Nikodemus Schnabel wird an Pfingsten zum Abt geweiht

"Ein ganz neuer Abschnitt"

Nach 20 Jahren in Jerusalem wird der Benediktinermönch Nikodemus Schnabel am Pfingstsonntag zum neuen Abt der Dormitio-Abtei geweiht. Schon jetzt ist er ziemlich aufgeregt, wie er in der neuen Folge des "Himmelklar" Podcasts erklärt.

Nikodemus Schnabel, Abt der Benediktinerabtei Dormitio / © Andrea Krogmann (KNA)
Nikodemus Schnabel, Abt der Benediktinerabtei Dormitio / © Andrea Krogmann ( KNA )

Dies ist ein Auszug der aktuellen Folge des Podcasts "Himmelklar". Das komplette einstündige Interview zum Anhören gibt es hier:

Himmelklar: Die Abtsweihe ist ja nicht offiziell eine Weihe, wie es bei einem Bischof wäre. Es ist eher eine Art Segen. Wie unterscheidet sich das von der Bischofsweihe und warum ist es ein Ritus, der in eine ähnliche Richtung geht? 

Abt Nikodemus Schnabel OSB (Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem): Eine "Weihe" im Deutschen kann im Lateinischen alles Mögliche sein. Es kann eine Benedictio (Segnung) sein, eine Dedicatio (Widmung), eine Consecratio (Konsekration) oder eine Ordinatio (Weihesakrament). Im Lateinischen gibt es da sprachlich und liturgisch eine große Unterscheidung.

Bei der Äbtissin und beim Abt ist das eine Benedictio. Beim Bischof ist es eine Consecratio - obwohl es eigentlich auch eine Ordinatio ist. Rein dogmentheologisch ist die Bischofsweihe ein Sakrament und gehört zum dreigestuften Amt: Diakon, Presbyter und Bischof. Und ich bleibe Priester, ich bleibe Presbyter. Auch nach der Abtsweihe bleibe ich unverändert Presbyter und werde dadurch nicht zum Bischof.

Was vielleicht irritiert: Der Unterschied zu einer Bischofsweihe ist nicht sofort erkennbar. Ich bekomme eine Mitra aufgesetzt, ich bekomme einen Stab und einen Ring angesteckt. Das ähnelt alles. Es gibt auch ein sehr feierliches und wunderschönes Weihegebet und eine Allerheiligenlitanei davor, zu der ich ausgestreckt auf dem Boden liege.

Was formal die Abts- und Bischofsweihe unterscheidet: Ich bekomme etwas, was der Bischof nicht bekommt, nämlich die Benediktsregel überreicht. Das ist bei der Bischofsweihe nicht vorgesehen. Dafür wird man sehen, dass mir beim Weihegebet kein aufgeschlagenes Evangeliar über das Haupt gehalten wird wie beim Bischof. Und ich bekomme nicht die Hände aufgelegt.

Die Ostkirche kennt sprachlich die Unterscheidung zwischen Cheirotonie („Handauflegung“ bei den Höheren Weihen – Diakonen-, Priester- und Bischofsweihe; d. Red.) und Cheirotesie („Handerhebung“ bei Niederen Weihen; d. Red.), die Ostkirche kennt ja noch mehrere Weihen, die wir im Westen gerade erst wiederentdecken, wenn man etwa an Jungfrauenweihen und Witwenweihen denkt. Da gibt es die sakramentale Weihe, wo die Hände aufgelegt werden – und es gibt die, wo die Hände erhoben werden. Das wird bei mir auch der Fall sein. Das heißt, der Patriarch wird die Hände über mich ausstrecken, aber seine Hände werden mein Haupt nicht berühren.

Ich werde auch nicht gesalbt. Mir wird nicht wie bei der Bischofsweihe mit dem Chrisam das Haupt gesalbt.

Ich bin übrigens jetzt schon voll und ganz Abt, und zwar seit der Annahme der Wahl und der offiziellen Bestätigung. Die Konsequenz aus der Abtsweihe ist, dass ich dann Pontifikalrechte bekomme. Ich werde dann ein eigenes Wappen führen. Ich werde einen Ring tragen. Das Kreuz habe ich jetzt schon, aber hinzu kommen dann noch eine Mitra und ein Stab.

