Olympia-Seelsorger Faymonville über seine Arbeit in Rio

"Da muss es ja noch mehr geben als Sport"

Olympia ist nun vorbei. Für den Olympia-Seelsorger Rolf Faymonville geht es nun wieder gen Heimat. Im domradio.de-Interview blickt er zurück auf viele schöne aber auch traurige Momente und Gespräche über den Sinn des Lebens.

Rolf Faymonville / © Melanie Trimborn (DR)
Rolf Faymonville / © Melanie Trimborn ( DR )

domradio.de: Es ist immer wieder die Rede von Psychologen, Physiotherapeuten, eigenen Köchen, die die Sportler begleiten. Reden wir mal von Ihrer Funktion. Welche Funktion kam Ihnen zu?

Rolf Faymonville (Olympia-Seelsorger, Diakon): Mein evangelischer Kollege Thomas Weber und ich haben unsere Rolle so verstanden, dass wir für die Sportler ein Ansprechpartner sind, wenn es um die Themen geht, die jeden Menschen betreffen und die nicht in erster Linie sportliche Themen sind.

domradio.de: Es gab noch andere Themen über den Sport hinaus?

Faymonville: Selbstverständlich, wo über 10.000 Sportler aus der ganzen Welt zusammenkommen, da gibt es immer Themen, die mehr als den Sport betreffen. In einer Stadt wie Rio kann man auch an vielen Themen nicht vorbeischauen. Wenn man die Kontraste des Alltags in Rio sieht, stellen sich die Fragen nach dem Sinn des Lebens.

domradio.de: Man stellt sich ja immer vor: Sportler richten Jahre im Voraus ihr Leben darauf aus, um in diesen zwei Wochen ihren großen Auftritt hinzulegen. Dadurch leben sie in solch einem Tunnel, dass sie links und rechts nichts mitbekommen. An welchen Stellen haben Sie mitbekommen, dass die Realität dort reinbricht?

Faymonville: Zum einen die Situation, wo Medaillenträume oder gewünschte Bestleistung nicht erfüllt und erreicht wurden. Dann gab es auch Begegnungen, wo Sportler mit Brasilianern zu tun hatten, denen es nicht gut geht und mit Kindern aus den Armutsvierteln. Da haben sich einige Gedanken gemacht: "Da muss es ja noch mehr geben als den Sport." Was können wir tun, um Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit mitzugestalten. Es gab ja auch Sportler, die bei der Adveniat-Aktion "Rio bewegt. Uns." mitgewirkt haben. Und dann gab es natürlich auch die Situation, dass man mit dem Tod konfrontiert war.

domradio.de: Nach einem Unfall starb Kanutrainer Stefan Henze in Rio. Wie wurden Sie denn da gefordert? Der restliche Betreuerstab hat damit wahrscheinlich eher nichts zu tun, oder?

Faymonville: Das kann man so nicht sagen. Die Hauptarbeit in der Betreuung der Angehörigen von Stefan Henze zum Beispiel haben unter anderem das Auswärtige Amt und der Deutsche Sportbund übernommen und die Helfenden haben ihren Job wirklich hervorragend gemacht. Aber es sind ja auch viele andere von so einem Ereignis betroffen, die sich dann angesichts des Todes von Stefan Henze die Frage stellen, was läuft in meinem Leben nicht so rund? Einige suchen nach einer neuen Orientierung. Da hatten wir eine ganze Reihe von Gesprächen. Es geht bei der Frage auch darum, wie kann ich mit der Trauer umgehen, wenn ich noch im Wettkampf stehe und dann demnächst antreten muss?

domradio.de: Hatten Sie dann den Eindruck, dass Sie der Stellvertreter waren von den jeweiligen Ortsgeistlichen, mit denen deutsche Sportler normalerweise zu tun haben? Oder war es eher ein Ausnahmezustand, dass überhaupt mal wieder ein Kontakt hergestellt wurde zwischen Sportler-Dasein und kirchlichem Leben?

Faymonville: Sportler sind da im Grunde ein Spiegel der Gesellschaft. Es gibt Sportler, Trainer und Funktionäre, die in der Kirche sehr engagiert sind. Aber es gibt auch welche, die hier vielleicht seit Jahren mal wieder Kontakt mit Kirche bekommen haben und da vielleicht auch einen neuen Zugang gefunden haben. Aber es gab auch welche, die sagen: "Nett, dass Ihr da seid, aber Kirche ist nicht mein Ding."

domradio.de: Gibt es einen schönen Moment, der sie positiv überrascht hat?

Faymonville: Den einen Moment gibt es nicht, weil es einfach viele Momente gab. Das waren nicht nur die Medaillenmomente oder die Momente, wo jemand nach einem Erfolg vor Glück in die Luft gesprungen ist. Das waren auch die Momente, wo wir gespürt haben, hier findet Begegnung statt zwischen uns und den Brasilianern. Wir hatten Kontakt mit Kindern im deutschen olympischen Jugendlager, wo wir eine Favela besucht haben und mit den Kindern zusammen Sport gemacht haben. Diese Freude in den Augen, die Unvoreingenommenheit in der Begegnung - das war schon großartig. Natürlich ist auch die Stadt einfach wunderbar und zeigt die Schönheit der Schöpfung.

Das Interview führte Daniel Hauser


Quelle:
DR