NRW-Minister fürchtet Bedeutungsverlust von Kirchen

"Brauche ich für den Glauben noch die Kirche?"

Der NRW-Landesminister Karl-Josef Laumann ist ein Repräsentant des politischen Katholizismus. Jetzt wurde er mit dem Ordo-socialis-Preis ausgezeichnet. In seiner Arbeit bezieht er sich explizit auf die christliche Soziallehre.

Hat ein differenziertes Bild von Familie: Karl-Josef Laumann / © Jonas Güttler (dpa)
Hat ein differenziertes Bild von Familie: Karl-Josef Laumann / © Jonas Güttler ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was bedeutet Ihnen für Ihre Arbeit der christliche Glaube?

Karl-Josef Laumann (Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen): Der Glaube ist die Grundlage für meine politische Arbeit. Meine ganze Denke ist nach meinem Glauben gestrickt. Die christlichen Werte wie die Würde des Menschen, dass der Mensch ein freies Wesen ist, dass es die Werte wie Solidarität und Subsidiarität gibt, die ganze christliche Soziallehre, all das habe ich durch meine katholische Sozialisierung verinnerlicht. Das sind alles Dinge, die mit meiner politischen Arbeit zusammenhängen.

Daraus leitet sich auch das Menschenbild ab, aus dem heraus ich Politik betreibe. Ich glaube, dass ich sagen darf, dass ich mich sehr bemühe, aus dem christlichen Menschenbild heraus Politik zu gestalten. Und dazu gehört auch, wie ich finde, dass ein Politiker die Eigenschaft haben muss, dass er schlicht und ergreifend die Menschen mag.

DOMRADIO.DE: Sie haben gerade den Ordo-Socialis-Preis verliehen bekommen. Der wurde schon Verfassungsrechtlern, Unternehmern oder dem ehemaligen Caritas-Präsidenten Rodriguez Maradiaga verliehen. Was bedeutet es für Sie, diesen Preis verliehen zu bekommen?

Laumann: Ich freue mich darüber, dass man daran gedacht hat, mal einen christlich-sozialen Politiker auszuzeichnen. Das ist nicht nur für mich, sondern für die ganze christlich-soziale Bewegung, die ja viel im Land gestaltet hat und zahlenmäßig nie groß war, eine schöne Auszeichnung. Dafür bin ich sehr dankbar.

Karl-Josef Laumann

"Ich glaube, dass unsere Gesellschaft am Ende sehr, sehr viel ärmer wäre, wenn es keine starken Kirchen mehr gäbe"

DOMRADIO.DE: Macht es Ihnen Sorgen, dass die Kirche zunehmend an Bedeutungsverlust leidet?

Laumann: Das macht mir große Sorgen. Ich bin ja noch ein Kind, das in der Heimat die große Volkskirche erlebt hat, volle Kirchen erlebt hat, große Prozessionen - wie an Fronleichnam - erlebt hat. Das gehörte einfach dazu. Auf der einen Seite sehe ich ja wie sich das entwickelt hat, auf der anderen Seite glaube ich, dass die Menschen immer noch fest an den Lieben Gott glauben. Was sich geändert hat, ist die Frage: Brauche ich für den Glauben noch die Kirche? Brauche ich für dafür die Institution, die wir heute Kirche nennen? Ich denke, dass die Kirche da umsteuern muss.

Aber wir Gläubigen, die Kirche wir sind, müssen auch für unseren Glauben einstehen und nicht sagen 'Glaube ist Privatsache' oder ich gehe ein, vielleicht zweimal im Monat zur Messe, das muss ja jeder selber wissen'. Ich finde, man muss auch in seinem Umfeld dafür werben. Dass es wichtig ist, dass es eine Institution wie die Kirche gibt. Ich glaube, dass unsere Gesellschaft am Ende sehr, sehr viel ärmer wäre, wenn es keine starken Kirchen mehr gäbe. Und das gilt sowohl für die katholische Kirche als auch für die evangelische.

DOMRADIO.DE: Woran machen Sie das fest?

Laumann: Ich denke an die gute Arbeit, die katholische Schulen machen, die evangelische Schulen machen, ich denke an die gute Arbeit unserer Krankenhäuser. In Nordrhein-Westfalen haben zwei Drittel unserer Krankenhäuser einen kirchlichen Hintergrund. Man spürt, wenn man da reinkommt, da herrscht ein anderer Geist, ein guter Geist, für die kranken Menschen.

Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass die beiden Kirchen die mit Abstand größten Kindergartenträger Nordrhein-Westfalens sind. Da wird guter Kindergarten gemacht, mit christlicher Tradition und christlichen Festen. Ich finde es einfach wichtig, dass Kinder wissen, wer Sankt Martin war, dass sie wissen, was Allerheiligen ist, dass sie die religiöse Dimension von Weihnachten, Ostern und Pfingsten kennen. Da ist die Kirche mit ihren Einrichtungen ein großer Schatz. Und ich hoffe, dass die Kirche in der Lage bleibt, auch für die nächsten Generationen in diesem Umfang tätig zu sein.

DOMRADIO.DE: Was hat die Kirche Ihnen in der Kindheit mitgegeben?

Laumann: Das ist ganz einfach. Ich bin in der katholischen Kirche groß geworden. Es war eigentlich so, dass alles das, was schön war, bei uns auch mit Kirche zusammenhing. Die Kinder- und die Jugendarbeit der Kirche. Die kirchlichen Seminare, in denen ich viel über die christliche Soziallehre gelernt habe. Was bedeutet Solidarität? Was bedeutet Subsidiarität? Im Münsterland war ich damals in vielen solcher Kurse, die haben meinen Horizont erweitert. Ohne diese außerschulischen Lernorte wäre ich heute nicht da, wo ich bin.

Das Interview führte Clemens Sarholz.

Quelle:
DR