Neue Prozesse gegen Mor Gabriel in der Türkei

Gute Vorzeichen, schlechtes Ende?

Kaum ist eine Hürde genommen, taucht die nächste auf. Nach einem gewonnenen ersten Prozess um Gebietsstreitigkeiten muss sich das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel in der Türkei an diesem und am kommenden Mittwoch weiteren Gerichtsentscheiden stellen. Die Vorzeichen für neue Erfolge sind gut, zu Euphorie besteht aber kein Anlass.

Autor/in:
Caroline Schulke
Mor Gabriel gilt als eines der ältesten christlichen Klöster der Welt  (DR)
Mor Gabriel gilt als eines der ältesten christlichen Klöster der Welt / ( DR )

Insgesamt sah und sieht sich das 1.600 Jahre alte Kloster mit vier Verfahren konfrontiert. Benachbarte Gemeinden erheben Anspruch auf Gebiete, die derzeit dem Kloster gehören und auch offizielle Stellen wie das Schatz- und Forstamt formulieren Ansprüche. Entzündet hatten sich die Streitigkeiten im vergangenen August an den Landvermessungsarbeiten zur Erstellung von Grundbüchern nach EU-Vorgaben.

Als gegenstandslos empfindet der Menschenrechtsbeauftragte des internationalen katholischen Missionswerks missio, Otmar Oehring, die Vorwürfe. Hinter den Anliegen der Dörfer stehen nach Ansicht des Türkei-Experten, der jüngst mit einer Delegation von Bundestagsabgeordneten das Kloster Mor Gabriel besuchte, die Interessen von Großgrundbesitzern. Und ein von offiziellen Stellen beanstandetes Waldstück habe dem Kloster schon gehört, lange bevor das Waldrecht in Kraft getreten sei. Der Ausgang des ersten Prozesses scheint Oehring Recht zu geben. Ende Mai hatte das Amtsgericht in der Kreisstadt Midyat zugunsten des Klosters Gebietsansprüche von umliegenden Dörfern abgewiesen.

Diese Entscheidung beurteilten Politiker in Deutschland und Europa als Schritt in die richtige Richtung. Die Bundesregierung in Person von Integrations-Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) sprach etwa von einem wichtigen und ermutigenden Signal für die Christen des Landes und einem Lackmustest für Religionsfreiheit in der Türkei. Der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Schindehütte, nannte das Urteil ein "wichtiges Signal für die Demokratie und Rechtstaatlichkeit". Es stimme zuversichtlich im Blick auf weitere Verfahren gegen das Kloster.

Per se fröhlich
Oehring äußert sich dagegen zurückhaltender. Das positive Urteil stimme ihn nicht "per se fröhlich", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) und verwies auf die vorhandenen Feudalstrukturen- und -interessen im Hintergrund. Formal handele es sich um rechtstaatliche Verfahren, aber im Hintergrund werde gemauschelt und verhandelt. So versuchten Großgrundbesitzer Dörfer für ihre eigenen Interessen zu instrumentalisieren, um schließlich vom Staat mit außerhalb des klösterlichen Besitzes liegenden Ländereien "entschädigt" zu werden.

Hinter solchen Händeln steht wohl das Anliegen des Staates auf eine gütliche Einigung. Dabei gehe es weniger um eine grundsätzlich freundliche Haltung den Christen gegenüber, sondern um das Ansehen im Ausland, analysiert Oehring das Geschehen. Insofern sieht auch er die Vorzeichen für die weiteren Prozesse günstig, warnt aber zugleich vor einer zu optimistischen Sicht. Auch wenn das Ergebnis positiv ausfalle, blieben doch grundsätzliche Probleme bestehen.

Kritiker vermuten hinter dem Streit um die Gebiete ohnehin nur einen Vorwand, um das Kloster weiter zu schwächen. Auch Oehring sieht in den Klageschriften Vorwürfe, die weit über den Tatbestand hinausgehen und dem Kloster etwa Staatszersetzung unterstellen. Dies habe bereits zur Folge gehabt, dass der Abt des Klosters, Erzbischof Samuel Aktas, aus Angst um sein Leben Personenschutz beantragte, berichtet Oehring.

Diese Entwicklung wirft Licht auf die Probleme hinter den Prozessen.
Nach wie vor hat die christliche Minderheit in der Türkei einen schweren Stand. Immer wieder bemängelt etwa die EU in ihren Fortschrittsberichten zur Aufnahme des Landes mangelnde Reformen bei den Menschenrechten und der Religionsfreiheit. Doch so recht habe sich die EU des Themas noch nicht angenommen, kritisiert Oehring.

Die Prozesse begreift er als einen Test für die EU-Tauglichkeit der Türkei. Die eigentliche Probe aufs Exempel, so der Experte, sei aber die grundsätzliche Frage nach der Religionsfreiheit. Und da gibt es aus seiner Sicht bislang keine Fortschritte.