Neue Nachbarn Kochbuch mit Rezepten Geflüchteter

Viele Köche verderben nicht den Brei

Melonenrettich aus dem Iran, Thunfisch mit Fenchel und Birne aus Algerien, ein Möhrendessert aus Nepal:  Das alles sind Rezepte aus dem "Neue-Nachbarn-Kochbuch". Geflüchtete Köche stellen darin Lieblingsspeisen aus ihren Heimatländern vor. 

 (DR)

Die Idee zu diesem besonderen Kochbuch hatte ein Berliner Resturantkritiker - praktisch umgesetzt hat sie Sternekoch Tony Hohfeld. Indem er nämlich gemeinsam mit sieben geflüchteten Kollegen diverse Speisen probegekocht hat.  

domradio.de: Wie haben Sie denn Ihre Multi-Kulti-Gastköche denn überhaupt gefunden?

Tony Hohlfeld: Über mehrere Wege. Zum einen haben wir das ausgeschrieben, sind an die Berater in den verschiedenen Anlaufstellen für Flüchtlinge hier in Hannover und Umfeld herangetreten und haben gefragt; "Sind unter den Leuten hier Köche?" Und tatsächlich war es erst einmal schwierig, herauszufinden, ob das dann jeweils wirklich Köche sind. Denn viele haben zu dem Zeitpunkt noch nicht viel deutsch gesprochen. Aber als wir dann alle zusammen hatten, ging es relativ problemlos.

domradio.de: Und als die Koch-Crew dann feststand - wie ging es dann weiter?

Hohlfeld: Wir haben dann geschaut, was wir für Rezepte machen, was jeweils landestypisch ist, was wird in den einzelnen Ländern wirklich gekocht? Und dann haben wir den Leuten die freie Wahl gelassen, was sie gerne machen möchten und haben sie dabei begleitet. Und dann ging es los. Wir haben dann Termine in der Kochschule abgemacht, haben die Produkte besorgt und die haben uns dann gezeigt, was sie dann kochen. 

domradio.de: Sie haben die Verständigungsproblem angesprochen – wie haben Sie die am Ende gelöst?

Tony Hohlfeld: Wir haben erst einmal viel mit Zeigen gearbeitet; schließlich sieht eine Zwiebel in Syrien genauso aus wie in Deutschland. Außerdem waren die Deutschkenntnisse unserer Köche auch schon fortgeschritten, als wir wirklich mit dem Projekt losgelegt haben. Schließlich besuchen sie alle Kurse; das ging dann schon. Und als sie ihre erste Nervosität verloren hatten, sind sie auch offener geworden und haben sich mehr getraut. Das kennen wir ja alle von uns selbst, wie das mit Fremdsprachen läuft-

domradio.de: "Viele Köche verderben den Brei" - das sagen wir immer so. In Ihrem Fall war das aber nicht so, oder? Zu wie vielen Leuten sind Sie dann da in der Lehrküche gestanden?

Hohlfeld: Wir waren zu viert. Jemand muss ja das Rezept notieren, der Restaurantkritiker Kroth,  jemand vom Verlag und ich. Und wenn die Rezepte standen, sind wir damit in die Kantinen gegangen – bei Volkswagen, bei MTU, für den Flughafen. Da haben wir dann die Köche mal richtig Köche sein lassen. Die durften dann für 250 Mitarbeiter kochen und ihre Arbeit präsentieren. Und wo hätten sie ihre Arbeit besser unter die Leute bringen können als in diesen Kantinen?

domradio.de: Eigentlich sagen wir ja immer "Viele Köche verderben den Brei". Nicht so bei Ihnen?

Hohlfeld: Nein, überhaupt nicht. Wir haben uns ja immer einzeln mit den Köchen getroffen und mit ihnen gekocht. Da konnte das jeder ausleben, was er kochen wollte. Ich habe sie nur ein bisschen begleitet, dafür gesorgt, dass wir auch die Bilder fürs Buch bekommen. Aber die Rezepte, die sind wirklich komplett von diesen Flüchtlingen.  

domradio.de: Was haben Sie während des gemeinsamen Kochens gelernt

Hohlfeld: Ich habe viel gelernt. Zum Beispiel, dass wir offen auf diese Menschen zugehen sollten, selbst wenn da eine Sprachbarriere ist. Ich habe nur herzensgute Menschen kennengelernt, die wirklich gerne kochen und das hier in Deutschland darbieten würden. Ich habe niemanden erlebt, der sich nicht integrieren wollte. Und ich glaube, dass unsere Erfahrung auch wichtig für den Rest des Landes ist.

domradio.de: Ihr Fazit: Kochen die Menschen in für uns exotischen Ländern grundsätzlich anders?

Hohlfeld: Sie kochen mit anderen Gewürzen und relativ anderen Geschmäckern. Zum Beispiel setzen sie mehr auf Schärfe, benutzen ein bisschen mehr Kümmel und oft Produkte, die man hier zwar bekommt, die aber oft nicht so viel Beachtung finden, wie Manjokwurzeln oder Ladies‘ Fingers (Okra). Das sind dann schon anderen Aromen.

domradio.de: Haben Sie da persönlich auch Entdeckungen gemacht?

Hohlfeld: Durchaus. Wir haben zum Beispiel einen Lamm-Eintopf gemacht mit Curry und diesen Ladies‘ Fingers und Manjok – und das habe ich auch schon selbst zu Hause nachgekocht.

domradio.de: Hatten Sie dann die Qual der Wahl, als es daran ging, die Rezepte fürs Buch auszusuchen?

Hohlfeld: Das haben wir vorher gemacht. Wir haben schon vorher geschaut, dass das Buch eine gewisse Bandbreite spiegelt. Wir haben nur Rezepte von mir rausgelassen…

domradio.de: Die geflüchteten Köche sind jetzt also mit ihren Rezepten im Buch vertreten. Hat denn das Projekt vielleicht dem ein oder anderen auch einen Job beschert?

Hohlfeld: Tatsächlich haben alle Beteiligten jetzt eine Arbeit. Viele machen noch einmal eine Lehre, eine wird ein Studium beginnen. Andere haben direkt in Kantinen angefangen. Seit Anfang des Projekts sind mehr als zwölf Monate vergangen, da ist auch die Sprachbarriere ein bisschen gefallen. Und wenn potenzielle Arbeitgeber sehen "Aha, der macht bei so einem Projekt mit das gut geworden ist", dann sinkt bei denen die Hemmschwelle auch.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR