Neuregelung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte

Kontingentierte Hoffnung

Ab Mittwoch können nahe Angehörige wieder zu Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz nachziehen. Doch die Zahl ist begrenzt und die Nachziehenden müssen hohe bürokratische Hürden überwinden.

Autor/in:
Christoph Scholz
Neuregelung des Familiennachzugs / © Swen Pförtner (dpa)
Neuregelung des Familiennachzugs / © Swen Pförtner ( dpa )

Für nach Deutschland geflüchtete Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus ist Mittwoch ein besonderer Stichtag: Ab dem 1. August gibt es für sie zumindest die Hoffnung, ihre Angehörigen in absehbarer Zeit wiedersehen zu können. Dann tritt die neue Regelung des Familiennachzugs für diese Flüchtlinge in Kraft.

Bürokratisches Auswahlverfahren

Antragsteller müssen sich dabei aber einem bürokratischen Auswahlverfahren stellen. Denn die Zahl derjenigen, die nachziehen dürfen, ist auf monatlich 1.000 Personen begrenzt. Der sogenannte subsidiäre Schutzstatus gilt für Menschen, die nicht persönlich verfolgt werden, denen aber im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht - wie Bürgerkriegsflüchtlinge. Kurz nach der Einführung des Nachzugsrechts vor gut drei Jahren, sahen sich Städte und Gemeinden mit der Unterbringung überfordert; deshalb wurde er wieder ausgesetzt.

Im Frühjahr diesen Jahres einigten sich dann Union und SPD nach zähem Ringen auf eine eingeschränkte Regelung, die keinen Rechtsanspruch mehr vorsieht. Flüchtlings- und Hilfsorganisationen sowie die Kirchen hatten diese Begrenzung scharf kritisiert und auf die besondere Schutzwürdigkeit von Familien verwiesen.

Humanitäre Gründe

Bei Angehörigen von subsidiär Geschützten können nun Angehörige der sogenannten Kernfamilie, also der Ehepartner, minderjährige ledige Kindern und Eltern von minderjährigen Kindern, einen Nachzug beantragen. Für ein Gesuch müssen humanitäre Gründe vorliegen. Das Gesetz nennt beispielhaft die Dauer der Trennung von der Familie, das Kindeswohl, bestehende Gefahren für Leib und Leben sowie schwere Krankheiten, eine schwere Behinderung oder Pflegebedürftigkeit. Die Entscheidung findet im Rahmen des Visumverfahrens statt.

Offen ist, wie viele Menschen davon insgesamt Gebrauch machen werden. Ein Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit geht von insgesamt bis zu 60.000 aus. Annahme für die vergleichsweise geringe Zahl ist die Tatsache, dass viele der Flüchtlinge mit subsidiären Schutz in Deutschland erwachsen und nicht verheiratet sind und sie auch keine Kinder haben.

Vollständigkeit der Unterlagen

Das "RedaktionsNetzwerk Deutschland" berichtete am Montag unter Berufung auf die Antwort des Auswärtigen Amtes, dass den Vertretungen in Jordanien, Libanon, Irak und der Türkei derzeit 31.340 Terminanfragen von Angehörigen in Deutschland lebender Flüchtlinge vorlägen. Der größte Teil sei in Beirut eingegangen. Sie werden nun in chronologischer Reihenfolge bearbeitet. Eine entscheidende Hürde sind die Vollständigkeit der Unterlagen beim Antrag: etwa zur Identität, zur Abstammung oder Elternschaft, der Nachweis, dass die Ehe schon vor der Flucht bestand oder Krankheitsdiagnosen. Viele Ämter wurden im Krieg zerstört, in afrikanischen Ländern funktioniert wiederum oft das Personenstandswesen schlecht. Hierbei soll auch die Internationalen Organisation für Migration (IOM) helfen.

Die Innenbehörden prüfen dann, ob Ausschlussgründe vorliegen, wie schwerwiegende Straftaten oder fehlende Bleibeperspektive des Schutzberechtigten. Dann entscheidet - abweichend vom üblichen Visumverfahren - das Bundesverwaltungsamt, darüber, wer in das monatliche Kontingent kommt. Dazu wurde es eigens um 60 Stellen aufgestockt.

"Singuläres Einzelschicksal"

In der Anlaufphase bis Dezember sollen insgesamt 5.000 Familienangehörige aufgenommen werden. Wird anschließend das monatliche Kontingent von 1.000 Aufnahmen nicht ausgefüllt, verfällt es. Gibt es mehr Anträge, fallen weitere Auswahlkriterien ins Gewicht wie Deutschkenntnisse, der eigenständige Lebenserwerb oder gesicherter Wohnraum. "Überschüssige" Anträge werden in den Folgemonat übernommen.

All diese Einschränkungen gelten aber nicht für Härtefälle nach Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes, etwa wenn eine dringende Gefahr für Leib und Leben des Betroffenen herrscht und es sich um ein "singuläres Einzelschicksal" handelt.

Für anerkannte Asylbewerber ändert sich nichts. So erteilt das Auswärtige Amt nach eigenen Angaben seit Januar 2015 weltweit rund 322.000 Visa zur Familienzusammenführung. Nach Angaben des Außenministeriums waren es allein 2016 rund 103.880, 2017 knapp 117.000 und im ersten Quartal dieses Jahres 27.551 Visa.


Quelle:
KNA