Paderborner Erzbischof zum 100. Caritas-Geburtstag

"Menschenwürde ohne Gott gefährdet"

Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker mahnt, die Menschenwürde nicht aus dem Blick zu verlieren. "Gleichgültigkeit gegenüber der Würde des Menschen ist alles andere als harmlos", sagte er in Paderborn zum 100-jährigen Bestehen des Caritasverbandes.

100 Jahre Caritas Paderborn / © cpd/Throenle
100 Jahre Caritas Paderborn / © cpd/Throenle

Die Würde des Menschen dürfe nicht zu einem belanglosen Thema in unserer Gesellschaft degradieren werden, so Becker. "Gleichgültigkeit gegenüber der Würde des Menschen ist alles andere als harmlos", sagte Becker im Pontifikalamt im Hohen Dom zu Paderborn. Dass die Menschenwürde unantastbar ist, sei zwar Bestandteil des Grundgesetzes, doch eine Begründung für dieses Bekenntnis gibt es nicht. "Ist das eine Absprache unter uns Menschen", fragte der Bischof, "eine Art Gesellschaftsvertrag?" Verträge seien kündbar, "selbst die, die Menschenrecht und Menschenwürde betreffen".

Mit Sorge erfüllen den Bischof Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die die Menschenwürde in Frage stellen: neben der hohen Zahl von Abtreibungen und den vielfältigen Versuchen der Manipulation menschlichen Erbgutes sei es besonders die immer noch latente Diskussion, wie mit den ethischen Fragen am Ende des menschlichen Lebens umzugehen ist. "Wer Umfragezahlen zu dieser Thematik näher betrachtet und so die Mehrheitsmeinung zur Kenntnis nimmt, dem kann angst und bange werden."

Gott als Garant menschlicher Würde

Garant menschlicher Würde könne letztlich nur Gott sein. Er habe in seinem Sohn einen unkündbaren Bund mit unserer Menschennatur geknüpft, der dem Zugriff des Menschen entzogen sei. Der Verlust Gottes hinterlasse eine gespenstische Leere im Denken und Handeln, vor allem im ethischen Bereich. "Ohne den Himmel über uns gerät die Erde unter uns ins Wanken. Wenn uns Gott nicht mehr würdigt, wer denn dann? Was bleibt dann noch von unserer Würde übrig? Ist sie ein Produkt der Evolution, der Umwelt, der Verhältnisse, in denen wir leben? Eines steht fest: Wer die Umwelt und die gesellschaftlichen Verhältnisse manipulieren kann und will, wird dann auch den Menschen und seine Würde manipulieren. Dann ist es aus mit der Unantastbarkeit des Menschen: vor der Geburt und nach der Geburt, bis zum Lebensende. Und die Aushöhlung der Menschenwürde geschieht allemal auf Kosten der Schwachen", betonte der Erzbischof. Spätestens an diesem Punkt heiße es: Farbe bekennen!

An dem festlichen Pontifikalamt nahmen rund 500 Gläubige teil, darunter zahlreiche Vertreter aus Politik, Caritas und der Freien Wohlfahrtspflege. Die eucharistischen Gaben wurden von Menschen an den Altar gebracht, die der Caritas besonders am Herzen liegen: Flüchtlinge, Wohnungslose, Menschen mit Behinderung, Senioren und Kita-Kinder. Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst u. a. von den Arnsberger Werkstatt-Spatzen, einem Chor von Menschen mit geistiger Behinderung.

Warnung vor Stimmungsmache gegen Flüchtlinge

In seiner Festrede auf dem anschließenden Festakt kritisierte der katholische Erfurter Altbischof Joachim Wanke scharf eine Stimmungsmache gegen Flüchtlinge. Derzeit würden sich politische Einstellungen lautstark zu Wort meldeten, "die jede Empathie, jedes Mitgefühl mit der konkreten Not des einzelnen Menschen vermissen lassen".

Flüchtlinge würden von manchen als Gefahr betrachtet, die den derzeitigen Zustand infrage stelle, sagte Wanke in seiner Festrede in der Paderhalle. "Dabei wird vergessen, dass jeder Flüchtling ein individuelles Gesicht hat, dass er eine Leidensgeschichte hinter sich hat und jetzt konkret Hilfe braucht." Der eigentliche "Kampf um die Bewahrung des christlichen Abendlandes" finde in der praktischen Umsetzung des Wortes Jesu statt: "Seid barmherzig, wie es auch euer Vater im Himmel ist."

Der Vizepräsident des Deutschen Caritasverbandes, Heinz-Josef Kessmann, erklärte, ein Christentum ohne die tätige Nächstenliebe, die Caritas, sei nicht denkbar. "Hilfe für die, die in Not sind, gehört dazu", unterstrich er. Staatssekretär Wilhelm Schäffer vom NRW-Sozialministerium sagte, ein Sozialstaat sei nicht ohne die Haupt- und Ehrenamtlichen der Caritas und anderer Wohlfahrtsverbände vorstellbar. Nächstenliebe als Fundament der Caritas seien heute "wichtiger denn je".


Quelle:
epd