Neue Führung der Jüdischen Gemeinde Berlin will mehr "Transparenz"

Sorge vor Spaltung

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin hat eine neue Führung. Der Vorsitzende Gideon Joffe steht vor großen Problemen: Deutschlands größte jüdische Gemeinde muss eisern sparen. Zudem droht ihr die Spaltung.

Autor/in:
Markus Geiler
 (DR)

Nach der Wahl von Gideon Joffe zum neuen Vorsitzenden wächst die Sorge über eine Spaltung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Auf ihrer konstituierenden Sitzung am Mittwochabend hatte die Repräsentantenversammlung den in der Gemeinde umstrittenen Joffe zum Nachfolger von Lala Süsskind bestimmt.



Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag in Berlin, die neue Führung müsse dafür sorgen, dass sich jedes Mitglied in der Gemeinde gut aufgehoben fühle. Er wünsche Joffe viel Glück und hoffe auf eine ebenso gute Zusammenarbeit wie mit seiner Vorgängerin.



Joffe war schon Vorsitzender

Joffe war in einer teils tumultartigen Nachtsitzung zum neuen Vorsitzenden der größten jüdischen Gemeinde Deutschlands gewählt worden. Der Betriebswirt tritt die Nachfolge von Lala Süsskind an, die sich aus privaten Gründen nicht mehr zur Wahl gestellt hatte. Joffes Bündnis "Koach!" hatte bei dem Gemeindeparlaments-Wahlen am 22. Januar mit 14 von 21 Sitzen in der Repräsentantenversammlung eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht.



Joffe wird nachgesagt, dass er die Gemeinde polarisiere. Der 39-Jährige gilt als besonders bei Zuwanderern aus der früheren Sowjetunion beliebt. Er wurde 1972 in Tel Aviv als Kind lettischer Juden geboren. Im Alter von vier Jahren zog seine Familie nach Berlin, wo er seitdem lebt. Joffe war bereits von 2005 bis 2008 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und hinterließ ein Haushalts-Defizit von 2,5 Millionen Euro, das durch den eisernen Sparkurs seiner Nachfolgerin Süsskind auf derzeit 800.000 Euro gesunken ist.



Süsskind hatte angekündigt, sich die Arbeit der neuen Führung um Joffe eine halbes Jahr anschauen zu wollen, um dann gegebenenfalls aus der Gemeinde auszutreten. Solche Überlegungen gebe es bei vielen Gemeindemitgliedern, sagte sie. Zentralratspräsident Graumann warnte: "Eine Spaltung würde die politische Kraft der jüdischen Gemeinschaft schwächen." Er fügte hinzu: "Dafür sind wir zu wenige. Unser Konzept ist die Einheitsgemeinde, die erhalten werden muss."



"Jedes Mitglied soll sich verstanden fühlen"

Joffes Stellvertreterin Carola Melchert-Arlt sagte dem epd, Ziel der neuen Führung sei mehr Transparenz in der Gemeinde. "Jedes Mitglied soll sich verstanden fühlen", sagte Melchert-Arlt, die das Dezernat Schule und Bildung übernimmt. Zudem müsse eine "wertschätzende Atmosphäre" geschaffen werden, um Gräben zu überbrücken. Die Gefahr einer Spaltung sieht sie nicht.



Ähnlich äußerte sich der frühere Gemeindevorsitzende Andreas Nachama. Für den Direktor der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin sprechen auch praktische Gründe gegen eine Abspaltung. "Eine jüdische Gemeinde braucht eine eigene Synagoge und einen Friedhof. Beides ist nicht so leicht umzusetzen." Gideon Joffe traue er zu, die zerstrittene Gemeinde wieder zu versöhnen. "Man wird sehen, ob seine Mehrheit die ganzen vier Jahre hält", fügte er an.



Joffe war zuletzt Geschäftsführer der skandalumwitterten, insolventen "Treberhilfe". Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Insolvenzverschleppung. Der bisherige Vorsitzende der Repräsentantenversammlung, Michael Joachim, warf ihm vor, damit Gemeinde und Amt zu beschädigen. Es sei eine Frage "moralischer Qualität" und des Anstands, vor diesem Hintergrund das Amt nicht anzutreten. Joffe wies den Einwand mit dem Hinweis zurück, die Wähler hätten von den Ermittlungen gewusst und trotzdem mehrheitlich für ihn und sein Wahlbündnis "Koach!" gestimmt.