Mutter-Kind-Häuser helfen immer mehr Frauen

Die Gesichter der Statistiken

Die neue OECD-Studie hat die Daten nüchtern präsentiert. In keinem anderen Industrieland hat die Armut in den vergangenen Jahren so schnell zugenommen wie in Deutschland.

Autor/in:
Volker Hasenauer
 (DR)

Besonders betroffen sind Kinder von Alleinerziehenden. Für sie sind Mutter-Kind-Einrichtungen wie die der Caritas in Freiburg ein Segen. In der Freiburger Mutter-Kind-Beratungsstelle des Sozialdiensts katholischer Frauen (SkF), einem Fachverband der Caritas, bekommen die Statistiken ein Gesicht. Deborah H. und ihr Sohn Yannik zum Beispiel wussten vor wenigen Monaten nicht, wie sie überleben sollten. Ihr Partner warf die 24-Jährige aus der gemeinsamen Wohnung, als sie schwanger wurde; sie verlor ihren Job bei einer Zeitarbeitsfirma, ihre Mutter nahm sie nicht auf.

"Ich war völlig allein und meine psychische Erkrankung und meine Aggressionen wurden immer schlimmer", erzählt die junge Frau. Nach Wochen in der Psychiatrie und dem Scheitern in einem Frauenhaus ist Deborah H. seit einem halben Jahr in der Freiburger Mutter-Kind-Einrichtung, wo sie sich von Anfang an wohlfühlte. "Es ist die letzte Chance auf ein normales Leben und die letzte Chance, dass mir mein Kind nicht weggenommen wird; die will ich nutzen."

"So große Not habe ich noch nicht erlebt"
Acht Mütter und ihre Kinder leben in den Räumen der Mutter-Kind-Einrichtung (MuK) auf zwei Etagen eines großen Wohnhauses nahe der Freiburger Stadtmitte. Es ist eng, an manchen Stellen müsste die Tapete erneuert werden. Im nächsten Jahr will die MuK in ein größeres, eigenes Gebäude umziehen.

"Ich leite unser Haus seit zehn Jahren, aber so große Not und so viele Anfragen wie in den letzten Monaten habe ich noch nicht erlebt", berichtet Sozialpädagogin Daniela Doßmann. Mittlerweile rufen hilfesuchende Mütter, Psychiatrien und Jugendämter aus ganz Deutschland an. Waren es vor einigen Jahren vor allem sehr junge Mütter, die Doßmanns Team begleitete, haben sich die Nöte der Hilfesuchenden nun verändert.

Die Zahl der psychisch kranken Mütter ist dramatisch gewachsen.
Missbrauchte Frauen oder ältere Mütter, die schon ein erstes Kind an Pflegeeltern abgeben mussten, suchen Zuflucht. Oder auch Frauen, die wegen eigener Krankheit ihr Kind vernachlässigen und denen deshalb ihr Kind entzogen werden könnte. "Wir sind ein Sammelbecken für Multi-Problem-Familien geworden und dafür eigentlich weder finanziell noch personell angemessen ausgestattet", so Doßmann. Durch den Austausch mit Kolleginnen in anderen Städten weiß sie, dass die Lage bundesweit ähnlich ist.

Der Trend geht zu stationären Einrichtungen
Eine Erfahrung der vergangenen Jahre ist, dass die lange besonders geförderten ambulanten Angebote für Alleinerziehende nicht immer dazu führen, dass Kinder und Mütter eine Chance auf ein gutes Leben haben. Der Trend geht daher wieder zu stationären Mutter-Kind-Einrichtungen, auch wenn die Jugendämter die damit verbundenen Kosten scheuen - ein Platz für eine Mutter mit Kind kostet in Freiburg beispielsweise täglich 210 Euro.

"Das ist teuer, aber unsere Erfahrung zeigt, dass sich die Investition in das Kindeswohl rechnet", ist Leiterin Doßmann überzeugt. Die Töpfe der Jugendhilfe aber sind leer. Für Deborah H. ist die Finanzierung ihres Platzes jedoch vorerst gesichert. "Ich bereite mich auf eine kaufmännische Lehre vor. Dass ich mein Leben nach sechs Monaten hier schon wieder so weit im Griff habe, hätte ich nicht zu träumen gewagt."