Neuerliche Eskalationen nach Tötungsdelikt bei Stadtfest

Angespannte Lage in Chemnitz

In Chemnitz haben sich am Montagabend allein an der Demo der rechten Bewegung "Pro Chemnitz" rund 2.500 Menschen beteiligt. Die Polizei ermittelt gegen zehn Menschen, die den Hitlergruß gezeigt haben sollen.

 Demonstranten der rechten Szene zünden Pyrotechnik und schwenken Deutschlandfahnen / © Jan Woitas (dpa)
Demonstranten der rechten Szene zünden Pyrotechnik und schwenken Deutschlandfahnen / © Jan Woitas ( dpa )

Den Menschen wird das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen, teilte die Polizei am Dienstag mit. Von mehreren Personen seien die Personalien aufgenommen worden. Ein Polizeisprecher sagte auf Nachfrage, dass es keine Festnahmen gegeben habe. Die Nacht in Chemnitz ist den Angaben zufolge ohne Zwischenfälle geblieben.

Zuvor waren am Montagabend bei Protesten Tausender rechter und linker Demonstranten in der Chemnitzer Innenstadt mindestens sechs Menschen verletzt worden. Laut Polizei sind vier davon Teilnehmer der von der rechtspopulistischen Bewegung "Pro Chemnitz" angemeldeten Demo. Diese seien bei der Abreise durch 15 bis 20 Angreifer verletzt worden. Zwei von ihnen seien zur Behandlung ins Krankenhaus gekommen.

Polizei mit zu wenig Personal

Die Polizei berichtete am Abend von einer angespannten Lage auf der rechten Demo und von einzelnen Würfen von Gegenständen aus der und auf die Versammlung. Sie zog Wasserwerfer hinzu und hielt den Demonstrationszug zwischenzeitlich an. An einer Gegendemonstration beteiligten sich nach Schätzungen rund 1.000 Demonstranten.

Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz, um Zusammenstöße der Demonstranten und Ausschreitungen zu verhindern. Ein Polizeisprecher räumte am Montagabend aber Personalmangel in den eigenen Reihen ein. Der Demonstrationszug von "Pro Chemnitz" erreichte den Polizeiangaben zufolge gegen 21.30 Uhr seinen Endpunkt. Die Mehrzahl der Teilnehmer habe sich daraufhin rasch vom Versammlungsort entfernt.

Gewaltbereite verschärfen Situation

Bereits am Sonntag hatten zwei Demonstrationen als Reaktion auf einen tödlichen Zusammenstoß am Rande des Stadtfestes stattgefunden. Ein 35 Jahre alter Deutscher war durch Messerstiche getötet worden war. Zwei Tatverdächtige aus Syrien und dem Irak sitzen in Untersuchungshaft. Nach Aufrufen in sozialen Netzwerken kamen laut Polizei rund 800 Menschen in der Innenstadt zusammen. Darunter waren laut Polizeiangaben etwa 50 Gewaltbereite. Auf im Internet kursierenden Videos ist zu sehen, wie Teilnehmer "Wir sind das Volk" und "Das ist unsere Stadt" skandieren.

Ein Video zeigt eine Attacke auf einen ausländisch aussehenden Mann. Laut Polizei hatten die Gewaltbereiten in der Menschenansammlung das Sagen. Polizisten seien aus der Gruppe heraus mit Flaschen und Steinen beworfen worden, die Beamten hätten Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt, um der Lage Herr zu werden.

Drei Anzeigen zu Angriffen auf Ausländer

Der Chemnitzer Polizei lagen am Montag nach Angaben von Polizeipräsidentin Penzel drei Anzeigen zu Angriffen auf Ausländer während der Ausschreitungen vor. Unter anderen seien am Sonntag eine 15 Jahre alte Deutsche und deren 17-jähriger afghanischer Begleiter von Unbekannten attackiert und leicht verletzt worden. Später sei ein 18 Jahre alte Syrer geschlagen worden.

Zudem sei ein 30-jähriger Bulgare von einem Unbekannten festgehalten und bedroht worden. Penzel forderte die Bevölkerung auf, eventuell vorhandenes weiteres Filmmaterial von der tödlichen Attacke oder den anschließenden Ausschreitungen den Ermittlungsbehörden zur Verfügung zu stellen.

Kein Platz für Hass, Intoleranz und Extremismus

Für die Bundesregierung sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin: "Solche Zusammenrottungen, Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens, anderer Herkunft, oder der Versuch, Hass auf den Straßen zu verbreiten, nehmen wir nicht hin." In Deutschland sei kein Platz für Selbstjustiz und für "Gruppen, die auf den Straßen Hass verbreiten wollen, für Intoleranz und für Extremismus".

Sachsens Innenminister Wöller sprach bei einem Besuch in Chemnitz von einer neuen Dimension der Eskalation. Es kursierten Spekulationen, Falschmeldungen und regelrechte Lügen im Netz. Auch der stellvertretende sächsische Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) sagte, Selbstjustiz, Mutmaßungen und Gerüchtemacherei seien nach der tödlichen Attacke fehl am Platz. Das Gewaltmonopol liege beim Staat.


Rechte Demonstranten stehen vor dem Karl-Marx-Monument in Chemnitz / ©  Jan Woitas (dpa)
Rechte Demonstranten stehen vor dem Karl-Marx-Monument in Chemnitz / © Jan Woitas ( dpa )
Quelle:
epd , dpa