Palmsonntagskollekte für Christen im Heiligen Land

"Wir setzen auf Dialog und Projekte mit Nachhaltigkeit"

An diesem Sonntag rufen die deutschen Bischöfe wieder zur traditionellen Palmsonntagskollekte auf, die den Christen im Heiligen Land zugute kommt. Die Spenden, die an den Deutschen Verein vom Heiligen Land gehen, gelten als Zeichen der Solidarität.

Palmzweig am Palmsonntag / © Riedel (Erzbistum Köln)

DOMRADIO.DE: "Werden Sie Hoffnungsträger, Zukunftsspender, Weggefährte…" lautet das Motto des diesjährigen Aufrufs der deutschen Bischöfe. Denn die Palmsonntagskollekte wird bundesweit in allen Gemeinden durchgeführt. Was konkret geschieht mit diesem Geld?

Heinz Thiel (Generalsekretär Deutscher Verein vom Heiligen Land): Ohne die Palmsonntagskollekte wäre unsere Arbeit gar nicht möglich. Sie sichert – wie auch die in der Heiligland-Stiftung generierten Gelder sowie die Spenden und Mitgliedsbeiträge – als eine von mehreren Säulen unser Engagement im Heiligen Land, mit dem wir den Menschen dort Hoffnung geben. Die deutschen Bischöfe bitten um Unterstützung der Christen durch Gebet, Pilgerreisen und materielle Hilfe.

Der Aufruf verdeutlicht, dass es das gemeinsame Ziel aller Gläubigen sein muss, durch konkrete Hilfe christliches Leben im Heiligen Land zu sichern. Unser Verein ist eine gemeinnützige römisch-katholische Organisation, deren Ziele unter anderem in der Stärkung der Beziehungen zwischen Christen in Deutschland und im Heiligen Land liegen. Wir haben großartige Einrichtungen, wie die Schmidt-Schule in Ost-Jerusalem, also im muslimischen Teil der Stadt gelegen, oder die Brotvermehrungskirche in Tabgha, das Alten- und Pflegeheim in Beit Emmaus, die dort benachbarte Pflegefachschule, an der wir selbst ausbilden, die alle dringend auf unsere finanziellen Zuwendungen angewiesen sind.

DOMRADIO.DE: In welcher Form finden diese Investitionen statt?

Thiel: Was konkret die Schmidt-Schule angeht, an der christliche wie auch muslimische Mädchen lernen, sorgen wir beispielsweise dafür, dass sie durch diese Ausbildung, die von der Grundschule bis zum Abitur reicht, gestärkt, selbstbewusst und hoffnungsfroh in die Zukunft gehen. Wir verstehen uns als Weggefährten, die die Mädchen und ihre zum Teil sehr armen Familien über weite Zeiträume begleiten und unterstützen. Es geht uns um die Förderung christlichen Lebens und eine friedliche Koexistenz der Religionen. Denn die arabischen christlichen Mädchen bewegen sich in einem interreligiösen Kontext. Sie in diesen bestehenden Lebensbedingungen sowie ihrer Religion und Kultur zu unterstützen, ist unser vorrangiges Ziel.

Gleichzeitig sollen die muslimischen Mädchen lernen, Verständnis für christliches Leben zu entwickeln, um diese Haltung dann wiederum in ihre Familien tragen und daran mitwirken zu können, Ressentiments gegenüber Christen abzubauen. Miteinander reden steht bei uns an oberster Stelle. Wir setzen auf den Dialog. Bei dem Wunsch nach Verständigung hilft ein Mauerbau jedenfalls nicht weiter. Im Spannungsfeld von Judentum, Christentum und Islam stehen wir für Versöhnung und Frieden.

DOMRADIO.DE: Sie erwähnten auch die Brotvermehrungskirche am See Genesareth – für Heiligland-Besucher ein ganz wichtiger Ort…

Thiel: In enger Zusammenarbeit mit den Benediktinern in Tabgha wollen wir diese heilige Stätte als einen Erfahrungsort erhalten, wo Menschen – Touristen wie Einheimische – ihren Glauben festigen können. Auch die Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg als heilige Stätte der entschlafenen Maria ist für uns ein solcher wichtiger Ort, der unbedingt erhalten bleiben muss, derzeit aber einen hohen Sanierungsbedarf aufweist. Auch hier helfen wir, selbst wenn an dieser Stelle ungleich schwieriger zu kommunizieren ist, dass eine absolute Notwendigkeit besteht, auch mal in Steine statt in Menschen zu investieren.

DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung kommt denn Ihren Pilgerreisen mit jährlich fast 2500 Teilnehmern zu?

Thiel: Zum einen ermöglichen diese Reisen einen – gleich im doppelten Wortsinn – Zugang zum Heiligen Land. Besucher können an den Orten der Bibel ihren eigenen Glauben verorten. Das ist wie eine religiöse Selbstvergewisserung und stärkt. Pilgerfahrten anzubieten ist aber natürlich auch unser satzungsgemäßer Auftrag, der zusätzlich beinhaltet, die Christen hierzulande für die orientalischen Christen zu sensibilisieren. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal unter den Reiseanbietern: Wir fördern gezielt die Begegnung und Gespräche mit einheimischen Christen.

Denn uns interessiert: Wie lebt es sich als christliche Minderheit? Wie sind die speziellen Herausforderungen? Dabei setzen wir bevorzugt lokale Guides ein, suchen von Christen betriebene Restaurants aus und unterstützen auch auf diese Weise christliches Leben in Israel und Palästina. Denn den Wirtschaftsfaktor von Pilgerfahrten als Zeichen der Solidarität mit den orientalischen Christen darf man nicht unterschätzen.

DOMRADIO.DE: Wie nehmen denn Sie christliches Leben im Heiligen Land wahr?

