Neue Runde in den Prozessen gegen Mor Gabriel in der Türkei

Krach ums Kloster

Es ist ein regelrechter Marathon: Nach einem gewonnen ersten Prozess um Gebietsstreitigkeiten stellte sich das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel in der Türkei am Mittwoch weiteren Gerichtsentscheiden - mit gemischten Erfolg: Ein Prozess wurde gewonnen, einer ging verloren, ein weiterer wurde vertagt.

Autor/in:
Caroline Schulke
 (DR)

Insgesamt sah und sieht sich das 1.600 Jahre alte Kloster mit vier Verfahren konfrontiert - dabei geht es um seine Ländereien, auf die benachbarte Gemeinden sowie das Schatz- und Forstamt Ansprüche erheben. Entzündet hatten sich die Streitigkeiten im vergangenen August an den Landvermessungsarbeiten zur Erstellung von Grundbüchern nach EU-Vorgaben.

Als gegenstandslos empfindet der Menschenrechtsbeauftragte des internationalen katholischen Missionswerks missio, Otmar Oehring, die Vorwürfe. Hinter den Anliegen der Dörfer sieht der Türkei-Experte, der jüngst mit einer Delegation von Bundestagsabgeordneten das Kloster Mor Gabriel besuchte, etwa die Interessen von Großgrundbesitzern. Und ein von offiziellen Stellen beanstandetes Waldstück habe dem Kloster schon gehört, lange bevor anderslautende Bestimmungen in Kraft getreten sei.

Der Ausgang der Prozesse scheint Oehrings Ansichten nur teilweise bestätigen. Ende Mai wies das Amtsgericht in der Kreisstadt Midyat zwar zugunsten des Klosters Gebietsansprüche von umliegenden Dörfern ebenso ab wie nun am Mittwoch die Klage des türkischen Schatzamtes. Ein weiterer Prozess um Ansprüche der Forstbehörde auf ein Waldgebiet des Klosters ging allerdings verloren.

Klosteranwalt Rudi Sümer kündigte umgehend an, in Berufung zu gehen. Ein endgültiges Urteil sei erst in einigen Monaten zu erwarten. Auch ein ebenfalls in Midyat anhängiger Strafprozess gegen die Klostergemeinde wurde daraufhin auf den 30. September vertagt, um die Entscheidung des Berufungsgerichts im Waldprozess abzuwarten. Dem Vorsitzenden der Klosterstiftung, Kuryakos Ergün, wird dabei vorgeworfen, durch Errichten einer Mauer dem Kloster rechtswidrig Wald angeeignet zu haben.

Diese Entscheide seien erwartbar gewesen, meint Oehring. Damit wolle der türkische Staat dem Ausland seine Rechtsstaatlichkeit demonstrieren. Formal handele es sich bei den Prozessen um rechtstaatliche Verfahren, aber im Hintergrund werde gemauschelt und verhandelt, erläutert der Türkei-Experte. So versuchten Großgrundbesitzer Dörfer für ihre eigenen Interessen zu instrumentalisieren, um schließlich vom Staat mit außerhalb des klösterlichen Besitzes liegenden Ländereien «entschädigt» zu werden.

Kuhhandel im Hintergrund, ordentliche Verfahren im Vordergrund. Und bei denen ist nach den jüngsten Beschlüssen noch kein Ende absehbar. Mehr noch: Oehring erwartet, dass einige Entschlüsse bis nach Straßburg vor den dortigen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen.

Der Prozessmarathon geht also weiter - und wirft unabhängig von seinem endgültigen Ausgang auch ein Licht auf die grundsätzliche Lage der Christen in der Türkei. Auch wenn das Ergebnis positiv ausfalle, blieben doch wesentliche Probleme bestehen, warnt etwa Oehring und verweist auf Vorwürfe in den Klageschriften, die weit über den Tatbestand hinausgehen und dem Kloster etwa Staatszersetzung unterstellen. Das hat weitreichende Folgen - so habe etwa der Abt des Kloster, Erzbischof Samuel Aktas, um sein Leben gefürchtet und Personenschutz beantragt, berichtet Oehring.

Dazu passt, dass etwa die EU in ihren Fortschrittsberichten zur Aufnahme des Landes mangelnde Reformen bei den Menschenrechten und der Religionsfreiheit feststellte. Doch richtig, kritisiert Oehring, hätten sich die Verantwortlichen des Themas noch nicht angenommen. Die Prozesse begreift er nur bedingt als einen Test für die EU-Tauglichkeit der Türkei. Die eigentliche Probe aufs Exempel, so der Experte, bleibe die grundsätzliche Frage nach der Religionsfreiheit. Und da gibt es aus seiner Sicht bislang keine Fortschritte.