Oratorium will das Leben des Jesus von Nazareth vorstellen

33 Bratschen für einen 33-Jährigen

 (DR)

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Von Christian Wölfel (KNA)

Würzburg (KNA) «Ein solches Stück hatten wir in dieser Form und Radikalität in Würzburg noch nie», schwärmt Domkapellmeister Martin Berger. Deshalb ist er auch überzeugt: «Wir schreiben Musikgeschichte.» Die Rede ist vom Oratorium «Der Sohn des Zimmermanns». Am 16. März werden 200 Musiker das Werk des Orff-Schülers Wilfried Hillers, einem der bekanntesten zeitgenössischen Komponisten, im Würzburger Dom uraufführen. Etwa 100 Minuten lang soll in sieben Szenen nach dem Neuen Testament das Leben des Jesus von Nazareth nacherzählt werden.

Viel Mut habe es bedurft, sich an die Figur Jesu zu wagen, sagt Librettist Winfried Böhm. Die Macher würden mit dem Oratorium immerhin Neuland betreten. Denn alle bisher erschienenen musikalischen Umsetzungen, etwa der «Messias» von Georg Friedrich Händel oder die Rockoper «Jesus Christ Superstar» von Andrew Lloyd-Webber, gingen über die historische Gestalt hinaus. Versuche anderer Art seien bisher gescheitert, erklärt Böhm. So habe Richard Wagner das Libretto zur Jesus-Oper abgebrochen, Jan Sibelius sein Werk kurz vor der Uraufführung verbrannt.

In Würzburg wollen sich die Verantwortlichen der Herausforderung stellen. Finanziert wird das Projekt durch die kirchliche Abbe-Vogler-Musikstiftung. Das Oratorium ist dabei Teil der Veranstaltungsreihe «Endspiel» zum Thema Apokalypse. «Wir sind keine Konkurrenz zu Oberammergau», betonen Böhm und Berger. Dafür dürfte das Werk, das zwischen einem Oratorium und einer Oper angesiedelt ist, auch zu abstrakt sein. Denn «Jesus von Nazareth» selbst wird nicht als Person auftreten.

Der Sohn des Zimmermanns erscheint «nur im Spiegel seiner Zeitgenossen». Durch deren Reaktionen soll sich das Publikum sein Leben erschließen - oder durch die Musik in Form eines Barockinstruments, einer Viola d'amore. Wenn etwa der Teufel Jesus in der Wüste versucht, wird dessen Antwort musikalisch gegeben. Das können 33 Bratschen sein, für jedes Lebensjahr eine. Auch Maria Magdalena reagiert, die schon hier die Szenerie betritt. Das Letzte Abendmahl wiederum beginnt in dem Opus, wenn Jesus schon längst die Tafel verlassen hat. Die zwölf Apostel werden durch je vier Tenöre, Baritone und Bässe dargestellt.

Überhaupt ist die Besetzung für das Oratorium äußerst ungewöhnlich.
Eine Solo-Klarinette in B erinnert an die jüdische Klezmer-Musik und damit auch an die Herkunft des Protagonisten. Neben den Streichern, vier Harfen - der See Genezareth heißt übersetzt See der Harfen - einer Diskant-Zither, einem Hackbrett und einem Kontrabass-Hackbrett werden jede Menge Schlaginstrumente eingesetzt. Dazu gehören der javanische Buckelgong oder Nagako-Daiko, die den Dom «als Träger des Klanges» ausfüllen sollen, wie der Domkapellmeister sagt.

Selbst ganz banale Steine kommen als Instrument zum Einsatz, dann nämlich, wenn ein Männerchor mehr als zehn Minuten lang die Kreuzigung fordert. Aggressiv werden dazu die Steine aufeinandergeschlagen, während Pilatus auf Latein über seinen Richterspruch nachdenkt. «Ein 60-köpfiger Männerchor übt mit einer Mischung aus Amüsement und Frust derzeit diese Geschichte», erzählt Berger.

Wenn das Werk am 16. März Premiere hat, erwarten Librettist und Domkapellmeister nicht nur Applaus. «Es wird sicherlich für Diskussionen sorgen», sagt Berger. Die solle es auch geben. Denn allzu selten setzten sich zeitgenössische Musiker mit geistlichen Themen auseinander und umgekehrt die Kirche mit zeitgenössischer Musik. Diese Diskussion sei aber nötig, ist der Domkapellmeister überzeugt. Böhm wiederum wünscht sich, dass die Zuhörer mit zumindest einer Frage nach Hause gehen: «Es ist doch nicht zu glauben, dass das nur der Sohn eines Zimmermanns gewesen ist.»

Hinweis: Das Oratorium «Der Sohn des Zimmermanns» wird am 16. und 17. März. jeweils um 19.30 Uhr im Würzburger Kiliansdom uraufgeführt. Der Bayerische Rundfunk wird das Werk aufzeichnen und am 5. April auf BR Klassik ausstrahlen.