Thiel: Die Christen dort leben zwischen den Stühlen: Von der jüdischen Mehrheitsbevölkerung werden sie als Teil der arabischen Gesellschaft wahrgenommen. Die arabischen Muslime hingegen betrachten Christen durch ihren oftmals eher westlichen Lebensstil als mehr der jüdischen Gesellschaft zugehörig. Tatsache ist: Die Christen sind eine Minderheit in der Minderheit. Denn die Araber, zu denen sie größtenteils gezählt werden, sind ja schon für sich zahlenmäßig unterlegen. Für diese Christen ist es demnach auch psychologisch gesehen sehr wichtig, wenn sie wahrnehmen, dass sich ihnen Glaubensschwestern und -brüder im weit entfernten Deutschland verbunden fühlen.

DOMRADIO.DE: Wie stellt sich denn die Situation der jungen Menschen im Heiligen Land dar?

Thiel: Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch. Für uns ist es daher ein besonderes Anliegen, in die Bildung junger Menschen im Heiligen Land zu investieren, da sie die Zukunft sind. Dies tun wir nicht nur mit der eben genannten Schmidt-Schule, sondern auch mit unserer Pflegefakultät in Beit Emmaus im Westjordanland oder durch Unterstützung der Bethlehem-Universität. Junge Menschen sollen Anreize haben, in ihrer Heimat zu bleiben und ihr nicht den Rücken zu kehren, wie es immer mehr junge Christen tun. Denn Qualifizierung ist das A und O, aber eben auch der Dialog zwischen den Religionen, der bei solchen Projekten ganz nebenher mitläuft, wo Christen, Muslime und Juden in Kontakt miteinander sind. Wir unterstützen Initiativen mit Nachhaltigkeit – ganz wesentlich für uns – und haben diesbezüglich einen hohen Qualitätsanspruch. Immer sollten unsere Projekte auf Zukunftsfähigkeit hin ausgerichtet sein.

DOMRADIO.DE: Der Anteil an Christen in Israel/Palästina liegt bei gerade einmal 2 Prozent. Gibt es im Nahen Osten nicht auch noch andere Länder, die Ihrer Hilfe bedürfen? Schauen die Nachbarländer mit ähnlich gelagerten Problemen nicht neidisch auf so viel Zuwendung aus Deutschland?

Thiel: Selbstverständlich gilt unsere Sorge dem Heiligen Land insgesamt, nicht nur Israel und Palästina. Das wäre ja viel zu kurz gegriffen. Deshalb setzen wir uns seit jeher auch für Projekte in Syrien, Jordanien, dem Libanon und Ägypten ein. Eine enge Zusammenarbeit beispielsweise gibt es mit der Pfarrei St. Kyrill in Damaskus, die sich derzeit vor Flüchtlingsströmen kaum retten kann. Die syrischen Christen und die jordanischen Christen, die libanesischen und ägyptischen – alle haben wir im Blick. Gerade deshalb ist ja die Solidarität aus Deutschland – auch in klingender Münze – so lebensnotwendig für diese Menschen.

DOMRADIO.DE: Der Deutsche Verein vom Heiligen Land hat seinen Sitz in Köln. Der Kölner Erzbischof ist sein Präsident. Wie eng läuft die Abstimmung mit Kardinal Woelki?

Thiel: Soziale, pädagogische und pastorale Projekte in über 20 Einrichtungen bilden den Schwerpunkt unserer Arbeit. Dafür hat sich Kardinal Woelki von Anfang an interessiert. Der Erzbischof stützt unsere Arbeit, wo immer es ihm möglich ist. Ein halbes Jahr nach seiner Einführung in Köln ist er das erste Mal mit uns ins Heilige Land gereist, um sich selbst ein Bild von unseren vielseitigen Tätigkeiten im Land zu machen. Bei diesem Antrittsbesuch, der ihm ganz wichtig war, hat ihn vor allem die Begegnung mit den einheimischen Christen fasziniert. Es war spürbar, dass er für sich daraus die Notwendigkeit ableitet, hier auch weiterhin nicht nur strukturell, sondern auch inhaltlich mit im Boot zu sein.

DOMRADIO.DE: Kardinal Woelki und seine Mitbrüder im Bischofsamt befürchten auf Zukunft hin eine "bedrohliche Auszehrung" des Christentums im Nahen Osten…

Thiel: Die alltäglichen Schwierigkeiten wirken sich zweifelsohne für die Christen belastend aus. Dennoch ist es wichtig, dass sie im Land bleiben, um dort für Verständigung einzutreten. Und daher ist ja der Dialog für uns so entscheidend. Wir wollen auf ein gesamtgesellschaftliches Klima hinwirken, das sich verbessert. Wir wollen junge Menschen ausbilden und ihnen schulische Abschlüsse ermöglichen. Die Erfahrung zeigt, dass Frauen eher noch als Männer bleiben und sie sich mit Unterstützung der entsprechenden Angebote nicht unterkriegen lassen.

Viele Absolventinnen unserer Schmidt-Schule bekleiden mittlerweile hochrangige Führungspositionen in Wirtschaft und Politik. Sie tragen dazu bei, ihr Land zukunftsfähig zu gestalten. Wenn diese jungen Frauen nach ihrem Abitur zunächst nach Deutschland gehen, hier studieren und dann wieder in die Heimat zurückkehren, bauen sie dort mit dem erworbenen Wissen ihr Land auf. Das ist es, wofür sich unsere Arbeit lohnt.

Das Interview führte Beatrice Tomasetti.


Heinz Thiel, Generalsekretär Deutscher Verein vom Heiligen Land / © Beatrice Tomasetti (DR)
Heinz Thiel, Generalsekretär Deutscher Verein vom Heiligen Land / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR