Olympia-Pfarrer Hans Gerd Schütt berichtet über seine Vorbereitungen für die Winterspiele

Das Messbuch im Gepäck für Vancouver

Die Olympischen Winterspiele in Vancouver stehen vor der Türe. Heute packt auch Olympia-Pfarrer Hans-Gerd Schütt seinen Koffer. Er wird dort die Sportler verschiedener Nationalteams betreuen. Im domradio-Interview berichtet Schütt von seinen Vorbereitungen.

 (DR)

KNA: Herr Schütt, was werden Ihre Aufgaben in Vancouver sein?
Schütt: Die Aufgaben sind sehr vielseitig. Unser Olympisches Dorf stellt so etwas dar wie eine kleine Gemeinde auf Zeit. All das, was in einer normalen Gemeinde an seelsorgerischen Aufgaben anfällt, gibt es auch im Olympischen Dorf. Das beginnt bei Gottesdienstangeboten, geht über Gespräche bis hin zu Krankenbesuchen oder Seelsorgediensten, wenn etwas Schlimmes passieren sollte.

KNA: Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Schütt: Der Tag im olympischen Betrieb ist sehr lang. Morgens sind Mannschaftsbesprechungen, zu denen mein evangelischer Kollege und ich eingeladen werden. Dann besuchen wir natürlich die wichtigen Zentren der olympischen Organisation, fragen Ärzte und Physiotherapeuten, ob etwas anliegt. Es ist sehr wichtig, dass man voneinander weiß - auch für den Fall, dass ein Gespräch gewünscht wird. Wir besuchen unsere Sportler auch beim Training und bei den Wettkämpfen. Sie sagen sehr oft: «Kommt vorbei, und drückt uns die Daumen». Und das versuchen wir dann auch möglichst oft.

KNA: Nehmen Sie Kontakt zu den Sportlern auf, oder kommen die Sportler zu Ihnen?
Schütt: Es ist ganz unterschiedlich. Der übliche Weg ist, dass wir uns auf den Weg machen und den Kontakt suchen müssen. Davon lebt unser Einsatz bei den Olympischen Spielen. Vor den Wettkämpfen haben die Athleten erfahrungsgemäß wenig Zeit. Aber danach nutzen sie durchaus die Möglichkeit zu einem Gespräch.

KNA: Worüber reden Sie dann?
Schütt: Das ist eine ungeheure Bandbreite. Wir sind ja nicht nur für die Sportler da, sondern für alle, die in irgendeiner Form in Vancouver mit dabei sind; Trainer, Funktionäre, Physiotherapeuten. Dort haben wir ein Spiegelbild unserer bundesrepublikanischen Gesellschaft. Und das betrifft auch die religiöse Bindung oder Nichtbindung, Kirchennähe oder Kirchenferne. Insofern treffen wir sehr viele, die noch nie Kontakt zur Kirche hatten und die ganz einfache Fragen stellen wie: Was ist ein Pfarrer? Es geht auch oft um Freundschaft, Partnerschaft und Familie. Denn im Hochleistungssport ist es nicht so einfach, seinen Freundeskreis oder die Partnerschaft zu pflegen. Aber natürlich geht es auch um Religion und Glaube und Fragen, was dem Leben Sinn gibt und welche Prioritäten nach der Laufbahn gesetzt werden sollen.

KNA: Erhöht Beten eigentlich die Chance, eine Medaille zu gewinnen?
Schütt: Beten ersetzt nicht gutes Training und gute Vorbereitung. Wenn jemand betet und seine Anliegen vor Gott trägt, kann es ihn aber beruhigen. Es kann zur seelischen Stabilität beitragen und kann auch motivierend sein, so dass Beten für den Wettkampf durchaus auch positive Auswirkungen haben kann. Aber es besteht kein ursächlicher Zusammenhang nach dem Motto: Je mehr ich bete, desto besser bin ich dann auf der Piste oder im Eiskanal.

KNA: Es gibt im Olympischen Dorf auch ein religiöses Zentrum. Was wird da passieren?
Schütt: Das Zentrum ist als Angebot für Angehörige der fünf großen Weltreligionen gedacht - für Buddhisten, Hindus, Juden, Muslime und Christen. Der christliche Raum steht für Gottesdienste und Andachten zur Verfügung. Betreut wird er von der Kirche vor Ort. Die Diözese Vancouver wird dort die ganze Zeit mit mehreren Kaplänen präsent sind. Ich werde mit meinem evangelischen Kollegen natürlich das religiöse Zentrum besuchen, aber wir sind eher mit der Mannschaft unterwegs.

KNA: Was wünschen Sie den deutschen Sportlerinnen und Sportlern bei Olympia in Vancouver?
Schütt: Ich wünsche ihnen Gottes Segen, sehr viel Erfolg, Freude und auch ein gutes und stärkendes Gemeinschaftsgefühl, das über Olympia hinaus trägt. Denn nach den Olympischen Spielen und den Paralympics kehrt schnell der harte Sportalltag ein. Die einen brauchen Kraft weiterzumachen, andere die Kraft, ihre Karriere erfolgreich abzuschließen. Ich wünsche, dass es ihnen gelingt, in den neuen Lebens-, Familien- und Berufsalltag einzusteigen und den Sport und die Zeit als eine schöne Zeit und wichtige Lebenserfahrung in Erinnerung zu behalten.

Interview: Stefan Klinkhammer