In der Liturgie ist dann kaum noch unterscheidbar, ob ich als Abt pontifiziere oder ein Bischof. Ich habe keinen violetten Pileolus, aber sonst bin ich äußerlich nur schwer zu unterscheiden.

Himmelklar: Da fehlt dann aber doch etwas die Trennschärfe. Allein schon beim Begriff "Pontifikalien" steckt ja auch schon der Bischof drin.

Abt Nikodemus: Genau. Jetzt könnte man ganz geschichtlich natürlich sagen, wir haben uns ein bisschen geeinigt. Irgendwann haben mal die Bischöfe von uns den Stab bekommen, wir haben von den Bischöfen irgendwann die Mitra übernommen. Das ist übrigens auch ein Trend: Ich sehe, dass viele Äbte auf die Mitra verzichten, weil sie sagen, dass ursprünglich eigentlich der Stab das Zeichen des Abtes ist. Wie das immer so ist, wenn man so alte Privilegien hat, dann will man die auch ungern abgeben – und der Lateinische Patriarch von Jerusalem wünscht sich, dass ich eine trage.

Pater Nikodemus Schnabel

"Warum ich an der Abtsweihe schon auch festhalte und sie für wichtig halte, ist, weil sie im Gegensatz zu einer Bischofsweihe auch Frauen gespendet wird. "

Warum ich an der Abtsweihe schon auch festhalte und sie für wichtig halte, ist, weil sie im Gegensatz zu einer Bischofsweihe auch Frauen gespendet wird. Es gibt nämlich auch die Äbtissinnenweihe. Deswegen weigere ich mich etwas, die Abtsweihe herunterzuspielen. Wenn man sieht, welche Rolle auch Äbtissinnen gerade in der Geschichte hatten und dass die Kirche es durchaus kennt, dass auch Frauen feierlich echte Jurisdiktionsvollmacht übertragen bekommen und als äußere Zeichen auch einen Stab und ein Wappen. Das sind schon Zeichen, wo ich sage, wir stehen da für einen Traditionsstrang innerhalb der Kirche, der mir wichtig ist und den ich nicht kleinreden möchte.

Natürlich kann man sagen, dass diese Abtsweihe eine sehr feierliche Form der Segnung ist, aber ich merke schon, dass ich da schon mit einer Nervosität hingehe. Ich habe ordentlich Respekt vor diesem Schritt. Ich empfinde den ähnlich wie meine Profess und meine Diakonen- und Priesterweihe. Das ist emotional für mich auf derselben Ebene, auch zu wissen: Es kommt dann ein ganz neuer Abschnitt.

Der Patriarch hat mir auch gesagt: Als Abt hast du eine Grundverantwortung, eine Mitverantwortung für die Ortskirche, für die Kirche von Jerusalem. Ich bin momentan noch Mitglied der Bischofskonferenz als Patriarchalvikar. Patriarch Pizzaballa hat mir gesagt, dass er mich eigentlich auch gerne weiterhin in der Bischofskonferenz haben möchte. "Als Abt bist du auch Teil dieser Kirche. Du darfst dich da auch nicht drücken. Du bist jetzt nicht nur Vorsteher deiner Brüder, sondern du spielst auch eine Rolle in der Kirche von Jerusalem."

Da merke ich schon, das ist schon mehr als ausschließlich Oberer einer konkreten Gemeinschaft zu sein, sondern es ist auch mit einer Verantwortung verbunden, die darüber hinaus geht.

Himmelklar: Es ist also mehr als nur das Amt, obwohl es ja auch ein Amt auf Zeit ist. Es ist kein neuer Status, aber trotzdem geht es ja auf eine neue Ebene. Was bedeutet das emotional für Sie?

Pater Nikodemus Schnabel

"Es ist klar, es ist ein Amt auf Zeit. Das ist richtig. Das finde ich übrigens auch durchaus erfrischend."

