Orden der "Amigonianer" betreibt Jugendarbeit in Gelsenkirchen

Freunde für die Jugend

Die Kommunität der Amigonianer lebt in einer Sozialwohnung in einem städtischen Randgebiet Gelsenkirchens. Dort machen sie, ausgehend von der nachbarschaftlichen Beziehung, stadtteilorientierte Kinder-, Jugend- und Familienarbeit. Die Amigonianer sind dabei Ansprechpartner in allen Krisensituationen. Von Anfang an besteht eine enge Verbindung zur örtlichen Pfarrgemeinde, die dadurch noch intensiviert wurde, dass ein Amigonianer dort Pastor ist. So bereichern sich Jugendarbeit und klassische Seelsorge gegenseitig. Kathrin Hölscher hat die Amigonianer besucht.

Autor/in:
Kathrin Hölscher
 (DR)

Bruder Lucinio steht lächelnd auf Inline-Skates vor der Eingangstür des Jugendtreffs seines Ordens in Gelsenkirchen-Feldmark. "Noch eine Runde, noch eine Runde", rufen ihm die Kinder zu. Bruder Lucinio bringt ihnen das Skaten bei. Währendessen hilft Bruder Anno gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern anderen Kindern bei den Hausaufgaben. An jedem Wochentag wird der Jugendtreff der "Amigonianer" in Gelsenkirchen-Feldmark zu einem Zuhause für rund 100 Kinder und Jugendliche. Unterstützt werden die Mönche bei offenen und Gruppenangeboten von zwei Erzieherinnen, einem Sozialarbeiter und einigen Ehrenamtlichen.

Ort zum Entspannen
Die zehnjährige Sümeyra berichtet, dass hier im Jugendhaus irgendetwas anders sei als in anderen Jugendhäusern. Und für den 17-jährigen Hakan ist der Jugendtreff "ein Ort, an dem man entspannen kann". "Die Mönche sind ganz normale Menschen, nichts Besonderes", sagt Hakan. Genauso hat sich das der Ordensgründer, der spanische Kapuzinerpater Luis Amigó (1854-1934) gedacht.

Der Pater mit bürgerlichem Namen José María Amigó y Ferrer gilt als Apostel der benachteiligten Jugend. Am 12. April 1889 gründete er die Ordensgemeinschaft der Kapuziner Terziaren, die seitdem auch "Amigonianer" genannt werden. Amigo bedeutet im Spanischen Freund. In Gelsenkirchen wollen die drei Ordensbrüder Lucinio, Tim und Anno Freunde für die Kinder und Jugendlichen und ihre Eltern sein. Keine Geistlichen, die nicht verstanden werden, sondern nah dran sind.

Die Ordensbrüder wohnen in der Hochhaussiedlung in Feldmark neben dem Jugendhaus, wie "ganz normale Menschen", nur mit einer Kapelle in der Waschküche. Ihr Jugendhaus in der Aldenhofstraße ist ein zentraler Treffpunkt im Stadtteil. Sie nennen das stadteilorientierte, präventive Jugendarbeit im sozialen Brennpunkt. Junge Menschen sollen nicht am anderen Ende der Straße landen, da ist die Justizvollzugsanstalt.

Jugendarbeit in einer Zeit des Sparens
Auch die "Amigonianer" im Ruhrgebiet müssen Jugendarbeit in einer Zeit der Umstrukturierung ihrer Kirche leisten. Von 2006 bis 2008 sind die 259 Kirchengemeinden im Bistum Essen auf 43 Pfarreien reduziert und neu zusammengefasst worden. Diese umfassen jeweils mehrere Gemeinden und zählen zwischen 4.000 und 43.000 Katholiken. Die Ausgaben würden um rund 70 Millionen Euro zurückgefahren, erklärte das Ruhr Bistum zum Zukunftskonzept im August 2008.

In Finanzierungsfragen des Jugendtreffs in Feldmark verlässt sich Michael Niehaus, Sozialarbeiter und Leiter der Einrichtung auf andere Töpfe. Das Jugendhaus finanziert sich durch Gelder von Stadt und Land sowie aus einem eigenen Förderverein und aus dem Amigonianer-Orden.
Viel wichtiger als Geld sei der gesellschaftliche Einfluss der Kirche, sagt er. "Wenn wir nur über das Geld reden, machen wir uns unglaubwürdig."

Wichtig sei die Wertschätzung der Arbeit durch die Kirche, wie durch die Ehrung der "Amigonianer" mit dem Heinrich-Brauns-Preis für Verdienste um die Katholische Soziallehre im Mai. Niehaus ergänzt: "Die Jugendlichen sollen sehen, dass hier etwas anders ist."

Das sieht der 16-jährige Francesco. Seit zehn Jahren kommt er in den Jugendtreff. Bei den "Amigonianern" habe er den respektvollen Umgang mit Menschen erlernt, sagt er. Er habe andere Städte gesehen und sei in den Ferien auf einer Sommerfreizeit in Spanien gewesen. "Der Jugendtreff bedeutet mir viel. Er ist wichtig." Francesco ist katholisch. Ermutigung im Glauben habe er auch erfahren. "Durch den Jugendtreff möchte ich zur Firmung gehen."

Francesco weiß nichts von Kirchensteuern, Großgemeinden und verkauften Kirchen. Sein Glaube hängt an Beziehungen. "In unserer täglichen Arbeit, bleibt es nicht aus, über den Glauben zu reden", betont Michael Niehaus. Glaubensinhalte würden, neben Aktionen wie den Sternsingern, Sankt-Martins-Feiern oder Glaubensunterricht zur Adventszeit im direkten Umgang miteinander vermittelt.

Kirche erlebbar machen
Die Kirche sei hier in Gelsenkirchen-Feldmark für die Menschen erlebbar. Dies gelte auch für Kinder und Jugendliche, die nicht zur Kirche gehören. "Bei uns sind alle eingeladen zu kommen", sagt Michael Niehaus. Auch zu den religiösen Angeboten. Dabei sei es wichtig, niemanden zu etwas zu zwingen.

Er würde oft zu Glaubensthemen befragt, vor allem von muslimischen Eltern, sagt Bruder Tim. Die Ordensbrüder und Mitarbeiter der Jugendarbeit sind für die Menschen im Stadtteil Ansprechpartner in Glaubens- und Lebensfragen. Es kommt auch etwas zurück. "Die Jugendlichen sind sehr herzlich", erklärt Bruder Tim. Hakan ergänzt: "Hier muss man sich auf nette Menschen gefasst machen, Freunde eben."