Nach jahrelangem Warten wird in der Elfenbeinküste endlich gewählt

Hoffen auf den Neuanfang

Die Präsidentschaftswahl in der Elfenbeinküste ist die erste in der einstigen afrikanischen Vorzeigenation seit Ausbruch eines Bürgerkrieges 2002 und der darauf folgenden Teilung des Landes. Beobachter rechnen damit, dass keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang die nötige absolute Mehrheit erreichen wird.

Autor/in:
Marc Engelhardt
 (DR)

Charles kann immer noch nicht glauben, dass die Präsidentenwahl in der Elfenbeinküste an diesem Sonntag tatsächlich stattfinden soll. "Irgendwie erwarte ich, dass sie auch diesmal in letzter Minute verschoben wird", sagt der Hotelportier mit stockender Stimme. "Aber wenn wir endlich abstimmen dürfen, bin ich bereit."



Wie die meisten der Bewohner von Abidjan, der Wirtschaftsmetropole und heimlichen Hauptstadt des westafrikanischen Landes, hat Charles bereits seinen Wahlausweis erhalten. Auf dem Land hingegen fehlt noch jedem fünften Wahlberechtigten die Bescheinigung. Die Wahlkommission erwägt deshalb, auch Wähler ohne Ausweis abstimmen zu lassen.



"Wer auf den Wählerlisten steht und sich identifizieren kann, darf wählen", verspricht der Chef der Wahlkommission, Youssouf Bakayoko. "So wollen wir vermeiden, dass es gewaltsame Proteste gibt." Auch die Kandidaten rufen unisono dazu auf, friedlich abzustimmen. Denn die Wahl, bei der gut 5,7 Millionen Wahlberechtigte über den nächsten Präsidenten entscheiden sollen, ist auch ein Test, ob die einst als Afrikas Vorzeigenation geltende Elfenbeinküste (Cote d"Ivoire) an alte Zeiten anknüpfen kann.



Wirtschaft als Kernthema

Nur wenn von der Wahl ein Zeichen der Stabilität ausgeht, dürfte sich die Wirtschaft in der schwer angeschlagenen Nation weiter erholen. Zwar liefert die Elfenbeinküste bis heute gut 40 Prozent des Weltmarktbedarfs an Kakaobohnen, doch das allein reicht nicht aus, um das wachsende Heer der Arbeitslosen zu beschäftigen. Im Wahlkampf ist die ökonomische Zukunft des Landes daher ein Kernthema. "Wir müssen mindestens zwei Millionen Tonnen Kakaobohnen produzieren", wirbt Präsident Laurent Gbagbo für eine Verdopplung der Agrarleistungen.



Ex-Präsident Henri Konan Bédié wirbt hingegen für eine Abkehr vom Agrarsektor. "Unser Ziel ist es, den Rohstoff- und Energiesektor zum wirtschaftlichen Entwicklungsmotor zu machen", rief Bédié seinen Anhängern bei Wahlkampfveranstaltungen immer wieder zu. Der langjährige Oppositionelle Alassane Ouattara stellt hingegen die Versöhnung des über Jahre geteilten Landes in den Mittelpunkt. "Ich verspreche eine Regierung der nationalen Einheit", sagte Ouattara jüngst in einem Interview mit dem Magazin "Jeune Afrique".



In Umfragen liegt Gbagbo vor Bédié. Doch in einem weithin erwarteten zweiten Wahlgang würde sich der nach Prognosen drittplatzierte Ouattara sicherlich auf die Seite von Gbagbos Gegenspieler stellen. Denn Gbagbos Weigerung, Ouattara als Präsidentschaftskandidaten zuzulassen, hatte die Krise in der Elfenbeinküste mit angeheizt. Gbagbo, der mit rassistischen Parolen gegen zugewanderte Gastarbeiter aus benachbarten Sahelstaaten gehetzt hatte, hatte Ouattara als "Ausländer" gebrandmarkt, weil seine Eltern keine "reinen Ivorer" seien.



Angst vor Terror

Mit der gleichen Begründung waren Millionen Menschen mit Eltern oder Großeltern anderer Nationalität von den Wahlen ausgeschlossen worden. Nach dem Friedensvertrag von 2007, der die Teilung des Landes in Nord und Süd beendete, vereinbarten beide Seiten zwar einen Kompromiss, der sich in der Einigung auf eine Liste mit 5,7 Millionen Wählern niederschlägt. Doch die Ex-Rebellen der "Forces Nouvelles" sind noch ebenso präsent wie Gbagbos berüchtigte Schlägertruppe, die "Jeunes Patriotes".



Deren Chef in Bouaké, der größten Stadt im Zentrum des Landes, hat in Interviews bereits angekündigt, einen Sieg von Gbagbos Gegnern nicht zu akzeptieren. "Wir werden keinem von denen, die das Land geteilt haben, erlauben, Präsident zu werden", erklärt Watchard Kdjebo. "Und selbst wenn ein solcher Kandidat gewählt wird, werden wir ihm nicht erlauben, zu regieren." Andere befürchten, dass die "Forces Nouvelles" wieder zu den Waffen greifen werden, wenn sich Gerüchte über Wahlfälschungen verbreiten sollten.



Im Westen der Elfenbeinküste hat der Staat ohnehin schon die Kontrolle verloren. Dort terrorisieren Rebellengruppen und Milizen die Bevölkerung. Die korrupte Polizei schaue tatenlos zu, heißt es in einem aktuellen Bericht der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch". "Die Gangs schlagen an Markttagen zu oder bei der Kakaoernte, wenn sich Arbeiterinnen in großen Gruppen versammeln", heißt es dort. Hunderte Frauen seien so Opfer von Vergewaltigungen geworden. Die Entwaffnung der Rebellen im Westen der Elfenbeinküste ist nur eines von vielen ungelösten Problemen des Landes.