Abt Nikodemus: Ich bin auch gespannt, wie es einem danach geht. Was verändert es? Ich kann es nur erahnen. Es ist klar, es ist ein Amt auf Zeit. Das ist richtig. Das finde ich übrigens auch durchaus erfrischend. Das war nicht immer so. Früher hat man Äbte auf Lebenszeit gewählt. Das ist eine Perspektive, die für eine Gemeinschaft und für mich, finde ich, nicht so ermutigend ist. Ich bin jetzt 44. Auf Lebenszeit? Da fragt man sich dann, wie viele Jahrzehnte man das denn machen soll.

In unserem Fall weiß man, dass ich auf acht Jahre gewählt bin. Ich darf dann wiedergewählt werden. Man kann einen so oft wiederwählen, wie man will – bis 75, das ist die Altersgrenze. Ich finde das sehr gut, weil es dann immer wieder Evaluierungsmöglichkeiten gibt. Aber acht Jahre sind auch durchaus eine Zeit, die man auch füllen muss. Das ist nicht nur mal so ein Projekt, das ist ja schon wirklich ein wichtiger Abschnitt meines Lebens. Ich habe das Gefühl, dass es ein Amt mit einer gewissen Öffentlichkeit ist. Und ich glaube, das ist es, was die Abtsweihe will, was ja auch die Ehe oder andere öffentliche Feiern wollen.

Man sagt, dieser Mönch hat hier im Kloster eine väterliche Leitungsfunktion und der ist bekannt. Das macht ja auch bewusst der Bischof der Ortskirche. Der segnet gewissermaßen die demokratische Wahl meiner Brüder öffentlich ab und gibt mir damit auch die Bestätigung der Ortskirche. Und der Patriarch sagt: Ja, diesen Abt akzeptiere ich ganz feierlich, und der steht an meiner Seite. So empfinde ich das auch, dass ich als Abt durchaus auch Teil des Beratungsstabs des Patriarchen bin. Ich habe den Eindruck, das erwartet er auch sehr konkret von mir – und da habe ich auch Lust zu.

Himmelklar: Jetzt haben wir gerade eben schon die Pontifikalien angesprochen. Sie haben ein Kreuz, das Sie von Ihrem Vorgänger überreicht bekommen haben. Dann kommen noch der Ring, die Mitra und der Stab dazu. Wo bekommt man so etwas eigentlich her? Das kann man sich ja schlecht einfach in einem Kaufhaus besorgen.

Abt Nikodemus: Das ist eine spannende Frage, die ich mich vorher natürlich auch nie gefragt habe. Das Gute ist: Bei den Kreuzen gibt es bei uns eine Schatulle, die vom Vorgänger zum Nachfolger übergeben wird. Ich meine, unser Kloster gibt es ja auch bald schon 120 Jahre.

Ich habe sogar eine kleine Auswahl an verschiedenen Kreuzen. Deswegen lasse ich mir jetzt auch kein eigenes Kreuz machen. Das kann sicher irgendwann mal kommen, aber da ist jetzt kein Druck da. Ich trage jetzt einfach Kreuze meiner Vorgänger. Jetzt gerade in der Osterzeit ist das eines, wo das Osterlamm drauf ist.

Himmelklar: Das heißt, man kann die dann auch auswechseln?

Abt Nikodemus: Ich habe tatsächlich sechs verschiedene Kreuze bekommen. Ich wechsele die auch – gerade am Anfang habe ich die sehr oft durchgewechselt. Man muss auch gucken, was der eigene Geschmack ist und was einem gefällt. Man kann sie auch für verschiedene Feierlichkeiten nutzen. Wir haben ein sehr altes schönes Gründungskreuz von unserem ersten Abt, das würde ich tatsächlich nur an Ostern oder Weihnachten tragen – eben an besonderen Tagen, weil ich finde, das ist kein Kreuz für den Alltag.

Was ich auch nicht brauche, ist ein eigener Stab, da haben wir drei im Konvent. Die kann ich gut verwenden. Vielleicht kann man da irgendwann auch mal einen eigenen machen, aber das waren die Punkte, wo klar war: Da ist etwas da, was ich verwenden kann, weil es nicht sehr größenspezifisch ist.

