Nigerias Präsident könnte abgewählt werden

Wahltag in einem zerrissenen Land

Präsident Goodluck Jonathan setzt auf den Anti-Terror-Kampf, um bei der Präsidentenwahl Stimmen zu gewinnen und sein Amt zu sichern. Doch verschleppte Frauen und Kinder sowie blühende Korruption spielen Herausforderer Buhari in die Hände.

Wahlplakat für Goodluck Jonathan, Präsident von Nigeria (dpa)
Wahlplakat für Goodluck Jonathan, Präsident von Nigeria / ( dpa )

Je näher die Wahlen gerückt sind, desto mehr Erfolgsmeldungen hat Nigerias Militär verbreitet. In den vergangenen Wochen wurde fast täglich die Befreiung einer weiteren Stadt im Nordosten bekanntgegeben. Einen Tag vor der Präsidentschaftswahl haben die Streitkräfte des westafrikanischen Landes am Freitag nach eigenen Angaben das Hauptquartier der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram erobert. Unterstützt von Luftangriffen übernahmen Soldaten die Kontrolle über die Zentrale der selbst ernannten Gotteskrieger in der nordöstlichen Stadt Gwoza, wie das Verteidigungsministerium mitteilte. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig bestätigt werden. 

Damit hat der christliche Präsident Goodluck Jonathan, der an diesem Samstag auf seine Wiederwahl hofft, sein Versprechen von vor sechs Wochen eingelöst. Damals war die Wahl verschoben worden, angeblich wegen der Gefahr durch Boko Haram. Doch trotz der jüngsten Entwicklungen ist unklar, wer am Samstag siegen wird.

Wie eng das Rennen zwischen Jonathan und Buhari ist, zeigt eine Umfrage des Forschungsinstituts Afrobarometer: 42 Prozent der Befragten wollen demnach für die regierende PDP stimmen - und ebenso viele die APC. Im bevölkerungsreichsten afrikanischen Staat sind etwa die Hälfte der geschätzt 178 Millionen Einwohner Muslime im Norden, 45 Prozent sind Christen im Süden; der Rest hängt traditionellen Religionen an.

Der ehemalige Militärherrscher Muhammadu Buhari hat also immer noch beste Chancen, den ungeliebten Jonathan abzusetzen. Selbst viele Wähler im mehrheitlich christlichen Süden Nigerias erwarten, dass nur der aus dem Norden stammende Muslim Buhari die Korruption bekämpfen wird, die unter Jonathan blüht wie eh und je. Das ist neu in Nigerias normalerweise religiös gespaltener Politik.

Inflation und fehlende Öleinnahmen

Kaum mehr als ein Jahr ist es her, dass Jonathan seinen Zentralbankchef Sanusi Lamido Sanusi feuerte, nachdem dieser aufgedeckt hatte, dass 20 Milliarden US-Dollar aus den staatlichen Öleinnahmen verschwunden waren. Das Geld ist bis heute nicht wieder aufgetaucht, auch wenn die Regierung inzwischen behauptet, es fehlten "nur" 1,5 Milliarden. Gleichzeitig geht es vielen Nigerianern schlechter als bei Jonathans Wahl vor vier Jahren. Die Inflation galoppiert, die Währung Naira verliert an Wert und wegen der sinkenden Ölpreise scheinen die Einnahmen zu fehlen, um Lehrer und andere Beamte zu bezahlen.

Auch Nigerias Soldaten erhalten bestenfalls unregelmäßig ihren Sold. Dass dagegen Söldner aus Südafrika, Russland und der Ukraine nach Medienberichten mehr als 350 Euro am Tag bezahlt bekommen, sorgt in Nigeria für Aufregung. Die Erfolge, die diese Söldner gemeinsam mit Truppen aus dem Tschad, Niger und Kamerun gegen Boko Haram erzielt haben, empfinden viele Wähler eher als Demütigung. Dass Kämpfer von Boko Haram auf ihrer Flucht Hunderte Kinder, Jugendliche und Frauen verschleppen, verstärkt den Eindruck einer gefühlten Niederlage, obwohl die Terroristen erstmals seit Jahren in der Defensive scheinen.

Wahlkampf mit Schüssen und Bomben

Von Jonathans zumindest gefühltem Dilettantismus könnte Buhari am Schluss profitieren. Dabei führte der inzwischen 72-jährige nach seinem Putsch 1983 ein wahres Schreckensregime, in dem Geheimtribunale Todesurteile vollstreckten und Gastarbeiter deportiert wurden, um Arbeitsplätze für Nigerianer frei zu machen. Die Folgen von Buharis Politik waren so katastrophal, dass das Militär selbst ihn nach zwei Jahren verjagte. Trotzdem setzen sich im Wahlkampf selbst ehemalige Opfer von Buharis Regime lautstark für den schlicht gewandeten Asketen ein.

Die Wahlkampagnen tragen unterdessen Zeichen eines Endkampfes. Im Heimatdorf der Präsidentengattin wurde eine Oppositionskundgebung mit Schüssen und Bomben beendet. Veranstaltungen beider Parteien endeten in Gewalt, vor allem im Zentrum Nigerias, wo die Lager Christen und Muslime gegeneinander aufhetzten. Dazu kommt das im ganzen Land verbreitete Misstrauen, die Regierung könnte die Wahl manipulieren. Vielen ausländischen Journalisten wurden Visa verweigert, ein schlechtes Zeichen, kritisieren Menschenrechtler.

Jonathan: Wahlen dürfen nicht mit Krieg verwechselt werden

In Städten wie Jos oder Kaduna, wo etwa gleich viele Christen und Muslime leben, ist die Angst besonders groß, dass es nach der Wahl zu Ausschreitungen kommt. Jonathan hat die Bürger des westafrikanischen Landes eindringlich vor jeglicher Gewalt im Zusammenhang mit der Wahl gewarnt. "Kein politischer Eifer kann Gewalt oder das Vergießen des Blutes unserer Bürger rechtfertigen", sagte Jonathan am Freitag in einer landesweit übertragenen Ansprache. "Wahlen dürfen nicht mit Krieg verwechselt werden", sagte Jonathan. Die Sicherheitskräfte seien gut vorbereitet und würden keine Gewalt tolerieren, sagte er.

Bei der vorangegangenen Wahl im Jahr 2011 kamen Schätzungen zufolge rund 1000 Menschen bei Zusammenstößen von Anhängern der politischen Lager ums Leben. Muslime sind mehrheitlich für Buhari, Christen für Jonathan - und es wird mit einem knappen Ergebnis gerechnet.

Bei der vergangenen Wahl unterlag Buhari Jonathan. Buharis Anhänger zerstörten damals nach der Wahl 700 Kirchen und töteten etwa 1000 Christen. Beobachter befürchten, seine überwiegend muslimischen Anhänger könnten sich um einen Sieg betrogen fühlen, sollte Buhari auch jetzt verlieren.


Quelle:
epd , dpa