Nach Ja zu Bischöfinnen drohen Konservative mit Abwanderung

Gewitter über anglikanischen Himmeln

Die Reaktionen der Traditionalisten sind wütend, das hilfslose Achselzucken der Gemäßigten glaubhaft: Die Entscheidung der Generalsynode der Kirche von England, den Weg für Frauen zum Bischofsamt freizumachen, wird das Fass in der anglikanischen Gemeinschaft aller Voraussicht nach zum Überlaufen bringen. Wer, so fragen sich die Beobachter einhellig, will die auseinanderdriftende Herde bei der bevorstehenden Lambeth-Konferenz in Canterbury noch zusammenhalten?

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Zu der nur alle zehn Jahre tagenden Synode sind rund 800 Bischöfe und Spitzenvertreter der 78 Millionen Anglikaner weltweit geladen, um den künftigen Kurs der Kirche festzustecken. Dort wird alles aufs Tapet kommen, was sich an Wut beim konservativen Flügel aufgestaut hat. Die Zulassung von Frauen zum geistlichen Amt 1992; die Bischofsweihe eines bekennenden Homosexuellen in den USA 2003; nun das Ja zu Bischöfinnen in der Mutterkirche von England: immer neue Nackenschläge für den konservativen Flügel.

Immer wieder wurden immer abenteuerlichere Kompromissformeln und Krückenkonstruktionen gesucht, um ein Ende der Kircheneinheit zu verhindern: sogenannte Fliegende Bischöfe oder Superbischöfe, die sich um dissidente Gemeinden und Gemeindemitglieder kümmern, die liberale, homosexuelle oder weibliche Bischöfe oder Pfarrer ablehnen. Mit einem neuen Vorschlag wurde am Mittwoch in der britischen Presse der Bischof von Ebbsfleet, Andrew Burnham, zitiert: katholische Bischöfe, die auf Geheiß Roms konservative anglikanische Gemeinden betreuen könnten - die aber dennoch anglikanisch bleiben.

All solche Modelle kamen bei der Generalsynode in York nicht zum Zug. Dass die liberale Mehrheit den Konservativen keinerlei weitere Zugeständnisse machte, sondern in der Frage der Bischöfinnen bestimmt blieb, macht die Traditionalisten besonders verbittert.

Immerhin hatten sich die Nummer eins und zwei der kirchlichen Hierarchie, die Erzbischöfe Rowan Williams und John Sentamu, für weitere Kompromisse stark gemacht - mutmaßlich sogar gegen ihre persönliche Überzeugung. Eine letzte Hoffnung bleibt den
Traditionalisten: dass beim nun beginnenden mehrjährigen Gesetzgebungsverfahren zumindest in einem der drei Häuser der Synode, dem der Laien, die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit ausbleibt - und das Ja zu den Bischöfinnen doch noch kippt.

Martialisch sind die Vokabeln der Beobachter, die beschreiben, was den Ehrenprimas der anglikanischen Weltgemeinschaft Williams in den kommenden Tagen bei der Lambeth-Konferenz erwarten dürfte. Sein Kredit ist nach der Schlappe von York aufgebraucht. Die jahrelange Demontage des liberalen Denkers, der sich verzweifelt und bis zur Selbstverleugnung vermittelnd zwischen alle Stühle gesetzt hat, könnte ausgerechnet an seinem Amtssitz in Canterbury einen dramatischen Showdown erleben. National wie international haben sich in den vergangenen Wochen bereits die Gegner positioniert.

Schon seit langem ventilieren konservative Anglikaner das Drohbild einer neuen Abwanderungswelle in Richtung katholischer Kirche, wie es sie bereits 1992 nach der Zulassung von Frauen zum Priesteramt zu Hunderten gegeben hatte. Damals konvertierte sogar die Nummer drei der englischen Hierarchie, Bischof Graham Leonard von London, und wurde einfacher katholischer Pfarrer.

Den Vatikan und die katholische Kirche in England kann die jüngste Entwicklung - und selbst ein möglicher Zulauf - nicht freuen. Nicht nur, dass mit einer möglichen Aufnahme verheirateter Geistlicher oder gar ganzer Gemeinden schwierige theologische und auch organisatorische Fragen aufgeworfen werden. In der Vergangenheit betonte Rom, dass eine bloße Ablehnung des Frauenpriestertums allein nicht für eine Aufnahme in die katholische Kirche ausreiche; nötig sei die Gesamtheit des katholischen Glaubensgutes. Zudem müsse ein Übertritt individuell und nicht kollektiv erfolgen.

Viel schwerer aber als solche praktischen Probleme wiegt der Flurschaden der jüngsten Beschlüsse für die Ökumene - als dem höherrangigen Ziel. Der päpstliche Ökumene-Minister, Kurienkardinal Walter Kasper, der auch bei der Lambeth-Konferenz in Canterbury den katholischen Standpunkt darlegen wird, nannte die Frauenordination einen «Bruch mit der apostolischen Tradition», mit einer Praxis, die alle Kirchen des ersten Jahrtausends beachtet hätten. Der Vatikan sieht in ihr «ein weiteres Hindernis für die Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und der Kirche von England» - zweier Kirchen, die sich noch vor einigen Jahren theologisch beachtlich nahe standen.

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