Wir haben auch Mitren, aber ich habe leider einen riesigen Kopf. Die Mitren meiner Vorgänger passten mir alle nicht, die hatten vom Kopfumfang her alle kleinere Köpfe. Das heißt, da war klar, dass ich mir selbst etwas machen lassen muss. Beim Ring ist es ähnlich. Ich habe auch dickere Finger als meine Vorgänger. Da war auch klar: Das geht nicht. Ich brauche also einen eigenen Ring und eine eigene Mitra.

Beim Ring haben wir als Jerusalemer Benediktiner die Tradition eines Professrings, den wir an der linken Hand am Ringfinger tragen. Irgendwie fände ich es komisch, zwei Ringe zu tragen, ich fände es aber genauso komisch, den Ring in eine Schublade zu legen und ihn in acht Jahren, wenn ich dann nicht mehr Abt bin, wieder rauszuholen. Ich habe einen Goldschmied gefunden, wirklich ein guter Freund, der in Münster sitzt. Der hat gesagt: Lass uns doch einfach den Professring erweitern. Und das finde ich sehr stimmig. Diese Erweiterung ist also ein Ring, der meinen Professring umkleidet und den ich dann am Ringfinger der rechten Hand tragen werde. Der wird mir dann angesteckt zur Abtsweihe. Er wird aus Silber sein. Das ist für mich eine sehr stimmige Entscheidung.

Dieser Ring wird quasi mein Siegelring. Ich bin auch ein großer Fan von "weniger ist mehr" und die Symbolik wird sein: Wir sind der Pfingstort, das ist mir sehr wichtig. Es wird eine Taube zu sehen sein, und zwar die Taube aus dem Mosaik über unserem Pfingstaltar in der Krypta unserer Kirche - und diese ist umgeben von zwölf Sternen. Der Heilige Geist und die elf Apostel und Maria, das ist ja die klassische Darstellung von Pfingsten. Ich trage uns also als Pfingstort im Ring. Und dann gibt es noch einen ganz kleinen Stern an der Seite, der dann für mich steht, weil ich mich dann selbst unter diese Gnade stelle und auch hoffe, dass der Heilige Geist mich begleitet bei meinen Entscheidungen. Das wird also der Ring sein.

Bei der Mitra, da bin ich gespannt. Da habe ich tatsächlich ein Kloster sofort im Blick gehabt, die ich sehr schätze, nämlich die Benediktinerinnen-Abtei Mariendonk im Bistum Aachen, ganz nahe an der niederländischen Grenze, deren Schwestern noch selbst sowohl in der Paramentenwerkstatt, in der Stickerei wie auch in der Weberei arbeiten. Die machen wirklich wunderschöne liturgische Gewänder und eben auch Mitren. Da dachte ich, ich möchte, wenn überhaupt eine Mitra haben, die von Benediktinerinnen oder Benediktinern gemacht wurde, die einen Bezug zu dem haben, was mir da bevorsteht. Die Mitra ist natürlich etwas, was mir eher fremd war. Da kam aber eine Idee auf, über die ich mich sehr freue: Wir haben bei den Bauarbeiten einen halben Meter unter unserem Fußboden im Altarbereich alte, verschüttete Mosaiksteine aus dem allerersten Altar gefunden, die im Bauschutt verschüttet waren. Diese weggeworfenen Mosaiksteine haben mich emotional sehr berührt. Und damit habe ich jetzt eine Form gewählt, die man eher nicht so nimmt. Die Zierde meiner Mitra werden diese weggeschmissenen Bauschutt-Mosaiksteine sein, die auf meiner Mitra angebracht werden.

Himmelklar: Das heißt, die Original-Steine werden da mit eingebaut?

Abt Nikodemus: Richtig. Das ist eine Mitra, deren Schmuck darin besteht, dass einige sehr kleine Steine, die vom ersten Altar stammen, dort mit Fäden angebracht sind. Ich stelle mich auch unter die Geschichte unserer Abtei. Das ist wirklich von der Gründungszeit unserer Abtei. Die Steine, die weggeschmissen wurden und jetzt jahrzehntelang im Bauschutt lagen, die werden jetzt liturgisch zur Ehre erhoben und dürfen mitfeiern.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Himmelklar: Der katholische Podcast

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Himmelklar (DR)
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