Landesweit gab es in den Vereinigten Staaten in den vergangenen Tagen Kerzen- und Gedenkandachten für die Opfer der Gewaltakte in Dallas, Baton Rouge und Saint Paul. Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz der USA, Erzbischof Joseph Kurtz, wählte dabei seine Worte sorgsam. Er achtete darauf, den Schmerz der Angehörigen der ermordeten Polizisten von Dallas ebenso zu erwähnen wie das Leid der Familien der beiden jungen Schwarzen, die in Minnesota und Louisiana durch Polizeikugeln ums Leben kamen.
Die Polizei sei kein "namenloser Feind", betonte der Erzbischof. Wie auch die Opfer der Polizeigewalt "keine gesichtslose Bedrohung" darstellten, sondern Familienmitglieder seien, "die Hilfe, Schutz und Fairness verdienen". Der Erzbischof aus Louisville im US-Bundesstaat Kentucky sagte weiter, nun sei ein "offener, ehrlicher und ziviler Dialog über Rassenbeziehungen" erforderlich. Notwendig sei auch ein Justizsystem, das auf Wiedereingliederung ausgerichtet sei.
"Den Zyklus von Gewalt und Vergeltung brechen"
Kurtz bestimmte damit den Ton für eine Reihe anderer Erklärungen katholischer US-Bischöfe. Auch sie achteten darauf, nicht das Leid der einen mit dem der anderen aufzuwiegen. "Es ist Zeit, den Zyklus von Gewalt und Vergeltung zu brechen", sagte der Erzbischof von Chicago, Blase Cupich.
Sein Kollege in Philadelphia, Erzbischof Charles Chaput, argumentierte ähnlich. Gewalt sei niemals eine Antwort, sondern "vertieft nur die Gräben in unserer Nation". Jedes Leben sei wertvoll: das der Armen und an den Rand gedrängten ebenso wie das derjenigen, die ihr Leben zum Schutz der Gemeinschaft riskierten.
"Brücken bauen und Mauern niederreißen"
In Saint Paul im US-Bundesstaat Minneapolis lud Erzbischof Bernard Hebda zu einem Gedenkgottesdienst für Philando Castile ein, der bei einer Verkehrskontrolle von einem Polizisten getötet worden war. Seine Verlobte hatte die letzten Momente ihres von mehreren Kugeln getroffenen Partners auf ihrem Handy aufgenommen und im Livestream verbreitet.
Bischof Hebda zitierte aus dem ersten Brief an die Korinther. "Wenn ein Teil des Körpers leidet, leiden alle anderen mit." Der Geistliche forderte alle Amerikaner auf, innezuhalten und zu versuchen, sich in die Situation der anderen zu versetzen. Der Bischof von Dallas, Kevin Farrell, wehrte sich gegen den Versuch, die Trauer über den sinnlosen Tod der Polizisten gegen die über den Tod der beiden von der Polizei erschossenen Afroamerikaner Alton Sterling und Philando Castile aufzuwiegen: "Jedes Leben zählt." Auch der Bischof von Pittsburg, David Zubick, betonte, es sei wichtig, "Brücken zu bauen und Mauern niederzureißen."
Wunsch nach klarer Positionierung
Kardinal Sean Patrick O'Malley aus Boston merkte an, es handele sich bereits um den zweiten Sommer in Folge, der von Diskussionen um den sinnlosen Tod schwarzer Männer geprägt werde. "Wenn wir dieses Problem ignorieren, verpassen wir eine Gelegenheit, es anzugehen." Die katholischen Kirchenführer äußerten sich am Vorabend der Trauerfeierlichkeiten in Dallas am Dienstag. Dazu wurde auch US-Präsident Barack Obama erwartet.
Die Führer der schwarzen Katholiken in den USA wünschten sich eine klarere Positionierung der Kirchenoberen. "Ich habe das Thema noch nicht genügend auf dem Radar der Bischöfe gesehen", betonte Kenneth Taylor, Pfarrer an der Holy Angels Catholic Church von Indianapolis. "Es gibt Teile in der katholischen Kirche, die dort nicht so gerne hinschauen." Der katholische Aktivist und Seelsorger Michael Pfleger von der St.-Sabina-Kirche in Chicago sagte ebenfalls, dies sei die Zeit, laut und klar Position zu beziehen. "Wir dürfen nicht ruhig sein, weil die Kirche sonst irrelevant zu werden droht."