Nach dem Synodalen Weg ist vor den nächsten Debatten

Wie geht es nun weiter?

Kaum ist der Synodale Weg in Deutschland beendet, gehen die Auseinandersetzungen weiter. Es ist klar: Dieser Weg wird ein weiter sein. Manche Bistümer wollen schnell Fakten schaffen, andere äußern sich eher zurückhaltend.

Autor/in:
Roland Juchem
Pressekonferenz zum Auftakt der fünften Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht (KNA)
Pressekonferenz zum Auftakt der fünften Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Da war man im Bistum Osnabrück dann doch erstaunt, wie schnell Bischof Franz-Josef Bode Beschlüsse des Synodalen Wegs umsetzen will. Nur drei Tage nach Abschluss der 5. Vollversammlung des Reformprojekts in Frankfurt teilte er über seine Pressestelle mit: Dank Vorarbeit auch im eigenen Bistum "kann ich alle Paare in unserem Bistum, die nicht kirchlich heiraten können oder wollen, ihre Beziehung aber dennoch unter einen kirchlichen Segen stellen möchten, dazu ermutigen, sich bei uns zu melden".

Bischof Franz-Josef Bode / © Maximilian von Lachner (SW)
Bischof Franz-Josef Bode / © Maximilian von Lachner ( SW )

"Das hat uns doch sehr überrascht", meint ein Priester und berichtet von entsprechenden Gesprächen mit Kollegen. Gerade zu den Segensfeiern gebe es doch noch Details zu klären: Welchen Paaren etwa wolle man eine Segensfeier anbieten: für den 34-jährigen Homosexuellen, der seit zehn Jahren mit seinem Partner zusammenlebt, oder auch für die 14-Jährige, die erst seit vier Wochen mit ihrem Freund zusammen ist?

Ungeklärte Fragen

Zudem müsse man all jene mitnehmen, die solche Segensfeiern anbieten und feiern sollen. Bisher gab es solche Segnungen eher still und in ganz kleinem Rahmen. Für eine öffentlich-offizielle Form aber müsste die Bekanntgabe etwa im Pfarrbrief ebenso geklärt sein wie der Ritus der Feier selbst. Gibt es "nur" ein Gebet und einen Segen? Oder ist ein vorausgehender Dialog mit dem Paar vorgesehen - ähnlich wie bei einer kirchlichen Trauung?

Ebenso rasch möchte Bode Nicht-Kleriker beauftragen, Taufen zu spenden und in Eucharistiefeiern zu predigen. Das, so meinen Seelsorger, dürfte einfacher werden, weil es im Bistum schon besser vorbereitet ist oder bereits praktiziert wird. Zudem gebe es entsprechende Regelungen in den Diözesen Essen und Rottenburg-Stuttgart.

So soll in den nächsten Monaten in Osnabrück eine erste Gruppe haupt- und ehrenamtlicher Laien befähigt werden, das Taufsakrament zu spenden. Eine vorläufige Ordnung für Fort- und Weiterbildung sowie den Einsatz entsprechend beauftragter Laien werde er "in den nächsten Tagen in Kraft setzen", so Bode. Für den Predigtdienst von Laien werde ebenfalls "zeitnah eine entsprechende Diözesanordnung entwickelt werden".

Weltkirchliche Klärung nötig

Bischof Heiner Wilmer auf der fünften Synodalversammlung / © Maximilian von Lachner (SW)
Bischof Heiner Wilmer auf der fünften Synodalversammlung / © Maximilian von Lachner ( SW )

Während Bode in Osnabrück Fakten schaffen will, äußerte sich sein Nachbar Heiner Wilmer deutlich zurückhaltender. Zwar befürwortet auch der Hildesheimer Bischof die beschlossenen Reformen. In einem Schreiben an Gremien und Mitarbeiter seiner Diözese betonte er zugleich, etliches davon lasse sich nur weltkirchlich und mit Rom klären. "Wir sind gegenwärtig weltweit Kirche mit unterschiedlichen Vorstellungen über den weiteren Weg und zugleich ist es unser weltweites Selbstverständnis, dass die Einheit gewahrt werden soll."

Handschlag: Bischof Georg Bätzing und Kardinal Woelki / © Robert Michael (dpa)
Handschlag: Bischof Georg Bätzing und Kardinal Woelki / © Robert Michael ( dpa )

Kölns Erzbischof Rainer Maria Woelki hingegen verwies für mögliche Segnungen homosexueller Paare auf eine notwendige Entscheidung des Vatikans. Der Kardinal wisse "um den tiefen Wunsch von gleichgeschlechtlichen Paaren nach einem kirchlichen Segen, was der Erzbischof gut nachempfinden kann", erklärte das Erzbistum. Im Übrigen gehe Woelki davon aus, dass sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, in Rom um eine Klärung der Frage bemühen werde und "wartet die Stellungnahme des Heiligen Stuhls dazu ab".

