NS-Gegner Jägerstätter seliggesprochen

Totgeschwiegen und geschmäht

Ausgerechnet am Nationalfeiertag: Als am Freitag im österreichischen Linz der NS-Gegner Franz Jägerstätter seliggesprochen wurde, war das auch ein politisches Signal. Erstmals erhob die katholische Kirche einen Mann zur Ehre der Altäre, der aus Gewissensgründen den Dienst in Hitlers Wehrmacht verweigerte und dafür mit dem Leben bezahlen musste.

Autor/in:
Christian Feldmann
 (DR)

Lange wurde er totgeschwiegen, verleugnet oder als Feigling geschmäht, der Familie und Vaterland verraten habe. Weder die Kirche noch die deutsche und österreichische Politik haben sich im Umgang mit dem Schicksal Jägerstätters mit Ruhm bekleckert. Heute ist der Landwirt aus dem Innviertel der wohl berühmteste Nazi-Gegner seiner Heimat und damit auch ein Gegenbild zum vor wenigen Monaten gestorbenen ehemaligen Bundespräsidenten Kurt Waldheim, dessen Wehrmachtsvergangenheit Österreich eine heftige Debatte über die NS-Zeit eingebrockt hatte.

Narr, Fanatiker oder Symbol für Zivilcourage und Heiliger? Nur unweit von Hitlers Geburtsort Braunau war Jägerstätter 1907 in dem Dorf Sankt Radegund zur Welt gekommen. Am 9. August 1943 wurde er im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet, weil er den Kriegsdienst aus religiöser Überzeugung verweigerte und nicht an der Erhaltung eines gottlosen Systems mitwirken wollte.

Eine einsame Entscheidung, die ihm auch nach dem Ende der NS-Herrschaft nur selten positiv ausgelegt wurde. Da Jägerstätter nicht als Widerstandskämpfer anerkannt wurde, bekam seine Frau erst 1950 eine Witwenrente nach dem österreichischen Kriegsopferfürsorgegesetz. Jägerstätter sei "schwermütig" gewesen, hieß es in der Begründung der oberösterreichischen Landesregierung von 1948. Er habe zwar den Nationalsozialismus abgelehnt, aber deswegen nicht notwendig für ein "freies demokratisches Österreich" gekämpft.

Erst nach heftigen Auseinandersetzungen wurde der Name Franz Jägerstätter unter die Toten des Zweiten Weltkriegs auf dem Kriegerdenkmal von Sankt Radegund aufgenommen. Und es blieb nicht ohne Proteste, als ihn 1993 die österreichische Post durch eine Sondermarke ehrte. Auch in Deutschland brauchten Politik und Justiz lange, bis sie die Opfer der NS-Justiz rehabilitierten.

Erst 1997 hob das Landgericht Berlin das Todesurteil des Reichskriegsgerichts gegen Jägerstätter formell auf. Der überzeugte Katholik wurde damit zum ersten posthum begnadigten österreichischen Kriegsdienstverweigerer der NS-Zeit. Ein Jahr später kassierte der Bundestag dann formell alle Unrechtsurteile der NS-Militärjustiz. Vier Jahre später beschloss das Parlament auch eine pauschale Rehabilitierung bei Tatbeständen wie Desertion oder angeblicher Feigheit. Das österreichische Parlament rehabilitierte die NS-Gegner aus Gewissensgründen 2005.

Zögern und Widerstände auch in der katholischen Kirche: Schon der Linzer Kapitularvikar und spätere Bischof Josef Fließer hatte Jägerstätter mit Blick auf seine Verantwortung gegenüber seiner Frau und seinen drei kleinen Kindern geraten, in den Krieg zu ziehen. Außerdem sprach er ihm die Kompetenz ab, zu entscheiden, ob es sich um einen ungerechten Krieg handle.

Und noch kürzlich erklärte der ranghohe katholische Heeres-Seelsorger Siegfried Lochner in einem rechtsgerichteten Wochenblatt, Jägerstätter sei "ein bedauernswertes Opfer seines irrenden Gewissens, das heute politisch instrumentalisiert wird". Dagegen verteidigte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn den Landwirt als einen "Märtyrer des Gewissens".

Für die katholische Friedensbewegung Pax Christi sind diese innerkirchlichen Widerstände nicht überraschend. "Die katholische Kirche ehrt einen Menschen, dem sie in der Zeit des Zweiten Weltkriegs jede Unterstützung für seine Gewissensentscheidung versagt hat", sagt der Generalsekretär der deutschen Sektion, Reinhard Voß. Die Seligsprechung Jägerstätters konfrontiere die Kirche neu mit der Frage, welche Rolle sie zwischen 1933 und 1945 eingenommen habe.

Von KNA-Redakteur Christoph Arens