Organisierte Sterbehilfe auf dem Prüfstand

Ruf nach neuem Gesetz wird lauter

Gesundheitsminister Gröhe will eine klare gesetzliche Regelung zum Verbot der Hilfe zum Suizid. Ärzte unterstützen ihn. Politiker aller Parteien debattieren. Union und SPD wollen beim neuen Gesetz auf den Fraktionszwang verzichten.

 (DR)

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat sich für ein klares Verbot organisierter Sterbehilfe ausgesprochen. "Ich wünsche mir, dass wir jede geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellen", sagte der Minister der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" .

Gröhe sagte der Zeitung, wer mit den Ängsten der Menschen vor dem Sterben ein Geschäft machen wolle und sich für Hilfe zur Selbsttötung bezahlen lasse, handele "überaus verwerflich". Die Straffreiheit der Selbsttötung und damit auch ihres Versuches zeige, dass es menschliche Dramen gebe, vor denen das Strafrecht zu Recht schweige, erläuterte der Minister. "Wer aber die Selbsttötung propagiert, als Ausdruck der Freiheit des Menschen geradezu verklärt, der versündigt sich an der Wertschätzung des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen", sagte er.

Bisher keine Einigkeit der Parteien

Der CDU-Politiker hatte sich in der vergangenen Legislaturperiode wiederholt für ein Verbot jeglicher organisierter, sogenannter geschäftsmäßiger Sterbehilfe ausgesprochen.

Das Gesetz wurde wegen des Streits zwischen Union und FDP nicht mehr abschließend im Bundestag verhandelt. Der Vertrag der neuen schwarz-roten Koalition enthält keine Vereinbarung zum Verbot der Suizidbeihilfe, weil Union und SPD sich auf keine klare Regelung einigen konnten.

Gröhes Vorstoß für ein Verbot jeglicher organisierter Sterbehilfe erhielt am Montag Zustimmung bei der Bundesärztekammer. "Der Minister rennt damit bei uns offene Türen ein", sagte Präsident Frank Ulrich Montgomery dem "Tagesspiegel" (Dienstagsausgabe). Die Bundesärztekammer warne seit langem "vor der Werbung und Verlockerung für Menschen, den vermeintlich leichten Ausweg zu suchen".

Unterstützung vom Patientenschutz

Ähnlich äußerte sich auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz.

Mit Gröhes Plan würde jede Form organisierter Sterbehilfe unter Strafe gestellt, auch unentgeltliche. "Denn wenn ein Prinzip falsch ist, kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob Geld fließt oder nicht", sagte Vorstand Eugen Brysch.

Die Debatte um Sterbehilfe war neu entflammt, nachdem Prominente öffentlich gefordert hatten, ein selbstbestimmtes Lebensende zu ermöglichen. Zuletzt plädierte Ex-MDR-Indentant Udo Reiter dafür.

Scharf widersprochen hatte am Wochenende der SPD-Politiker Franz Müntefering.

Koalition fordert Neuregelung

Wie der Suizid selbst steht die Beihilfe dazu in Deutschland nicht unter Strafe. Beihilfe zur Selbsttötung leistet jemand, wenn er einem Patienten ein tödliches Medikament überlässt. Verabreicht er es selbst, ist dies aktive Tötung auf Verlangen. Sie steht unter Strafe.

Führende Politiker von Union und SPD fordern eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe über die Parteigrenzen hinweg ohne Fraktionszwang. "Es geht hier in jedem Fall um eine Gewissensentscheidung", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl am Dienstag der "Welt". Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sprach sich ebenfalls dafür aus, die Sterbehilfe jenseits von Parteigrenzen neu zu regeln. "Das ist eine bioethische Frage", sagte er der Zeitung. "Es war in der Vergangenheit regelmäßig der Fall, dass wir hier nicht entlang von Partei- und Fraktionsgrenzen Anträge formulieren, sondern das aus der Mitte des Parlaments tun."

"Wir haben in vergleichbaren Fällen gute Erfahrungen gemacht, im Parlament das Instrument von Gruppenanträgen zu nutzen", sagte Högl.

Bei Gruppenanträgen finden sich Abgeordnete unterschiedlicher Fraktionen im Bundestag zu gemeinsamen Gesetzesinitiativen zusammen.

Sie sind dann bei der entscheidenden Abstimmung im Parlament nicht an Parteilinien gebunden, sondern entscheiden komplett frei. Das Verfahren ist bisher ausschließlich bei Gewissenentscheidungen üblich, die grundsätzliche Fragen von Leben und Tod berühren.

"Zeit für eine gesellschaftliche Diskussion"

"Die über alle Parteigrenzen hinweg kontrovers geführte Diskussion um die Sterbehilfe zeigt auch, dass wir uns Zeit nehmen sollten, um auch eine breite gesellschaftliche Diskussion zu führen", sagte die SPD-Rechtspolitikerin Högl.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte in der vergangenen Legislaturperiode einen Gesetzentwurf eingebracht, der lediglich die gewerbsmäßige, auf Gewinne angelegte Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellt. Große Teile der Union und die Kirchen fordern aber, dass jede Form der organisierten geschäftsmäßigen Sterbehilfe - zum Beispiel auch gebührenfrei in Stiftungen und Vereinen - verboten wird.

 


Quelle:
KNA , epd