"Im Kern gescheitert"

Damit wäre der Schwarze Peter bei Bätzing, der sich so im Vatikan die nächste Abfuhr einholen könnte. Denn dort hatte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin kurz zuvor gesagt: Zur Segnung homosexueller Partnerschaften habe sich der Heilige Stuhl klar geäußert. Eine Ortskirche könne "keine Entscheidung treffen, die die Disziplin der Weltkirche betrifft".

Fazit: Nach dem Synodalen Weg ist vor weiteren Auseinandersetzungen. So meinte Gregor Podschun, Vorsitzender des Jugend-Dachverbands BDKJ, der Synodale Weg habe zwar "etwas bewegt", er sei aber "in seinem Kern gescheitert". Noch immer würden "diskriminierende Strukturen gewollt aufrechterhalten". Auf der anderen Seite der Debatten-Arena rufen ehemalige Kurienkardinäle in Rom nach kirchenrechtlichen Disziplinarmaßnahmen.

Kardinal Gerhard Ludwig Müller / © Francesco Pistilli (KNA)
Kardinal Gerhard Ludwig Müller / © Francesco Pistilli ( KNA )

Sollten jene deutschen Bischöfe, die für die strittigen Reformbeschlüsse gestimmt haben, "sich nicht bekehren und die katholische Lehre annehmen", müsse es einen Prozess geben, der gegebenenfalls zur Amtsenthebung führt, sagte Kardinal Gerhard Ludwig Müller im Interview mit dem privaten katholischen US-Sender EWTN.

Gegenüber dem Portal "Tichys Einblick" ging Müller noch weiter: Die Lage in Deutschland sei schlimmer als ein Schisma. Denn dort sei "das Wesen des Christlichen preisgegeben zugunsten seiner Transformation in einer Variante der materialistischen und nihilistischen Wokekultur der Selbsterlösung und Selbsterschaffung des Menschen."

Burke fordert Sanktionen

Ihm sekundierte Kardinal Raymond Burke, der bei EWTN dazu aufforderte, Bischöfe zu sanktionieren, die für die Segnung homosexueller Partnerschaften gestimmt haben. Das Kirchenrecht sehe entsprechenden Sanktionen vor. Im Übrigen sage auch Papst Franziskus "Dinge, die sehr klar sind und mit der Lehre der Kirche zu diesen Themen übereinstimmen".

Allerdings sagt Franziskus mitunter auch anderes. So zeigten ihm Belgiens Bischöfe bei ihrem Ad-limina-Besuch Ende November zwei Textentwürfe für Situationen, in denen homosexuelle Personen oder Paare einen "Moment des Gebets" erbitten. Darin ist vom Wunsch die Rede, dass Gott ihr "Engagement für Liebe und Treue segnen und weiterführen möge". An anderer Stelle heißt es: "Sorge dafür, dass sie sich fest und treu zueinander bekennen".

Das hat der Papst laut dem teilnehmenden Antwerpener Bischof Johan Bonny mit der Bemerkung durchgewunken, dass die Belgier das machen dürften, sofern die Bischofskonferenz darüber einig sei. Die Uneinigkeit der Deutschen Bischofskonferenz könnte Rom also weiterhin Anlass zum Eingreifen bieten.

Positive Reaktionen aus Deutschland

Deutlich positiver als im Vatikan fallen Reaktionen in Deutschland aus. So würdigte die Katholische Frauengemeinschaft (kfd) den Beschluss zur Zulassung von Frauen zum Diakonat, der in Rom vorgelegt werden soll, als "hart erkämpften Meilenstein". "Wir setzen uns nun konsequent ein, dass wir nicht weitere 50 Jahre auf die erste Priesterin warten müssen."

Die Initiative "Wir sind Kirche" sprach von einem "weltweit beispielhaften Prozess". Der in Frankfurt gewählte Synodale Ausschuss könne eine "Zeitenwende für eine wirklich synodale Kirche" werden. Indes wird eine solche Einschätzung des deutscher Synodalwesens im Ausland nur von wenigen geteilt.

"Streiten können wir auch selbst"

Vor allem die Debattenkultur der deutschen Synodalversammlung unterscheidet sich stark von den synodalen Prozessen, wie sie Franziskus in der gesamten katholischen Kirche etablieren möchte. In dieser Hinsicht enttäuscht äußerte sich etwa die Wiener Theologin Raphaela Pallin, seit Beginn des Synodalen Weges in Frankfurt offizielle Beobachterin der Österreichischen Bischofskonferenz.

