Ökumenischer Bericht zur Religionsfreiheit von Christen

"Ein Recht, das für alle gilt"

Christen sind die am stärksten verfolgte Religionsgemeinschaft weltweit. Nun sei vor allem ihre Situation im Nahen Osten nochmal schwieriger geworden, sagt der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Nagelprobe sei besonders der Religionswechsel.

Religionsfreiheit weltweit eingeschränkt / © N.N. (Open Doors)
Religionsfreiheit weltweit eingeschränkt / © N.N. ( Open Doors )

DOMRADIO.DE: Die katholische und evangelische Kirche haben heute in Berlin ihren zweiten "Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit" vorgestellt. Den ersten Bericht dieser Art gab es 2013 - wie hat sich die Situation der Religionsfreiheit seitdem entwickelt?

Erzbischof Dr. Ludwig Schick (Bamberger Erzbischof und Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz): Wir können keine große Verbesserung feststellen. Es haben sich andere Schwerpunkte der Verfolgung und Bedrängnis ergeben, vor allem territorial, aber auch inhaltlich und zwar im Nahen Osten und im Norden Afrikas. Neu ist, dass dort terroristische islamistische Gruppen entstanden sind, die Christen und andere Religionsgruppen sehr bedrängen, die sich ihnen nicht unterwerfen wollen.  

DOMRADIO.DE: Das heißt, für die Christen im Nahen Osten hat sich die Situation verschlechtert?

Schick: Die Situation der Christen in Nahost war nie ganz einfach, aber sie ist noch einmal schwieriger geworden. Das gilt auch für eine ganze Reihe Länder in Afrika wie Nigeria zum Beispiel. Und auch im Jemen haben die Verfolgungen zugenommen.

DOMRADIO.DE: Warum ist das so?

Schick: Wir beobachten eine Radikalisierung bestimmter Gruppen, die aus dem Islam hervorgegangen sind, wie etwa Boko Haram, Al-Shabaab oder auch der so genannte Islamische Staat IS. Diese Gruppen haben sich neu formiert, bezeichnen den Islam als ihre Religion, verfolgen aber noch andere Interessen. Sie wollen Macht, sie wollen Länder unterwerfen und ihre Machtbefugnisse ausdehnen.     

DOMRADIO.DE:  Und diese Gruppen tolerieren natürlich auch nicht, dass Menschen einer anderen Religion anhängen als dem von ihnen propagierten Islam oder dass sie den Glauben wechseln. Glaubenswechsel ist tatsächlich ein Schwerpunkt Ihres Berichts. Warum ist das freie Recht so wichtig, sich auch gegen eine Religion entscheiden zu können.

Schick: Der Religionswechsel ist eigentlich die Nagelprobe der Religionsfreiheit. Warum? Weil wir etliche Länder haben, die die entsprechende Konvention von 1948 unterschrieben haben und behaupten, sie respektierten die Religionsfreiheit. In Wirklichkeit verweigern sie den Glaubenswechsel und bestrafen ihn sogar bis hin zum Tod.

Die Religionsfreiheit ist aber nur dann als Menschenrecht gegeben, wenn auch der Wechsel der Religion oder das Negieren von Religion, also die Apostasie, möglich sind. Sonst haben wir nur eine stückweise Verwirklichung der Religionsfreiheit. Wir brauchen aber eine vollständige Religionsfreiheit, die auch den Religionswechsel umfasst.

DOMRADIO.DE: Tatsächlich fordern Sie ja Religionsfreiheit nicht nur für Christen, sondern für alle Menschen. 

Schick: Ich sage immer: Wir setzen uns für unsere Glaubensgeschwister exemplarisch ein, aber nicht exklusiv. Die Erfahrung ist, dass, wenn Christen bedrängt und verfolgt werden, dann meist auch andere. So werden in bestimmten Ländern nur die Muslime sunnitischer Prägung anerkannt, aber die Schiiten nicht und die Alewiten auch nicht. Wir setzen uns für die Religionsfreiheit als Menschenrecht ein, ein Recht das für alle gilt. Nur wenn alle Religionsfreiheit haben, haben sie auch die Christen.        

Das Gespräch führte Silvia Ochlast.


Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche / © Harald Oppitz (KNA)
Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR