NRW-Grüne feiern ihre Gründung vor 30 Jahren

Wie aus "freundlichem Chaos" eine Regierungspartei wurde

Am Freitag feiern die Landes-Grünen ihr 30. Gründungsjubiläum. Es war eine bunte Truppe, die sich Mitte Dezember 1979 im Dörfchen Hersel bei Bonn versammelte. Aus ganz Nordrhein-Westfalen waren sehr unterschiedliche Menschen zusammengekommen, um den Landesverband zu gründen.

Autor/in:
Martin Teigeler
 (DR)

Der spätere Solar-Unternehmer Frank Asbeck war ebenso dabei wie der Künstler Joseph Beuys und die Friedensaktivistin Petra Kelly, die beide bereits verstorben sind. Bei der Party heute Abend im Düsseldorfer Savoy Theater wird auch Michael Vesper dabei sein - der Grünen-Politiker war zwischen 1995 und 2005 Landesminister in NRW. Seit 2006 ist er Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).

Nach Hersel kam der damals in Bielefeld lebende Vesper als junger Kommunalpolitiker. Der heute 57-Jährige erinnert sich an ein "freundliches Chaos, das wir aber nicht so empfanden" bei dem Treffen in einer Schulaula. Umweltaktivisten, Friedensbewegte, enttäuschte SPD-Anhänger, Kommunisten, sogenannte Dunkelgrüne, also eher wertkonservative Ökologen und Dritte-Welt-Gruppen berieten zwei Tage lang über den Start einer neuen Partei. Die Verpflegung kam von umliegenden rheinischen Biobauern.

"Einer der Hauptstreitpunkte war damals die Frage der Doppelmitgliedschaft", erinnert sich Vesper. "Es bedurfte langer Debatten, um zu klären, dass die neue grüne Partei keine Neben-, sondern die Hauptsache sein und jedes Parteimitglied exklusiv dieser Partei angehören sollte". Dieses "einigende Band" sei von Hersel ausgegangen. Am 16. Dezember 1979 fiel dann um 17.10 Uhr der Beschluss: der Grünen-Landesverband NRW war geboren.

1983 in den Düsseldorfer Landtag
Vesper war auch dabei, als die Grünen erstmals in den Düsseldorfer Landtag einzogen. "Obwohl wir bereits 1983 mit einem spektakulären Erfolg in den Bundestag eingezogen waren, schafften wir es erst 1990 ganz knapp mit 5,0 Prozent der Stimmen und 4399 Stimmen Vorsprung in den Landtag", sagt der Ex-Landesminister für Städtebau, Wohnen, Sport und Kultur.

Dass die Grünen im bevölkerungsreichsten Bundesland also erst relativ spät Erfolge feierten, "lag auch an Johannes Rau", sagt Vesper rückblickend. Während der frühere SPD-Kanzler Helmut Schmidt die Grünen "auf Bundesebene mit seiner arroganten Haltung gegenüber der neuen Umweltbewegung erst richtig stark gemacht hat, regierte Rau in NRW als väterlich-gütige Integrationsfigur".

1995 verlor der damalige SPD-Ministerpräsident Rau die absolute Mehrheit - und musste fortan mit den Grünen regieren. Zehn Jahre lang stellten die Grünen zwei Kabinettsmitglieder. Neben Vesper war dies Umweltministerin Bärbel Höhn.

Seit dem Ende von Rot-Grün sitzt die Ökopartei wieder auf den Oppositionsbänken im Landtag. Vesper glaubt an ein Comeback bei der Landtagswahl am 9. Mai: "Die schwarz-gelbe Landesregierung wird es schwer haben, noch einmal eine eigene Mehrheit zu gewinnen." Dies liege auch am "chaotischen Start" der schwarz-gelben Bundesregierung. "Gegenüber dieser Dreier-Beziehungskiste nehmen sich die rot-grünen Regierungen in Bund und Land als Ausbund reiner Harmonie an - und das, obwohl wir damals vor schwierigsten Entscheidungen standen", sagt Vesper.

Auch Enttäuschte sind geblieben
Der Wandel von der chaotischen Basisbewegung zur Regierungspartei und nun wieder immerhin zur nicht ganz aussichtslosen Möchtegern-Regierungspartei hat allerdings bei den NRW-Grünen Enttäuschte hinterlassen. Der aus dem Ruhrgebiet kommende Ex-Parteichef Ludger Volmer etwa warf den Grünen unlängst vor, ihr sozialpolitisches Profil verloren zu haben und nur noch eine "Art grüne FDP" zu sein.

Grünen-Landeschefin Daniela Schneckenburger zieht hingegen ein anderes Zwischenfazit nach drei Jahrzehnten. "Die Grünen haben die Gesellschaft an vielen Punkten verändert, ob in der Regierung oder in der Opposition", sagt sie. "Stärkung der Umweltpolitik, Stärkung von Frauenrechten, Einsatz für Bürgerrechte, Aufbrechen verkrusteter politischer Strukturen" - dies seien "sichtbare Spuren grüner Politik" in der Gesellschaft.

Nach dem Feiern steht für die NRW-Grünen bereits Anfang Februar wieder der politische Alltag an. Auf einem Landesparteitag in Essen werden dann lebhafte Debatten über eine Koalitionsaussage für die Landtagswahl am 9. Mai erwartet.