Muezzin soll bald an Ditib-Zentralmoschee rufen

Ein Jahr nach Debatten um Kölner Pilotprojekt

Bald könnte der erste Muezzinruf in Köln erklingen. Das Pilotprojekt hatte bei seiner Vorstellung vor einem Jahr bundesweit Kritik ausgelöst. Die Stadt beruft sich auf die Religionsfreiheit. Zu Recht, sagt ein Experte.

Autor/in:
Anita Hirschbeck
Ditib-Zentralmoschee Köln / © Cornelis Gollhardt (KNA)
Ditib-Zentralmoschee Köln / © Cornelis Gollhardt ( KNA )

Eine Woche noch, dann wird aller Voraussicht nach der erste Muezzinruf in Köln erklingen - an der Ditib-Zentralmoschee. Ausgerechnet, stöhnen die Kritikerinnen und Kritiker.

Das imposante islamische Gebetshaus im Stadtteil Ehrenfeld wird vom deutsch-türkischen Moscheeverband Ditib betrieben - und der gilt vielen als verlängerter Arm des türkischen Staats und seines immer autoritärer regierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Debatte um Muezzinruf

Die Zulassung des Muezzinrufs in Köln sei für Erdogan "ein politischer Triumph ersten Ranges", warnte etwa der frühere Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs, Michael Bertrams, als die Stadt vor rund einem Jahr ihr Pilotprojekt zu Muezzinrufen vorstellte.

Weit über die Grenzen Kölns hinaus entwickelte sich damals eine hitzige Debatte - wie schon vor Baubeginn der Moschee im Jahr 2009. Die Ehrenfelder CDU, aber auch die rechtsextreme Ratsfraktion Pro Köln versuchten, den Neubau zu verhindern. Anwohner fühlten sich vorsorglich durch den Gebetsruf des Muezzin gestört.

Heute lässt sich festhalten: Zehn der rund 35 Moscheegemeinden in Köln haben sich über das Projekt informiert; nur eine - die Zentralmoschee - hat einen Antrag mit den nötigen Unterlagen eingereicht.

Begrenztes Interesse der Gemeinden

Das Interesse der Gemeinden scheint sich also ganz anders als das öffentliche Interesse in Grenzen zu halten. Einige sagten dem "Kölner Stadt-Anzeiger", ihnen sei der gute Kontakt zur Nachbarschaft wichtiger. Die Zurückhaltung könnte auch mit den Auflagen der Stadt zu tun haben: Die Gemeinden müssen ein Schallgutachten einreichen, die Anwohner informieren und eine Ansprechperson für Beschwerden ernennen. Recht viel Aufwand dafür, dass der Muezzin nur freitags für maximal fünf Minuten rufen darf.

"Wir wollten einen klaren Rahmen schaffen, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen", sagt die Leiterin des städtischen Integrationsamts, Bettina Baum. Schätzungsweise 11 Prozent der Kölnerinnen und Kölner sind islamischen Glaubens - und die haben "das gleiche Recht auf freie Religionsausübung wie alle anderen Glaubensgemeinschaften auch". Die Amtsleiterin stellt klar: "Wir erlauben oder verbieten den Gebetsruf nicht. Das können wir gar nicht."

"Der deutsche Staat ist religiös neutral"

Ähnlich sieht es der Münsteraner Rechtswissenschaftler Fabian Wittreck und beruft sich dabei ebenfalls auf das grundgesetzlich garantierte Recht auf freie Religionsausübung. Beim Muezzinruf handele es sich zwar nicht um ein eindeutig festgeschriebenes religiöses Gebot. Wohl gehe es aber um eine Praxis, die unter Muslimen weit verbreitet sei.

"Der deutsche Staat ist religiös neutral", führt der Leiter des Instituts für Öffentliches Recht und Politik weiter aus. "Er muss alle Religionen gleichbehandeln." Das heißt, dass er auch die gleichen Rahmenbedingungen vorgeben darf, etwa dass Lärmschutzregeln zu beachten sind. Daran müssten sich Kirchen beim Glockenläuten genauso halten wie Moscheegemeinden beim Muezzinruf.

Früher hätten die Kommunen häufig den Lärmschutz als Vorwand gegen den Anspruch von Muslimen auf Gleichbehandlung ins Feld geführt, sagt Wittreck. "Heute sehe ich verschiedentlich durchaus die Bereitschaft von staatlichen Stellen, muslimischen Gemeinschaften ernsthaft entgegenzukommen." Das sei auch richtig, denn der Staat habe die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit Religionsgemeinschaften - und er habe ein Eigeninteresse, etwa bessere Integration.

Nicht lauter als ein Gespräch

Nichtsdestotrotz: Persönlich kann Wittreck die Vorbehalte gegen Verbände wie Ditib verstehen. Es gebe ja tatsächlich Probleme, wie die Bespitzelungsvorwürfe gegen Ditib-Moscheen und Enthüllungen antidemokratischer Freitagsgebete zeigen.

An der Zentralmoschee in Köln soll der Muezzinruf nicht über die beiden je 55 Meter hohen Minarette, sondern über zwei Lautsprecher ertönen, die auf den Innenhof zwischen Moschee und Verwaltungsbau gerichtet sind. Die Lautstärke darf - der Umgebung entsprechend - 60 Dezibel nicht überschreiten. Das ist etwa so laut wie ein Gespräch. An dem Gebäude laufen zwei Verkehrsachsen vorbei. "Ich rechne damit, dass der Gebetsruf nicht weit außerhalb des Innenhofs zu hören sein wird", sagt Integrationsamtsleiterin Baum.

Die Ditib muss noch ein paar Informationen nachreichen, dann kann sie einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Stadt unterzeichnen. Der gilt für zwei Jahre, danach wird neu bewertet. Wenn alles nach Plan läuft, könnte in Köln erstmals am 14. Oktober der Muezzinruf erklingen. Auch die überregionale Debatte dürfte dann wieder an Fahrt aufnehmen.

Der islamische Gebetsruf

Der Gebetsruf (arabisch: Adhan, türkisch: Ezan) wird meist vom Minarett einer Moschee von einem Muezzin auf Arabisch vollzogen. Er ist Teil des fünfmaligen islamischen Pflichtgebetes und des Freitagsgebetes. Der arabische Gebetsruf nach sunnitischer Tradition lautet auf deutsch: "Gott (Allah) ist am größten. Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Gott. Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist. Kommt zum Gebet. Kommt zum Heil." Ein zweiter Gebetsruf findet in der Moschee direkt vor Beginn des Gebets statt.

Ali Akdam singt den Muezzin-Gebetsruf / © Hannah Küppers (DR)
Ali Akdam singt den Muezzin-Gebetsruf / © Hannah Küppers ( DR )
Quelle:
KNA