Münsters Generalvikar Kleyboldt über Priester und Ruhestand

«Einmal Pfarrer, immer Pfarrer - das funktioniert nicht mehr»

Arbeiten bis zum 67. Lebensjahr? Gewerkschaften starten Kampagnen gegen das höhere Renteneintrittsalter. Für katholische Priester ist der Ruhestand auch mit 67 Lebensjahren meist noch kein Thema. Im Interview empfiehlt der Generalvikar des Bistums Münster, Norbert Kleyboldt, der Gesellschaft größere Flexibilität.

 (DR)

KNA: Herr Generalvikar, Sie sind vor kurzem 67 Jahre alt geworden und sind Alter Ego des Bischofs von Münster. Wie sehen Sie persönlich die Debatte um die Rente mit 67?

Kleyboldt: Viele meiner früheren Klassenkameraden sind schon im Ruhestand. Während ich mit 65 noch nicht Schluss gemacht habe mit dem Arbeitsleben, sondern immer noch eine sehr anspruchsvolle Leitungsaufgabe wahrnehme. Das ist zwar manchmal eine Last. Wenn ich aber sehr darunter litte, würde ich sagen, dass ich die Aufgabe nicht mehr wahrnehmen kann.



KNA: Geht man mit 67 anders an solche Aufgaben heran?

Kleyboldt: Sicher ist man nicht mehr so agil und kämpferisch wie früher. Andererseits hat man viel mehr Erfahrung und einen weiteren Blick auf die Probleme als die Jüngeren. Wichtig ist beides: Beweglichkeit und Geduld. Der Austausch zwischen Jung und Alt tut dem Amt gut.



KNA: Haben Sie Verständnis für die viel zitierten Dachdecker oder Landwirte, die sich wegen der harten körperlichen Arbeit eine längere Lebensarbeitszeit nicht mehr zutrauen?

Kleyboldt: Wenn ich hier aus meinem Fenster auf das Domdach schaue, das gerade repariert wird, dann sehe ich schon, dass man solche körperlichen Tätigkeiten nicht immer mehr ausweiten kann. Was aber nicht heißt, dass der ältere Dachdecker nicht andere Tätigkeiten übernehmen kann. Wir sind da als Gesellschaft ziemlich fantasielos. Warum soll man nicht auch im späteren Berufsleben umdenken und umlernen können?



KNA: Wann ist für katholische Priester die Altersgrenze erreicht?

Kleyboldt: Bis vor 30, 40 Jahren starben die Priester in der Regel in ihrem Amt und ihrer Gemeinde. Einmal Pfarrer, immer Pfarrer. Dann hat man eingesehen, dass das wohl eine Überforderung darstellt - gerade auch mit Blick auf die wachsenden Aufgaben in den Gemeinden. Jetzt ist es so, dass die meisten Geistlichen zwischen dem 65. und 70. Lebensjahr den Bischof bitten, zumindest ihre Pfarrstelle abgeben zu dürfen. Sie bleiben dann aber oft noch als Kooperatoren tätig - mit etwas weniger Kraftaufwand. Wer über 70 ist, hat dann auch ein Recht darauf, kürzer zu treten. Die meisten engagieren sich aber auch dann noch nach ihren Möglichkeiten. Ich kenne nur ganz wenige Priester, die dann überhaupt keine Verpflichtungen mehr wahrnehmen, wenn sie in den Ruhestand gehen.



KNA: Auch mancher Nicht-Priester wünscht sich einen gleitenden Übergang in den Ruhestand...

Kleyboldt: Das ist sicher ein sehr flexibles Modell. Allerdings auch mit Problemen. Denn nicht jeder versteht es, in die zweite Reihe zurückzutreten und anderen die Leitungsfunktion zu überlassen.



KNA: Manche alten Priester fühlen sich allein gelassen, aufs Abstellgleis gesetzt und würden gern mehr tun.

Kleyboldt: Das ist in der Tat ein Lernprozess für alle Beteiligten: für die Geistlichen, die Gemeinden und auch für die Bistumsleitung. Und ich räume ein, dass wir da noch einiges tun müssen. Bislang sind wir noch nicht so gut aufgestellt, dass wir solche Prozesse hinreichend begleiten können. Aber wir arbeiten daran. Das ist dann aber auch mit einem höheren Personalaufwand verbunden.



KNA: Wo ist Umdenken erforderlich?

Kleyboldt: Gemeinden und jüngere Priester müssen beispielsweise akzeptieren, dass die älteren Geistlichen nicht mehr voll beansprucht werden können. Klar ist aber auch, dass jeder Mensch sich selber darauf vorbereiten muss, in den Ruhestand zu gehen. Wenn ich während des Arbeitslebens keine Interessen entwickle und Kontakte aufrecht erhalte, dann wird es mir auch im Ruhestand sehr schwer fallen - das gilt für Priester genau so wie für Nichtpriester.



KNA: Die Rente mit 67 wird vor allem mit finanziellen Problemen der Rentenversicherung in Zeiten des demografischen Wandels begründet. Kann die katholische Kirche auf Dauer die finanzielle Last eines wachsenden Anteils von alten Priestern tragen?

Kleyboldt: Ich glaube, dass wir im Bistum Münster dafür gut vorgesorgt haben. Der Bischof ist ja verpflichtet, für seine Priester zu sorgen. Anders als andere Bistümer haben wir Versorgungsrücklagen gebildet. Die Versorgungsleistungen werden nicht aus den laufenden Haushalten finanziert, was uns in Zeiten der Krise und bei zurückgehenden Kirchensteuereinnahmen sehr hilft.



Interview: Christoph Arens