In ihrem Schlussstatement als Beobachterin zitierte Pallin aus Rückfragen, mit denen sie in Österreich konfrontiert worden sei. Einer ihrer Kollegen habe gemeint: "Um einzelne Ausdrücke wird gerungen, Einmütigkeit aber selten erreicht." Und ein Pfarrer: "Solange der 'Synodale Weg' nicht vorlebt, wie man in Liebe um Einmütigkeit ringt, ist er für uns bedeutungslos - streiten können wir auch selbst."

Pallin selbst hinterfragte die deutsche Rezeption von Stimmen aus anderen Ländern: "Erstaunt hat nicht nur mich, dass kritische Anmerkungen aus anderen Teilkirchen zu Prozessen und Inhalten des deutschen Synodalen Wegs kaum erkennbar aufgegriffen, beziehungsweise sogar uminterpretiert wurden."

Überraschende Parallelen

Divergenzen zwischen Deutschland und anderen Ländern gibt es in der Debattenkultur und im Abstimmungsverhalten, das sich in Frankfurt stark an Parlamenten und Parteitagen orientierte. Bei den Themen hingegen gab es überraschende Parallelen. Hier wie anderswo wurde das Verhältnis zwischen Laien und Klerikern als Problem benannt, aber auch die Rolle von Frauen und von Jugendlichen. Nur wurden sie in Asien, Afrika oder Nahost weniger als Machtfrage, eher als Suche nach besserer Zusammenarbeit verhandelt. Doch auch dort gab es Kritik am Klerikalismus, an zu viel Bischofsmacht und am Ist-Zustand der innerkirchlichen Rollenaufteilung.

"In unserer Kirche werden Probleme größtenteils einvernehmlich geregelt, aber einige Konflikte werden nicht angemessen behandelt, was die betroffenen Laien, Geistlichen und Ordensleute betrübt zurücklässt", schrieb etwa ein Vertreter der ugandischen Erzdiözese Kampala auf "katholisch.de".

Der Umgang mit Missbrauch, das Thema Sexualität oder Weiheämter für Frauen, so der Generalsekretär der Indischen Bischofskonferenz für sein Land, kamen eher am Rande zur Sprache. Stattdessen sei es stärker um Glaubensvermittlung unter dem Druck sozialer Medien und gesellschaftlicher Gleichgültigkeit gegangen oder um gesellschaftspolitisches Engagement, etwa für Migranten und die Umwelt.

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Wie also geht es weiter mit dem Synodalen Weg der Deutschen? In seiner ersten Stellungnahme betonte Parolin auch, dass "der Dialog im Rahmen des synodalen Weges der Weltkirche fortgesetzt wird". Das klingt so, als könnte der Wunsch des Konferenzvorsitzenden Bätzing nach baldigen weiteren Gesprächen in Rom zumindest beim Kardinalstaatssekretär auf offene Ohren treffen. Dass man den Deutschen vor dem Beginn der Weltsynode im Oktober ein gesondertes, großes Forum in Rom bieten wird, ist jedoch unwahrscheinlich.

Kirchendiplomatie der kleinen Schritte

Eher wird die Kirchen-Diplomatie der kleinen Schritte weitergehen. Bischöfe wie Bertram Meier (Augsburg), Wilmer (Hildesheim), Franz-Josef Overbeck (Essen), Bode (Osnabrück), Felix Genn (Münster), Woelki (Köln) aber auch der Vorsitzende Bätzing (Limburg) waren teils mehrfach in Rom, um über Reformen zu sprechen. Kardinal Reinhard Marx, Mit-Erfinder und entschiedener Befürworter des Synodalen Wegs, war als Koordinator des vatikanischen Wirtschaftsrates und Mitglied des Kardinalsrates regelmäßig bei Franziskus.

Auch deutsche Politiker wie Armin Laschet, Markus Söder, Christian Wulff, ja sogar Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier, waren beim Papst und warben in ihren Gesprächen zumindest am Rande für das Anliegen des SynodalenWeges. Zuletzt legte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein noch einmal um Verständigung werbend nach. Alles vergebens?

"Ich bin der festen Überzeugung, dass noch viel gesprochen und noch viel Kommunikation betrieben werden muss, damit es nicht zu einem Konflikt in der Kirche kommt", lautete Rheins Fazit nach seinen Gesprächen vergangene Woche im Vatikan. Diese Woche folgt sein ebenfalls katholischer NRW-Kollege Hendrik Wüst. 

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA