Nikolaus von Myra im schweizerischen Freiburg sehr beliebt

Auch die Türkei interessiert sich für die Reliquien

Der Schweizer Nationalheilige ist Bruder Klaus. Doch auch der heilige Nikolaus von Myra wird hier verehrt - etwa in Freiburg. Vor Jahren sorgten dessen Reliquien für Schlagzeilen, weil die Türkei sie zurückhaben wollte.

Autor/in:
Regula Pfeifer
Ein als Heiliger Nikolaus verkleideter Mann bei einem Umzug / © Harald Oppitz (KNA)
Ein als Heiliger Nikolaus verkleideter Mann bei einem Umzug / © Harald Oppitz ( KNA )

"Kein Anlass bringt hier so viele Menschen auf die Straße wie die Nikolausfeier", sagt der Freiburger Domherr Claude Ducarroz. Und stellt sofort klar: "Die Reliquie des heiligen Nikolaus gehört uns".

Er sitzt in einer Kirchenbank der Kathedrale in der französischsprachigen Schweiz und erzählt von der verquickten Geschichte der zweisprachigen Kleinstadt und ihres Stadtheiligen.

Wichtige Rolle in Freiburg

Der heilige Nikolaus spielt bis heute eine wichtige Rolle in Freiburg - bei einem großen Volksfest. Tausende versammeln sich am ersten Dezembersamstag, wenn der weiß gekleidete Heilige auf dem Esel durch die Straßen zieht und den Kindern das Süßgebäck "Saint-Nicolas" zuwirft. Seine schwarz gekleideten und geschminkten Begleiter drohen hingegen mit der Rute.

Ein als Heiliger Nikolaus verkleideter Mann / © Harald Oppitz (KNA)
Ein als Heiliger Nikolaus verkleideter Mann / © Harald Oppitz ( KNA )

Steht die Farbe weiß für den guten Nikolaus und schwarz für die bösen "Schmutzli-Männer", wie der Knecht Ruprecht und sein Gefolge in der Schweiz heißen? "Das wirkt etwas rassistisch", gibt der Domherr zu bedenken. Protest gegen die traditionelle Farbgebung habe sich bisher nicht geregt. Darüber diskutiert worden sei aber schon.

Den heiligen Nikolaus spielt jeweils ein Gymnasiast des Sankt Michaelskollegiums. Das Kollegium habe die Tradition 1906 wieder aufleben lassen, weiß Ducarroz. Entstanden war die Prozession einst unter den Jesuiten, die auch die Kantonsschule gründeten. Die Ordensmänner hätten den Glauben mit Theaterdarbietungen und Umzügen verbreiten wollen - als Mittel der Gegenreformation.

Ducarroz hat eine besondere Beziehung zu Nikolaus, hat der doch als früherer Dompropst die Reliquie des heiligen Nikolaus verteidigt. Im Januar 2013 verlangte die Türkei, die Reliquie an ihren Ursprungsort zurückzugeben. "Ich habe sofort Nein gesagt", erinnert sich Ducarroz.

Die Gebeine des Freiburger Stadtheiligen für eine touristische Attraktion herzugeben, kam für ihn nicht infrage. "Die Türkei plante ein Museum über den heiligen Nikolaus."

Nikolaus lebte im antiken Myra

Der lebte im 3. und 4. Jahrhundert nach Christus im antiken Myra, auf dem Gebiet der heute türkischen Stadt Demre. "Er war 325 am ökumenischen Konzil von Nicäa beteiligt", weiß Ducarroz. Das sei die einzige halbwegs gesicherte Information über den damaligen Bischof. "Alles andere sind Legenden."

Deckengemälde des heiligen Bischofs Nikolaus aus Myra in Frankreich / © Loeaus (KNA)
Deckengemälde des heiligen Bischofs Nikolaus aus Myra in Frankreich / © Loeaus ( KNA )

Und diese erzählen von Wohltätigkeit und Wunderwirken. Zwei von ihnen sind in der Kathedrale dargestellt. Im mit Gittern abgesperrten Chorgestühl zeigt eine Holzschnitzerei Bischof Nikolaus und drei Kinder. Der Legende nach waren sie von einem Metzger getötet worden.

Nikolaus habe sie wieder zum Leben erweckt. "Deshalb gilt der heilige Nikolaus als Freund der Kinder", sagt Ducarroz.

Über einem Seitenportal der Außenfassade sind unter dem Heiligen auch jene drei Frauen in den Stein gehauen, die Nikolaus von der Prostitution befreit haben soll, erklärt der Domherr. "Jede Frau hat ein Goldstück in der Hand." Ein Geschenk des Heiligen, damit sie - dank Mitgift - von der Prostitution freikamen und heiraten konnten.

Schutzpatron der Seefahrer und Kaufleute

Vor allem aber wurde Nikolaus als Schutzpatron der Seefahrer und Kaufleute verehrt. Deshalb wohl hätten sich die Händler der italienischen Hafenstadt Bari 1087 aufgemacht, um die Reliquien aus Myra zu holen - sprich zu rauben, sagt Ducarroz. "Heute noch befinden sich die Hauptreliquien des Sankt Nikolaus in der Dominikanerkirche in Bari", weiß der Kirchenmann. "Von dort wurden sie verteilt." Ein Reliquienteil landete schließlich in Freiburg.

Traditionell wird am 1. Samstag im Dezember ein populäres Stadtfest zu Ehren des Heiligen Nikolaus, dem Stadtpatron von Freiburg im Uechtland, gefeiert / © Andrea Krogmann (KNA)
Traditionell wird am 1. Samstag im Dezember ein populäres Stadtfest zu Ehren des Heiligen Nikolaus, dem Stadtpatron von Freiburg im Uechtland, gefeiert / © Andrea Krogmann ( KNA )

"Die Nikolaus-Verehrung war in der Region stark verbreitet", weiß der Geistliche. Das habe mit den Chorherren des Großen Sankt Bernhard zu tun, die große Nikolaus-Verehrer gewesen seien. Die Gemeinschaft sei für viele Freiburger Pfarreien zuständig gewesen. "Ein Abt des Klosters Hauterive pilgerte 1405 nach Italien und brachte eine Nikolaus-Reliquie mit", berichtet Ducarroz. Die Reliquie befand sich zunächst im Kloster unweit von Freiburg.

Die Stadt habe daraufhin den Papst gedrängt, sie brauche eine Nikolaus-Reliquie für die Verehrung ihres Schutzpatrons. "Da hat der damalige Papst Julius II. das Kloster gezwungen, die Nikolaus-Reliquie an die Stadt abzutreten", so Ducarroz. 1506 war die Überführung. 1514 war das Reliquiar fertiggestellt, in dem die Reliquie seither ruht.

Die Reliquie des heiligen Nikolaus befindet sich in der Heilig-Grab-Kapelle in der Kathedrale, rechts des Haupteingangs. Und zwar in einem Reliquiar in einer Wandnische - geschützt durch ein dickes Metallgitter. Zwei weitere benachbarte Wandnischen enthalten je ein weiteres Reliquiar. Alle Reliquiare haben die Form einer Hand.

Die Hand des heiligen Nikolaus mache eine Segensgeste, wird auf dem Schild daneben erklärt. Die Hand rechts davon ist schreibend dargestellt - sie "gehört" dem Heiligen Petrus Canisius, der als Begründer des Jesuitenkollegs Sankt Michael gilt. Die Hand ganz rechts enthält Reliquien des Heiligen Niklaus von Flüe. Der Nationalheilige wird in Freiburg besonders verehrt, weil er eine wichtige Rolle beim Beitritt Freiburgs zur Eidgenossenschaft 1481 gespielt haben soll.

Der heilige Nikolaus ist an mehreren Stellen im Dom der Stadt verewigt; Claude Ducarroz kennt sie alle. Am prominentesten ist er über dem Hauptportal vertreten - wenn auch eher als kleine Figur. Als Relief findet er sich im Taufstein wieder, als Glasmalerei in einem hohen Chorfenster. Zwei weitere Nikolaus-Figuren zieren ein hölzernes Seitenportal. Links steht der prunkvoll gekleidete Bischof mit goldenem Stab, rechts der einfach und weiß gewandete Einsiedler.

Große Figur der Frömmigkeit in den orthodoxen Kirchen

Nikolaus sei auch "eine große Figur der Frömmigkeit in den orthodoxen Kirchen", sagt Ducarroz. Er sei in den Kirchen jeweils gleich neben den Aposteln zu finden. Immer wieder pilgern deshalb christlich-orthodoxe Gruppen in die Kathedrale von Freiburg. Sie gestalten eigene Feiern zu Ehren des heiligen Nikolaus. "Wir stellen ihnen dafür das Reliquiar gerne zur Verfügung", sagt der Domherr.

Ein Mann ist in ein weißes Nikolauskostüm gekleidet und verteilt Lebkuchen bei einem Nikolaus-Umzug in Fribourg (Schweiz) / © Andrea Krogmann (KNA)
Ein Mann ist in ein weißes Nikolauskostüm gekleidet und verteilt Lebkuchen bei einem Nikolaus-Umzug in Fribourg (Schweiz) / © Andrea Krogmann ( KNA )

Einmal hat er sogar kleine Teile der Reliquie verschenkt: eines an den orthodoxen Bischof von Minsk und Slutsk in Belarus, ein anderes an die orthodoxe Pfarrei in Freiburg, die mit dem Patriarchen von Konstantinopel verbunden ist. Das war im Dezember 2006, als das 500-Jahr-Jubiläum der Nikolaus-Reliquie in der Kathedrale gefeiert wurde.

Nach dem Gespräch zieht sich der emeritierte Dompropst ins Chorherrenhaus zurück. Ducarroz deutet auf das steinerne Chorherren-Wappen über dem Eingang. Auch hier lässt der heilige Nikolaus noch einmal grüßen: Auf dem Wappen ist das Hand-Reliquiar des Heiligen dargestellt.

Heiliger Nikolaus

Nikolaus ist einer der am meisten verehrten Heiligen der Christenheit. In der katholischen Kirche wird er häufig als "Nothelfer" angerufen; die orthodoxen Christen bezeichnen ihn als "Wundertäter". Von der historischen Person gilt nur als sicher, dass Nikolaus im vierten Jahrhundert Bischof von Myra an der heutigen türkischen Mittelmeerküste war. Seine Reliquien werden in der süditalienischen Hafenstadt Bari verehrt.

Nikolaus im Kindergarten / © Harald Oppitz (KNA)
Nikolaus im Kindergarten / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA