Neue Prozesswelle gegen Oppositionelle in Vietnam - kirchliche Gemeinschaften besonders unterdrückt

Schwarze Tage für die Menschenrechte

"Dies sind die schwärzesten Tage für die Meinungsfreiheit und die Menschenrechte in Vietnam," sagt Vu Quoc Dung. Die in diesen Tagen angelaufene Prozesswelle gegen sechs vietnamesische Dissidenten, denen "Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam" und "Störung der Sicherheit" vorgeworfen wird, übertreffe alle bisherigen Repressionen.

 (DR)

Die Angeklagten: Nur ihr Recht auf Meinungsfreiheit gebraucht
Vu Quoc Dung, Asien-Referent der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt, beobachtet seit vielen Jahren die politische Entwicklung in seinem Heimatland. Drei Angeklagte wurden nach Angaben von Vu Quoc Dung bereits in Ho Chi Minh Stadt zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren verurteilt. Ihnen war vorgeworfen worden, Dokumente zur Verleumdung des Staates und der Führung der regierenden Kommunistischen Partei verbreitet zu haben.

Die IGFM hat an die westlichen Botschaften in Hanoi appelliert, Beobachter zu den Prozessen zu entsenden. Zugleich rief die Menschenrechtsorganisation die vietnamesische Regierung auf, faire und öffentliche Verfahren zu gewährleisten. , überwiegend Angehörige der im Untergrund tätigen Volksdemokratischen Partei, hätten lediglich von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht, so der Asien-Referent. Dieses Recht garantiere auch die vietnamesische Verfassung.

Vietnam lässt sich nicht mehr in die Karten schauen
Hatte die internationale Gemeinschaft während der Verhandlungen Vietnams mit der Welthandelsorganisation (WTO) immer noch einen Hebel in der Hand, um Druck auf die Hardliner auszuüben, so lässt sich die Regierung nach dem WTO-Beitritt weniger denn je in die Karten schauen. Im Gegenteil: Prozesse gegen Oppositionelle unter Ausschluss der Öffentlichkeit und im Schnellverfahren sowie jüngste Razzien gegen namhafte Bürgerrechtler zeigen, dass die Regierung die Zügel wieder anzieht. Der äußere Druck, die Menschenrechte zumindest dem Schein nach zu wahren, ist weggefallen.

Nahezu parallel nimmt die Zahl der Dissidenten zu, die sich dem doppelgesichtigen Regime entgegenstellen - einem Regime, das sich weltoffen in seiner Wirtschaftspolitik zeigt, zugleich aber oppositionelle Bewegungen schon im Ansatz zu ersticken sucht.

Jüngstes Beispiel ist das Schicksal des katholischen Pfarrers Nguyen Van Ly und vier seiner Weggefährten. Sie wurden Ende März in Rekordzeit von fünf Stunden zu einer Haftstrafe von zusammen 21 Jahren verurteilt. Begründet wurde das Urteil mit "Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam".

Besonders unterdrückt: Kirchliche Gemeinschaften
Kirchliche Gemeinschaften sind besonders massiven Repressionen ausgesetzt. Auch zwei Jahre nach dem Erlass der "Verordnung über Glauben und Religion" sind sie immer noch nicht rechtlich anerkannt. Nach dem jüngsten Prozess im Schnellverfahren erhöht sich die Zahl der politischen Gefangenen auf rund 170. Die Regierung bestreitet freilich die Existenz solcher Gefangener.

Die Staatssicherheit bedient sich immer radikalerer Methoden, um Dissidenten einzuschüchtern. Nächtliche Besuche, Einbrüche in Abwesenheit, Überfälle und vorgetäuschte Verkehrsunfälle durch Unbekannte gehören zu den Praktiken. Telefon- und Internetverbindungen werden gestört oder getrennt, die Ausstellung von Pässen verweigert, Computer konfisziert und Verdächtige manchmal mehrwöchigen Verhören unterzogen.

Hunderte Montagnards wurden verhaftet
Zu den Verfolgten des Regimes gehört seit Jahren auch die ethnische Minderheit der Montagnards, deren Rechte mit Füßen getreten werden. Sie kommen aus den Bergen, um friedlich für ihre Eigenständigkeit und das Recht auf Religionsfreiheit zu demonstrieren. Hunderte Montagnards wurden inzwischen verhaftet.

Viele sitzen in vietnamesischen Gefängnissen. Andere werden in Lagern mehr als 1.000 Kilometer von ihren Heimatorten und Familien festgehalten. Mindestens vier von ihnen starben im vergangenen Jahr - durch schlechte Ernährung und unzulängliche medizinische Versorgung.