Glitzersteine

oder: das Mosaik unseres Lebens

"Es sind so viele, dass ich sie ausnahmsweise zähle: 46. 46 'Glitzersteine' habe ich bei einem Spaziergang gesammelt." In ihrer Kolumne schreibt Angela Krumpen, was sie mit dem Leben und uns Menschen gemein haben.

Inselsommer3 / © Krumpen
Inselsommer3 / © Krumpen

Glitzersteine. So hat der Große als Kleinkind meist grüne, seltener weiße oder blaue, Glasscherben genannt. Im Wasser von der Sonne angestrahlt, glänzen sie plötzlich am Strand. Von Wellen, Ebbe und Flut und den Kieselsteinen geschliffen.

Also, Glitzersteine trifft es schon ganz gut.

Stundenlang haben wir diese Glitzersteine gesucht. Und gesammelt. Am Anfang hat mein Mann dem winzigen Großen einen „Suchstein“ auf den Strand gelegt. Wo ein Suchstein war – war der Glitzerstein nicht weit.

Über die Jahre haben mal mehr, mal weniger mitgesucht. Die Große und der Jüngste waren besonders ausdauernd und erfolgreich im Glitzersteine finden.

Am Ende jedes Urlaubes habe ich die gesammelten, geschliffenen Scherben zu Hause in ein großes Einweckglas gelehrt. Und mir vorgestellt, was ich, dereinst, in ferner Zukunft, mal daraus machen würde?

Irgendwas mit Mosaik und irgendwas mit Garten, schwebt mir dann vor.

An irgendwas mit Mosaik denke ich auch dieses Jahr, als ich ganz alleine nach Glitzersteinen suche. Lange finde ich gar keine. Dann, auf einmal, finde ich bei einer besonders ebbigen Ebbe 46 an einem Morgen!

Jeder Glitzerstein ist anders: Manche sind hauchdünn, wie winzige Splitter, manche rund und bauchig wie eine dicke Perle, manche groß und schwer.

Welche Flaschen diese Scherben wohl gewesen sind?  Wer wohl daraus getrunken hat? Wie sie wohl ins Meer gelangt sind? Wie lange Ebbe und Flut sie wohl schon geschliffen haben, bevor wir sie finden?

Jede Scherbe sieht nicht nur anders auch, jede hat auch ihre ganz eigene Geschichte, bis sie ein Glitzerstein wurde.

Und das Auffinden jeder Scherbe fügt eine neue Geschichte hinzu: wer sie gefunden hat, wie eifrig, wie gewissenhaft oder systematisch gesucht wurde. Ob kleine Händchen greifen übten – oder große Teenagerhände lässig eine Scherbe neben mir in den Sand abwarfen.

Wenn die Scherben im großen Glas landen, ist wieder ein Urlaub vorbei, sind neue Erinnerungen von Wind und Wasser, Sonne und Regen gesammelt.

Ob mit oder ohne Mosaik im Garten: Irgendwann werden diese und alle anderen Erinnerungen zusammen mein Leben gewesen, das Mosaik meines Lebens geworden sein.

Jeder einzelne Moment ist anders. Jeder neu. Jeder hat seine eigene Geschichte.

Aber wenn ich Glück habe, werden die vom Leben geschliffenen Momente  glitzern.