Museum in Rom erinnert an neue Märtyrer

Von Oscar Romeros Messgewand zu Jacques Hamels Stundenbuch

Märtyrer sind nicht nur ein Phänomen des frühen Christentums. Auch in der jüngeren Vergangenheit – bis hin zur Gegenwart – sind Menschen wegen ihres Glaubens gestorben. Ein Museum in Rom zeigt ihre Geschichten.

Autor/in:
Anita Hirschbeck
Gedenkstätte der Märtyrer des 20. Jahrhunderts in der Basilica San Bartolomeo all'Isola der Gemeinschaft von Sant Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Gedenkstätte der Märtyrer des 20. Jahrhunderts in der Basilica San Bartolomeo all'Isola der Gemeinschaft von Sant Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Gebetbücher, Kreuze, Rosenkränze – auf den ersten Blick scheint das kleine Kirchenmuseum in Rom jene Gegenstände auszustellen, die ein frommer Mensch eben besitzt. Auf den zweiten Blick entdecken Besucherinnen und Besucher der unterirdischen Räume auf der Tiber-Insel dann aber doch die berührenden und schockierenden Geschichten, die hinter den unscheinbaren Gegenständen stecken.

Kleine Dinge mit großen Geschichten 

Da ist zum Beispiel der Stein, mit dem der polnische Priester Jerzy Popieluszko 1984 von Offizieren des kommunistischen Staatssicherheitsdienstes erschlagen worden sein soll. Eine Texttafel mit Popieluszkos Porträt erzählt die Hintergründe. Da sind die Briefe des österreichischen Bauern Franz Jägerstätter, die er kurz vor seinem Tod 1943 in einem Gefängnis in Berlin schrieb. Hingerichtet wurde der Katholik, weil er aus Glaubensgründen den Dienst in Hitlers Wehrmacht verweigerte. Da ist die kleine, zerbrochene Engelsfigur, die 2019 bei einem der Opfer der Bombenanschläge auf Kirchen und Hotels in Sri Lanka gefunden wurde. Damals – an einem Ostersonntag – starben rund 250 Menschen.

Gedenkstätte der Märtyrer des 20. Jahrhunderts in der Basilica San Bartolomeo all'Isola der Gemeinschaft von Sant Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Gedenkstätte der Märtyrer des 20. Jahrhunderts in der Basilica San Bartolomeo all'Isola der Gemeinschaft von Sant Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Zu sehen sind auch ein Messgewand des regierungskritischen Befreiungstheologen Oscar Romero, der 1980 in San Salvador erschossen wurde, die Stola des sizilianischen Priesters Giuseppe Puglisi, der 1993 der Mafia zum Opfer fiel sowie eine Reliquie des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen, der im Zweiten Weltkrieg öffentlich die Nazi-Politik der "Vernichtung lebensunwerten Lebens" kritisierte.

Initiative von Papst Johannes Paul II.

Getragen wird das "Sanktuarium der neuen Märtyrer des 20. und 21. Jahrhunderts" von der christlichen Gemeinschaft Sant'Egidio. Wie viele Ausstellungsstücke in der Krypta unterhalb der Basilika San Bartolomeo genau zu sehen sind, kann die Presseverantwortliche Rita Simeoni nicht genau beziffern. Seit 1999 werden in der Kirche die Reliquien von christlichen Märtyrern der heutigen Zeitzusammengetragen – also von Menschen, die wegen ihres Glaubens gestorben sind.

Das Museum geht auf eine Initiative von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) zurück. In Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000 setzte er eine Kommission ein, die sich mit dem christlichen Martyrium im 20. Jahrhundert beschäftigen sollte. "Die Generation, der ich angehöre, kennt den Horror von Krieg, Konzentrationslagern, Verfolgung", so der Papst damals. Doch auch hier habe es Menschen gegeben, deren Glaube und Taten von Jesus inspiriert gewesen seien. "Die Erinnerung an sie soll nicht verloren sein, sondern erhalten und dokumentiert werden."

Römischer Erinnerungsort 

Die Kommission sammelte Briefe, Dokumente und Andachtsgegenstände von Märtyrern aus der ganzen Welt. Nach dem Heiligen Jahr übernahm Sant'Egidio die Aufgabe. Nach und nach habe sich die Nachricht über den römischen Erinnerungsort verbreitet, erzählt Simeoni. In den vergangenen 20 Jahren hätten sich immer wieder Pfarreien, Familienangehörige und Wegbereiter von Menschen gemeldet, die wegen ihres Glaubens gestorben sind.

Vor einigen Jahren überreichte zum Beispiel die Schwester von Jacques Hamel dem Museum ein Stundenbuch des französischen Priesters. 2016 war er während eines Gottesdienstes von islamistischen Attentätern ermordet worden. Zur Übergabe organisierte Sant'Egidio einen Gottesdienst, zu dem die hochbetagte Frau anreiste.

"Die Arbeit geht weiter"

Über einen ähnlichen Weg erreichte die Gemeinschaft eine Bibel des pakistanischen Politikers Shahbaz Bhatti. Der erste christliche Minister für Minderheiten in Pakistan wurde 2011 wegen seines Engagements für interreligiöse Verständigung getötet. Bhattis Bruder, der einige Zeit als Mediziner in Italien arbeitete, kam in Kontakt mit Sant'Egidio und übergab das Buch der Sammlung.

Heute ist die Bibel in der Basilika San Bartolomeo zu sehen, wo die Gemeinschaft anfangs die Gegenstände ausstellte. Weil aber immer mehr Stücke zusammenkamen, öffneten vor Kurzem zusätzlich die Räume unterhalb des Kirchenraums. Immer noch kann nicht die ganze Sammlung gezeigt werden, erklärt Simeoni. Einiges liegt noch im Lager, zudem kommen laufend neue Exponate hinzu. "Die Arbeit geht weiter", sagt sie.

Sant'Egidio - Überblick

Die im Mai 1968 in Rom entstandene katholische Bewegung Sant'Egidio widmet sich der karitativen Arbeit, der Diplomatie in Bürgerkriegsgebieten sowie dem Dialog der Religionen. Sie hat nach eigenen Angaben rund 60.000 Mitglieder in 70 Ländern, davon 5.000 in Deutschland. Ihr Hauptsitz befindet sich im römischen Stadtteil Trastevere, ihr deutsches Zentrum seit 1983 Würzburg. Seit 1986 ist die ökumenisch stark engagierte Gemeinschaft von der katholischen Kirche als Laienvereinigung anerkannt. Finanziert wird ihre Arbeit durch Mitgliedsbeiträge, Spenden sowie durch öffentliche Zuschüsse.

Logo der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Logo der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA