Obama wirbt in Lateinamerika für gemeinsame Werte und Geschäfte

Krieg überschattet Charmeoffensive

Schon vor der ersten Reise nach Lateinamerika Barack Obamas stand es um das Verhältnis zwischen den USA und Subkontinent nicht zum Besten. Die Illusionen über einen Neuanfang nach der Ära Bush haben sich inzwischen auch zerschlagen.

Autor/in:
Gerhard Dilger
 (DR)

Das Timing für die erste Lateinamerikareise von Barack Obama war denkbar ungünstig: In Brasília gab der US-Präsident am Samstag den Einsatzbefehl für die Luftangriffe auf Libyen. Seine brasilianische Amtskollegin Dilma Rousseff wollte gerade mit ihrem Gast anstoßen, als die Nachricht vom ersten Angriff in die feierliche Runde platzte.



Tags darauf pries Obama Brasiliens "blühende Demokratie" als Vorbild für die arabische Welt. Doch aus Angst vor Straßenprotesten fand seine mit Komplimenten gespickte Rede "an das brasilianische Volk" nicht wie geplant im Freien statt, sondern im prunkvollen Stadttheater. Selbst die Übertragung auf einer Großeinwand wurde abgesagt, Spezialeinheiten der Polizei hielten Hunderte von Demonstranten auf Distanz.



Das neoliberal regierte Chile, wo er am Montag erwartet wurde, lobte der US-Präsident vorab in einem Zeitungsinterview als "Modell für die Region und die Welt". Dort wollte er seine Vision für den Kontinent vorstellen, das "Konzept einer gleichberechtigten Partnerschaft", das er seit Beginn seiner Amtszeit verfolge. Das zentralamerikanische El Salvador bildet am Mittwoch den Abschluss seiner Reise.



Keine handfesten Ergebnisse

Auch wenn Obama und seine Familie in Brasilien durch Charme und Eleganz beeindruckten: Handfeste Ergebnisse gab es keine. So macht sich die südamerikanische Regionalmacht seit Jahren für die Erweiterung des UN-Sicherheitsrates stark und möchte dort ständiges Mitglied werden - wie Indien. Doch während Obama den indischen Wunsch klar unterstützt, beließ er es in Brasília bei einem vagen "Wohlwollen".



"Wir hätten uns einen deutlicheren Rückhalt gewünscht", sagte Rousseffs außenpolitischer Berater Marco Aurélio Garcia. Am Ende ihres "herzlichen und ehrlichen" Gesprächs mit Obama habe die Präsidentin ein "emphatisches Plädoyer" für den Frieden und diplomatische Konfliktlösungen gehalten.



In der vergangenen Woche hatte sich Brasilien bei der Abstimmung über die UN-Resolution zur Intervention in Libyen enthalten - wie Russland, China, Indien und Deutschland. Damit knüpft Rousseff an die Linie ihres Vorgängers Luiz Inácio Lula da Silva an.



2010 erreichten die Beziehungen zwischen Brasilien und den USA einem Tiefpunkt. Obama hatte Lula grünes Licht für einen Vermittlungsversuch im iranischen Atomkonflikt gegeben. Doch als Teheran tatsächlich auf die gewünschte Verpflichtung zu einer Urananreicherung im Ausland einging, machte Washington einen Rückzieher, Lula war blamiert. Demonstrativ blieb er jetzt dem Mittagessen zu Ehren Obamas fern.



Lateinamerika bleibt in seiner traditionellen Rolle

Überhaupt haben sich auf dem Subkontinent die Illusionen über einen Neuanfang nach der Ära Bush zerschlagen. Dass der US-Präsident erst in seinem dritten Amtsjahr in den Süden reist, schürt dieses Gefühl. Eine politische Strategie für Lateinamerika habe Washington nicht, sagt der US-Experte Riordan Roett: "Man nimmt sich Zeit für Mexiko und Kuba, und ein bisschen für Venezuela."



So bleibt Lateinamerika die traditionelle Rolle als Markt und Rohstofflieferant. "In dem Maß, in dem diese Märkte wachsen, wächst auch ihre Nachfrage für Güter und Dienstleistungen", schrieb Obama in der Tageszeitung "USA Today". "Als Präsident möchte ich sehen, dass diese Güter und Dienstleistungen in den USA hergestellt werden."



Im Fall Brasilien bedeutet das: US-Firmen wollen sich an Infrastrukturprojekten für die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016 beteiligen. Außerdem will Washington mittelfristig Erdöl aus den riesigen Vorkommen vor Brasiliens Atlantikküste beziehen. Brasilianische Agrarexporte werden hingegen nach wie vor mit hohen Zöllen vom US-Markt ferngehalten. Brasiliens Handelsbilanz mit den USA wies im vergangenen Jahr ein Defizit von acht Milliarden Dollar auf.



"Ich sehe unsere gemeinsame Zukunft sehr optimistisch", sagte Dilma Rousseff dennoch am Ende ihrer Begrüßungsrede diplomatisch. Bestimmt fügte sie hinzu: Eine Allianz - "vor allem, wenn sie strategisch sein soll" - könne aber nur gemeinsam und auf Augenhöhe entwickelt werden.