Nach Ehescheidungen leidet oft auch der Kontakt der Kinder zu Oma und Opa

Verstoßene Großeltern

Ehescheidungen und der Streit der Eltern um das Sorgerecht beeinträchtigten oft auch den Kontakt zu den Großeltern. Die Zahl der Betroffenen ist in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegen. Und nicht nur sie leiden unter der Situation.

Autor/in:
Charlotte Morgenthal
 (DR)

Wenn Marianne Davids von ihrem Enkel erzählt, dann berichtet sie von Erinnerungen. Obwohl sie und ihr Enkelsohn in Hamburg wohnen, darf die 64-Jährige ihn seit mehr als vier Jahren nicht sehen. Seit der Ehescheidung hat die Schwiegertochter den Kontakt abgebrochen, wechselte Telefonnummern und Adressen.



Marianne Davids denkt jeden Tag an ihren zwölfjährigen Enkelsohn. "Früher haben wir viel gemeinsam unternommen", erzählt sie leise. Einmal in der Woche war "Oma-Tag". Dann holte sie den Enkel von der Kindertagesstätte ab und sie gingen zum Schwimmen oder spielten miteinander. Sie vermisst ihren Enkel und fürchtet, er glaube, seine Oma wolle nichts mehr mit ihm zu tun haben. "Ihn wenigstens einmal zu sehen, wäre mein größter Wunsch."



Zwar könnten die Großeltern ein Umgangsrecht juristisch einfordern, sagt der Jurist und Mediator, Professor Roland Proksch von der Evangelischen Fachhochschule Nürnberg. Sie hätten vor Gericht aber längst nicht dieselben Chancen wie die Eltern. Im Machtkampf voller verletzter Gefühle nach einer Trennung würden die Kinder oft als Waffe eingesetzt. Diese Erfahrung sei für alle sehr schmerzlich.



Es gibt Selbsthilfegruppen

Eine gute Beziehung zu Oma und Opa sei für die Kinder wichtig, betont der Psychotherapeut Axel Gerland aus Hannover. "Großeltern haben oft unglaublich viel Zeit und können viel präsenter als die Eltern sein." Das lasse Raum für ein liebevolles Miteinander, das vom täglichen Erziehungsdruck der Eltern befreit sei. "Großeltern erziehen auf sanftere Art und Weise und das kann sehr nachhaltig sein."



Marianne Davids besucht seit ein paar Wochen die Selbsthilfegruppe für "Verstoßene Großeltern" in Hamburg. Sie weiß jetzt, dass sie nicht allein mit ihrem Problem ist. Seit rund zwei Jahren suchten rund 100 Betroffene bei den regelmäßigen Treffen um Rat, berichtet Gründerin Margrit Thomas. "Jeder erzählt seine Geschichte, aber die meisten ähneln sich." In manchen Fällen dürften die Großeltern ihre Enkel nach einiger Zeit wiedersehen. "Es hilft, etwas zu tun, bevor die Sache eskaliert."



Margrit Thomas selbst war dreimal vor Gericht, um ein Umgangsrecht mit den Enkelkindern zu erwirken. Eine gerichtliche Regelung komme dann infrage, wenn in der Familienbeziehung nichts mehr zu retten sei, sagt sie. Viele Großeltern kämpften aber auf verlorenem Posten. Thomas hat zwar durchgesetzt, dass sie ihre Enkelkinder einmal in der Woche sehen darf. Die wollen jedoch die Oma nicht treffen, aus Angst den Vater zu verletzen.



Das Gefühl von Machtlosigkeit

Psychotherapeut Gerland rät zu überlegtem Handeln. Die Großeltern sollten überraschende Anrufe oder Besuche vermeiden, da diese den Konflikt oft verschärften. Stattdessen sollten sie versuchen, den Kontakt vorsichtig aufzunehmen. Beispielsweise könnten sie an Feiertagen wie Ostern und Weihnachten oder an Geburtstagen den Kindern Briefe schreiben oder Geschenke schicken. Erhielten sie eine Antwort, sei dies oft ein erster Schritt. "Wenn die Kränkung allerdings so groß ist, bleibt der Konflikt erst einmal bestehen."



Marianne Davids will die Hoffnung noch nicht aufgeben, dass ihr Enkelsohn irgendwann vielleicht doch den Wunsch äußert, seine Oma wiederzusehen. Über seinen Vater lässt sie ihm Briefe und Geschenke zukommen. Bisher habe sie keine Antwort erhalten, erzählt sie traurig: "Ich bin ein Mensch, der immer etwas macht, aber ich fühle mich so machtlos."