Neuer VENRO-Chef Post zum Start von Minister Niebel

"Mercedes-Fahrzeuge für Entwicklungshelfer machen keinen Sinn"

Der Entwicklungsexperte Ulrich Post wirft einen kritischen Blick auf den Start des neuen Entwicklungsministers Dirk Niebel. Der Politologe und Journalist warnt vor einer Verknüpfung von Hilfe mit Außenwirtschaftsförderung und zeigt sich im Interview enttäuscht in Sachen Klimapolitik. Post ist neuer Vorsitzender des Verbandes Entwicklungspolitik (VENRO).

 (DR)

Der 56-jährige Post ist leitender Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe. Als VENRO-Vorsitzender vertritt er insgesamt 118 kirchliche und private Hilfsorganisationen in Deutschland.

epd: Herr Post, der FDP-Politiker Dirk Niebel ist seit sieben Wochen Entwicklungsminister. Wie beurteilen Sie seinen Start?
Post: Jeder Minister, der neu ins Amt kommt, ohne vorher mit dem Thema zu tun zu haben, muss ein bisschen Zeit haben, um sich einzuarbeiten. Bei Herrn Niebel fiel mir auf, dass er bereits mit einer Reihe von Themen angeeckt ist.

epd: An welche Kontroversen denken Sie?

Post: Ein Beispiel ist die Klimapolitik. Die Nichtregierungsorganisationen fordern, dass die Mittel, die für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern ausgegeben werden, zusätzlich zur Entwicklungshilfe kommen. Es ist ja nicht Entwicklungshilfe im herkömmlichen Sinn, sondern eher eine Art Wiedergutmachung. Es geht um das Bezahlen von Klimaschulden.

epd: Wie sind Klimaschulden zu verstehen?
Post: Die Entwicklungsländer können herzlich wenig für den Klimawandel, wenn man einmal von China und Indien absieht. Länder wie Burkina Faso oder Birma haben nichts zu den Ursachen des Klimawandels beigetragen. Daher gehen wir davon aus, dass die Industrienationen eine Pflicht zur Wiedergutmachung haben. Das sollte nicht auf die zugesagte Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens bis 2015 angerechnet werden. Denn dann ginge es ja wieder auf Kosten von Armutsbekämpfung, Gesundheitsvorsorge und Bildungsprogrammen. Wenn die Bundesregierung sagt, das Geld kommt nicht zusätzlich, sondern wird eingerechnet in das 0,7-Prozent-Ziel, ist das unredlich.

epd: Was bedeutet denn Anpassung an den Klimawandel für ein Land wie Burkina Faso?
Post: Man muss versuchen, das Risiko von Katastrophen zu minimieren. In Haiti, der Dominikanischen Republik oder Mittelamerika, wo es sehr viel Stürme und immer wieder Überflutungen gibt, kann man Dämme bauen. In einer Reihe von afrikanischen Ländern muss der Ackerbau auf andere Getreidesorten umgestellt werden. Und zwar jetzt. Denn der Klimawandel ist schon da. In Ostafrika hat er die Menschen hart getroffen. Dort herrscht eine schwere Dürre.

epd: Das klingt, als würde viel Geld gebraucht.
Post: Auch Umsiedlungen, etwa an großen Flussdeltas, könnten notwendig werden. Das ist teuer, aber es ist in unsererm eigenen Interesse. Ein Umweltminister von Bangladesch hat einmal auf einer internationalen Konferenz gesagt: Wenn ihr uns dabei nicht unterstützt, stehen wir bald mit unseren nassen Füßen vor euren Haustüren. Die Mittel für die Anpassung an den Klimawandel müssen auch wirklich den Armen zugute kommen und nicht den Eliten. Kontrollen sind nötig. Die Regierungen müssen der Bevölkerung gegenüber Rechenschaft ablegen.

epd: Nimmt die Entwicklungspolitik von Minister Niebel schon Gestalt an?
Post: Herr Niebel hat angekündigt, er wolle keine Neben-Außenpolitik machen. Wir wünschen uns, dass er auch keine Neben-Außenwirtschaftspolitik betreibt. Es hat wenig Sinn, dass deutsche Entwicklungshelfer in Zukunft wieder Mercedes-Fahrzeuge in Entwicklungsländern kaufen sollen. Toyotas sind billiger und nicht schlechter.

epd: Wo ist Herr Niebel in Ihren Augen noch angeeckt?
Post: Nach seinem Nein zur Finanztransaktionssteuer ist er von Bundeskanzlerin Merkel zurückgepfiffen worden. Die EU hat sich ja nun darauf geeinigt, die Einführung einer Steuer auf Devisengeschäfte prüfen zu lassen. Da hat sich Herr Niebel in den ersten sieben Wochen ein bisschen forsch herausgewagt. Aber wir haben mit dem Minister ein gutes Anfangs-Arbeitsverhältnis. Er ist sehr neugierig und fragt viel. Das ist gut.

epd: Was raten Sie dem neuen Entwicklungsminister?
Post: Viele Bundesministerien vergeben Mittel, die als offizielle Entwicklungshilfe gezählt werden. Das geschieht nach völlig unterschiedlichen Kriterien und wird von niemandem koordinert. Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut. Es fehlt eine koordinierende Hand. Das wünschen wir uns sehr.

epd: Welche Arbeitsschwerpunkte nehmen Sie sich als VENRO-Vorsitzender vor?
Post: Wir müssen auch als private und kirchliche Hilfswerke deutlich offensiver in die Grundsatzdebatte über Sinn und Unsinn der Entwicklungshilfe einsteigen. Wir sollten das Feld nicht den Kritikern der Entwicklungspolitik überlassen, sondern auch Stammtischparolen aufgreifen und auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen.

epd: Haben die deutschen Entwicklungsorganisationen ihre Hausaufgaben gemacht?
Post: Nein, wir sind noch dabei. Wir müssen uns stärker mit der Wirksamkeit unserer Arbeit beschäftigen. Von Spendern, aber auch von unseren öffentlichen Geldgebern werden wir immer wieder gefragt: Was macht ihr da eigentlich? Im vergangenen Jahr haben wir einen Verhaltenskodex erarbeitet, der zurzeit erprobt wird.

epd: Hat sich zwei Jahre nach der UNICEF-Krise die Transparenz der Hilfswerke verbessert?
Post: Ich glaube, dass die großen Spendenorganisationen mittlerweile mit einer ganzen Reihe von Fragen offensiver umgehen. Wenn damals bei UNICEF die Spendenberater kritisiert wurden und sich die meisten Organisationen weggeduckt haben, sind wir heute offensiv und sagen: Das ist in Ordnung. Wer professionell arbeiten will, braucht Fachkräfte.

epd: UNICEF wurden damals ja nicht so sehr die Berater selbst vorgehalten, sondern deren als fürstlich empfundene Bezahlung.
Post: Das regelt der Verhaltenskodex. Er enthält auch Kriterien für den Aufbau von Vereinen und die erforderlichen Kontrollorgane. Die Organisationen sind auf dem Weg, die einen sind weiter als die anderen. Die Trennung von ehrenamtlicher und hauptamtlicher Arbeit ist in der Praxis nicht immer einfach.

Das Interview führte Elvira Treffinger.