Morgenimpuls mit Schwester Katharina

Nicht vollkommen, aber barmherzig

Niemand ist frei von Fehlern, Ticks und Schwächen. Kein Mensch ist vollkommen. Das Wichtige ist aber, dass wir uns bemühen und unseren Mitmenschen gegenüber barmherzig sind, meint Schwester Katharina. Und so können wir Gott ziemlich nahe kommen.

Nachtwache auf dem Feld der Barmherzigkeit / © Armin Weigel (dpa)
Nachtwache auf dem Feld der Barmherzigkeit / © Armin Weigel ( dpa )

Die heutige Lesung aus dem Brief an die Epheser hat es echt in sich. Es sind vier Verse Handlungsanweisung für alle, die Jesus zum Vorbild für ihr Leben nehmen wollen. Aber jeder einzelne Vers hat es ziemlich in sich und braucht kaum Erklärung.

Da heißt es: "Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, stärkt und dem, der es hört, Nutzen bringt." Bei uns fließen die Worte meistens ziemlich schnell und ohne, dass wir immer nachdenken, ob das, was wir sagen, gut ist und den, der es braucht, stärkt und dem, der es hört, Nutzen bringt. Manchmal erleben wir aber auch Gespräche, die so sorgsam, ruhig, konzentriert und gleichzeitig so gelassen sind, dass sie gar nicht in den Verruf kommen, Worte falsch zu wählen.

Ein weiterer Vers heißt: "Jede Art von Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung und alles Böse verbannt aus eurer Mitte." Niemand spricht sich davon frei, schon mal bitter, wütend, zornig zu sein und rumzuschreien oder ziemlich abzulästern über nervige Mitmenschen. Aber genau weil das jeder kennt, ist der Auftrag umso eindeutiger.

"Verbannt es aus eurer Mitte", das heißt: Gebt euch Mühe – wenn es mal wieder passiert ist –, dass es nicht Überhand gewinnt und euch so besetzt, dass ihr da nicht mehr rauskommt. Und der dazu entscheidende Satz kommt am Schluss: "Seid gütig zueinander und barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat."

Johannes Tauler, ein Mystiker aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts, sagt: "Gott schweigt von der Vollkommenheit. Er wirft uns nur vor, wenn wir nicht barmherzig sind." Niemand ist frei von Fehlern, Ticks und Schwächen. Aber wenn wir uns selbst und den Mitmenschen gegenüber barmherzig sind, sind wir Gott ziemlich nahe. Glaube ich.


Quelle:
DR