Neuer Primas ist Integrationsfigur für Polens Katholiken

Ganz Diplomat

Polens neuer Primas, Erzbischof Jozef Kowalczyk, ist zurückhaltend und bescheiden, eben ganz Diplomat. Gerne wäre er wohl bis zum Ruhestand Apostolischer Nuntius in Warschau geblieben, statt seit Samstag als Erzbischof von Gnesen und Ehrenoberhaupt der katholischen Kirche in Polen im Rampenlicht zu stehen.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Aber gerade seine diplomatische Ader macht ihn zur idealen Integrationsfigur für alle Flügel der Polnischen Bischofskonferenz. Und für die Einheit der Kirche zu sorgen, ist die Hauptaufgabe des Primas.

Erfahrung in der Leitung einer Pfarrei, geschweige denn einer Diözese, bringt Kowalczyk indes nicht mit. Nur knappe zwei Jahre wirkte er nach seiner Priesterweihe 1962 als Vikar im pommerschen Kwidzyn (Marienwerder). Dann studierte er Kirchenrecht an der Katholischen Universität Lublin und der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, an der 1968 den Doktortitel erwarb. Ab 1969 gehörte er der römischen Kurie an - erst als Mitarbeiter der vatikanischen Gottesdienstkongregation und ab 1978 als Leiter der Polen-Abteilung im Staatssekretariat.

Gar nicht begeistert reagierte Kowalczyk nach eigenen Angaben, als Papst Johannes Paul II. (1978-2005) ihn 1989 zum ersten Apostolischen Nuntius in Polen seit dem Zweiten Weltkrieg machen wollte: "Ich war entsetzt und sagte dem Heiligen Vater, dass diese Aufgabe vielleicht meine Kräfte übersteigt." Doch der Papst habe geantwortet: "Ich werde beten, und Sie werden dort arbeiten und sehen, dass viele Dinge getan werden können."

Es habe sich dann als Vorteil herausgestellt, dass ein Pole den Wiederaufbau der während des Kommunismus verwaisten Nuntiatur in Warschau übernahm und die Strukturreform der Kirche in Polen organisierte, meint Kowalczyk. Zudem hatte er schon von 1976 bis 1978 den vatikanischen Sondernuntius Luigi Poggi bei seinen Reisen in das Land begleitet. Nicht nur, dass Kowalczyk Nuntius in der eigenen Heimat war, sondern auch die Dauer seiner Amtszeit ist weltweit eine Besonderheit. In der Regel wechseln Vatikanbotschafter nach acht Jahren ihren Posten.

In Warschau verhandelte Kowalczyk mit den Behörden über ein Konkordat, das er 1993 unterzeichnete und 1998 vom polnischen Parlament ratifiziert wurde. Im Januar 2007 wurde er allerdings stark kritisiert, weil der bereits ernannte Warschauer Erzbischof Stanislaw Wielgus am Vortag seiner Amtseinführung wegen Geheimdienstkontakten zurücktreten musste. Man warf Kowalczyk vor, den Kandidaten nicht ausreichend geprüft zu haben. In einem beispiellosen Interview machte er darauf die Hintergründe von Berufungsprozedur und Begutachtung der Kandidatur von Wielgus publik. Kowalczyk beteuerte, Wielgus habe ihm gegenüber nicht die ganze Wahrheit über seine Kontakte zur Staatssicherheit gesagt.

Spätere Anschuldigungen gegen Kowalczyk, dieser habe wissentlich für den polnischen Geheimdienst gearbeitet, stellten sich indes als falsch heraus. Vielmehr war er von 1982 bis 1990 ohne sein Wissen unter dem Decknamen "Cappino" als "Informationskontakt" registriert und für den Geheimdienst unbrauchbar, wie Untersuchungen ergaben.

Ein herzliches Verhältnis verbindet Kowalczyk mit dem Berliner Kardinal Georg Sterzinsky. Dieser stammt aus dem einst ostpreußischen Ermland, wo Kowalczyk seine Priesterausbildung absolvierte. Schon als Student in Olsztyn (Allenstein) suchte der heutige Primas Kontakt zur deutschen Minderheit in der Region. Als "Freund der Deutschen" erhielt er denn auch 2006 das Bundesverdienstkreuz.

Als Primas will der einstige enge Mitarbeiter von Johannes Paul II. das Erbe des Wojtyla-Papstes in dessen polnischer Heimat wach halten, wie er seit seiner Berufung zum Ehrenoberhaupt Anfang Mai mehrfach betonte. Folglich zitierte er auch in seiner Antrittsrede am Samstag ausführlich Johannes Paul II. Dessen "kraftvolle und prophetischen Worte" sollten ein "Anreiz für die tägliche Anstrengung der Treue zu Gott" sein, so Kowalczyk.