Obama setzt auf einen Theologen als Botschafter im Vatikan

Brückenbauer aus Washington

Mit einer ungewöhnlichen Entscheidung will US-Präsident Barack Obama die deutlich sensibler gewordenen Beziehungen zum Vatikan auf einen sicheren Kurs bringen: Beim Heiligen Stuhl lässt er sich künftig von dem katholischen Theologen Miguel Diaz vertreten. Es ist das erste Mal, dass ein Akademiker dieses Fachs auf den Diplomatenposten kommt.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Sein künftiger Counterpart, Nuntius Pietro Sambi in Washington, sprach von einer "exzellenten" Wahl - Diaz sei eben nicht nur mit den Vereinigten Staaten ausgezeichnet vertraut, sondern auch mit der katholischen Kirche.

Vertrautheit mit dem Terrain ist auch vonnöten. Seit dem Amtsantritt Obamas beobachtet die katholische Leitung mit Sorge den liberaleren Regierungskurs in Sachen Lebensschutz. Die im März verfügte Aufhebung von Forschungsbeschränkungen für Experimente mit embryonalen Stammzellen wertete man im Vatikan als Entscheidung mit Symbolgehalt. Dass der neue Präsident in der Bioethik mehr Spielraum gewähren will als sein Vorgänger George W. Bush, steht außer Frage..

Vor diesem Hintergrund keimten zeitweilig Gerüchte um eine von Washington gewollte und vom Vatikan abgelehnte Ernennung Caroline Kennedys als Botschafterin. Die Tochter des ersten katholischen US-Präsidenten John F. Kennedy hat unter anderem in Abtreibungsfragen eine liberale Haltung. Sowohl das Weiße Haus als auch der Heilige Stuhl dementierten. Offenbar war an den Spekulationen nichts dran - schließlich soll der Diplomatenaustausch der Verbesserung der Beziehungen dienen und nicht der Provokation.

"Brücke zwischen unserer Nation und dem Heiligen Stuhl"
So sieht auch Diaz in einer ersten Stellungnahme seine Aufgabe als "Brücke zwischen unserer Nation und dem Heiligen Stuhl". Seine Nominierung fiel mit den Feierlichkeiten in Washington zum 25-jährigen Bestehen formeller diplomatischer Kontakte mit dem Vatikan zusammen. Jetzt soll der aus Kuba stammende 45-jährige Theologe, seit 2004 Professor an der Saint John's University und am College of Saint Benedict in Minnesota, die Beziehungen in ein zweites und gutes Vierteljahrhundert geleiten.

Diaz ist systematischer Theologe wie Benedikt XVI. Als Spezialgebiet hat er sich die Trinitätslehre erarbeitet. Er gilt nicht nur als einer der herausragenden hispanischen US-Theologen, sondern auch als solider Kenner Karl Rahners - was ihn nebenbei dazu befähigt, die wissenschaftlichen Arbeiten Joseph Ratzingers im Original zu studieren. Seine akademischen Sporen verdiente sich Diaz an der Universität von Notre Dame in Indiana - dieselbe, die Obama vor zwei Wochen einen juristischen Ehrendoktor verlieh. Bei dem akademischen Festakt bekannte sich der Präsident zu einem Recht auf Abtreibung und wurde dafür mit Pfiffen und Buh-Rufen einiger Lebensschutz-Aktivisten im Publikum bedacht.

Konservative reagieren vorsichtig optimistisch
Konservative Katholiken in den USA reagierten vorsichtig optimistisch auf die Wahl von Diaz. Obama habe sich für einen Mann entschieden, dessen Publikationen "keine heißen Eisen wie Abtreibung, Forschung an embryonalen Stammzellen, ärztlich assistierten Suizid und Homo-Ehen thematisieren", sagte Bill Donohue, Präsident der konservativen Katholischen Liga.

"Beunruhigend" sei nichtsdestoweniger Diaz Agieren als Mitglied von Obamas Beraterstab. Dort hatte sich der Theologe für die katholische Gouverneurin von Kansas, Kathleen Sebelius, als neue Gesundheitsministerin stark gemacht. Lebensschützern warfen ihr vor, dass sie sich in ihrem Staat nicht für ein umfassendes Abtreibungsverbot eingesetzt hatte.

Sohn eines Kellners und einer Telefonistin
Über eine diplomatische Ausbildung, die ihm in seiner heiklen Mission helfen könnte, verfügt Diaz ebenso wenig wie seine Vorgängerin, die Harvard-Juristin Mary Ann Glendon. Dennoch ist Diaz in Vermittlungen geübt: Vor dem Hintergrund seiner kubanischen Herkunft - er wurde als Sohn eines Kellners und einer Telefonistin in Havanna geboren und verbrachte seine Jugend in Miami in Florida - engagiert er sich publizistisch und an seiner Hochschule für ein Miteinander der Kulturen in Gesellschaft und Kirche.

Unterstützt wird er dabei von seiner Frau Marian, die ebenfalls promovierte Theologin ist, und mit der er vier Kinder hat. Möglicherweise wird noch vor der Ankunft der Familie Diaz in Rom Obama persönlich seinen neuen Botschafter beim Papst avisieren. Es gilt als nicht unwahrscheinlich, dass der US-Präsident im Umfeld des G8-Gipfels im Juli eine Stippvisite im Vatikan unternimmt.