Huch, da kommt ja jemand zur Begrüßung! Und noch einer und noch eine! Lauter Bauern gesellen sich zu einem, wenn man die neue Bayernausstellung "Projekt Freiheit - Memmingen 1525" der Stadt sowie des Hauses der Bayerischen Geschichte betritt. Es handelt sich um Projektionen auf die Wand, die anspringen, wenn man durch den Eingang geht. Die Bauernbilder begleiten einen hinein in den ersten von fünf Bereichen der Schau: das bäuerliche Leben vor einem halben Jahrtausend.
"Die Ereignisse von 1525 fallen ja nicht vom Himmel", sagt Kurator Fabian Fiederer. Dass damals in Memmingen die "Zwölf Artikel" verfasst worden seien - mit die frühesten Forderungen nach Freiheit überhaupt, etwa in Form der Abschaffung der Leibeigenschaft -, das habe eine Vorgeschichte gehabt: Das Leben auf dem Lande sei stark eingeschränkt gewesen.
So gab es das Verbot der "ungenossamen Ehe", wie auf einer Tafel zu lesen ist. Schiebt man sie hoch, erfährt man, dass Heiraten zwischen Untertanen verschiedener Herren oft verboten waren. Auch an anderer Stelle muss man Hand anlegen: dort, wo die bäuerlichen Abgaben gezeigt werden. Es gilt, drei Behälter voll Korn zu heben. Der erste stellt den Gesamtertrag dar, der zweite ist um die Abgaben an Grundherrn und Kirche erleichtert, der dritte noch um den Abzug des Saatguts. "Etwa ein Drittel seiner Ernte blieb dem Bauern übrig", erklärt Fiederer.
Kaum Originalstücke
Originelle Vermittlung, das mit den Korngewichten! "Wir haben versucht, aus der Not eine Tugend zu machen", entgegnet der Kurator. Es gebe aus der Bauernkriegszeit nur wenige Originalstücke. In der Ausstellung sehe man daher bloß zwei richtig alte Schätze: einen Originaldruck der "Zwölf Artikel" hier in der Hauptpräsentation im Dietrich-Bonhoeffer-Haus sowie die historische Decke in der Kramerzunftstube, in der Ende Februar oder Anfang März 1525 einige Dutzend Bauern aus der Region zwischen Ulm und Bodensee ihre Anliegen debattierten. "Also setzen wir bewusst auf große Bilder, Aktivstationen und mediale Inszenierungen."
Auch im zweiten Bereich, dem Stadtleben in Memmingen, geht's derart munter weiter. Dort ist Sebastian Lotzer zu erleben, der mutmaßliche Autor der "Zwölf Artikel". Wie der Laienprediger aussah, ist unklar. Passend also, dass er in einer Graphic Novel etwas anders erscheint als in einem Video. Rings um die Lotzers sind die Wände in zarten Frühlingstönen wie Lindgrün und Osterglockengelb gehalten - wieder passend. Schließlich liegt Anfang 1525 Neues in der Luft, frische Ideen knospen auf.
Beredtes Zeugnis davon legt in Bereich Nummer drei die nachgebildete Kramerzunftstube ab. Hier zeigt sich, dass die Bauern anfangs uneins über ihr Vorgehen waren. Am Ende setzten sich jene durch, die auf gewaltfreien Protest pochten.
Immense Dimensionen
Nach der Versammlung verbreiteten sich die "Zwölf Artikel" rasend schnell, wie im vierten Bereich mit dem Originaldruck zu erfahren ist. Mehr als 25.000 Exemplare in nur zwei Monaten sollen erschienen sein, und das zwischen Straßburg und Breslau - für die damalige Zeit immense Dimensionen. Die Deckblätter sahen dabei unterschiedlich aus. Wer mag, kann an einer Stempelstation selbst mal diverse Motive ausprobieren.
Dann kommt Bereich Nummer fünf: Welche Folgen hatten die "Zwölf Artikel"? Von April bis Juli 1525 tobte nach gescheiterten Verhandlungen besonders in Schwaben der sogenannte Bauernkrieg. Am Ende gab es schätzungsweise 70.000 Tote. "Doch trotz des Siegs der Obrigkeit wurden partiell Forderungen der Bauern umgesetzt", informiert Kurator Fiederer. So seien etwa im Fürststift Kempten die Heiratsregeln gelockert worden.
Wie riecht Freiheit?
Bleibt noch das, was Fiederer den "Freiheits-Epilog" nennt. Da kann man an einer Medienstation seine eigenen Vorstellungen von Freiheit auf die Wand schreiben.
Und dann, beim Rausgehen, wird's noch mal besonders einfallsreich: Die Ausstellungsmacher haben einen Geruchsdesigner den vielzitierten "Duft der Freiheit" kreieren lassen. Drei Ausführungen erfüllen die Nase mit Noten von Wald (Freiheit in der Natur), Leder (beim Sausen in der Motorradkutte) und ätherischen Ölen (beim Bad im weiten Wasser). Schade, dass diese dufte Schau nun fast zu Ende ist!
Direkt am Aushang hängen noch ikonische Freiheitsbilder, etwa von Menschen, die auf der Berliner Mauer deren Fall feiern. Doch wird es mit der Freiheit so weitergehen? Dass die Schau sich um aktuelle Freiheitsbedrohungen nicht schert, kann man als kleines Manko werten. Oder als Auftrag, sich selbst damit zu befassen und für die Freiheit einzustehen.