalabrischen Mafia". Nach Einschätzung von Fachleuten ist sie im kriminellen Dreigestirn Italiens vor Mafia und Camorra mittlerweile die gefährlichste Verbrecherorganisation. Spätestens die Morde von Duisburg im August 2007 haben gezeigt, dass die Ndrangheta nicht nur zwischen Reggio und Crotone ihr Unwesen treibt, sondern auch vor Morden nördlich der Alpen nicht zurückschreckt. Damals waren im Zuge einer Fehde zweier Clans aus dem kalabrischen San Luca sechs Menschen vor einem italienischen Restaurant erschossen worden.



Deutliche Worte erwartet

In Kalabrien dürfte der Papst an seine deutlichen Wort in Sizilien anknüpfen. Zumal auch die katholische Kirche in der Region längst ins Visier der Paten geraten ist: Unliebsame Priester, die ihre illegalen Kreise stören, werden durch Brandanschläge oder Morddrohungen "verwarnt". Zuletzt zündeten Unbekannte im Juni in Cessaniti das Auto eines als Mafiagegners bekannten Pfarrers an.



Zu Beginn seines Besuchs in Kalabrien feiert Benedikt XVI. eine Messe am Stadtrand von Lamezia Terme, zu der bis zu 120.000 Menschen erwartet werden. Die junge Stadt in der Mitte Kalabriens unweit des tyrrhenischen Meeres ist auf dem Verwaltungswege entstand: Im Jahr 1968 wurden die drei Gemeinden Nicastro, Sambiase und Sant"Eufemia zu einer Stadt zusammengefasst. Der Name "Lamezia Terme" leitet sich von den schwefelhaltigen Quellen ab, für die der Ort seit der Antike bekannt ist und dem Namen der ältesten nachweisbaren Siedlung aus der Zeit um 1000 vor Christus. Auch heute noch gibt es ein Thermalbad in der Stadt. In Deutschland weitaus bekannter ist jedoch der Flughafen von Lamezia Terme, der von mehreren Billigfluggesellschaften von Deutschland aus angeflogen wird.



Weit mehr als nur Schlupfwinkel von Verbrechern

Mehr als nur ein Flugkorridor verbindet Serra San Bruno, die zweite Station der Papstreise, mit dem gut 1.500 Kilometer entfernten Köln: Ein Kind der Stadt am Rhein, der heilige Bruno, gründete im Jahr 1090 im heutigen Serra San Bruno eine Einsiedelei, wo er bis zu seinem Tod 1101 lebte. Bruno ist der geistige Vater des strengen Kartäuserordens. Benedikt XVI. besucht mit diesem Kloster die Zufluchtstätte eines Mannes, der von den Zuständen am Hof einer seiner Vorgänger, Papst Urban II. (1088-1099), tief enttäuscht und abgeschreckt war. "Da er aber das Getriebe und den Lebenswandel der Kurie nicht ertragen konnte, verließ er sie in liebendem Verlangen nach der verlorenen Einsamkeit und Ruhe", heißt es in einer mittelalterlichen Beschreibung des Heiligen.



Benedikt XVI. feiert gemeinsam mit den Mönchen einen Vespergottesdienst und besucht anschließend die Krankenstation des Klosters, in dem gegenwärtig 14 Mönche leben. Als "Blume im Knopfloch" Kalabriens bezeichnet der Bischof von Lamezia Terme, Luigi Antonio Cantafora, die Kartause. Zuletzt besuchte sie Johannes Paul II. im Oktober 1984.



Ebenso wie in Sizilien dürfte der Papst auch der Bevölkerung Kalabriens in Erinnerung rufen, dass ihre Heimat weit mehr als nur Schlupfwinkel von Verbrechern ist: Über mehr als 1.000 Jahre war die Region Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen, von Griechen, Römern, Arabern und Normannen. Die Hoffnungen, die der Bischof von Lamezia Terme an den Papstbesuch knüpft sind nicht gering: Vielleicht werde ja der eine oder andere Mafiosi durch die Anwesenheit des Heiligen Vaters bekehrt.